Ohne das Drängen, Sicheinmischen und Nachhaken der Leipziger Naturschutzverbände wäre die Leipziger Politik in Sachen Schiffbarkeitserklärung noch immer genauso blind wie vor einem Monat oder einem Jahr. Am 5. März hatten die Vereine und Verbände aus Leipzig einen Termin bei der Landesdirektion Leipzig erwirkt, bei dem es genau um diese Frage gehen sollte. Schon am 5. März gab es dann auch die erste wichtige Information.
Die Landesdirektion teilte offiziell mit, dass es im Floßgraben und im Auenwald keine Schiffbarkeitserklärung geben werde. Das war zwar so zu erwarten gewesen, denn die Klagen der Verbände wegen eines offenkundigen Verstoßes gegen den hochwertigen Naturschutz im Auenwald wären damit einfach zwingend geworden. Aber die Botschaft war dennoch überraschend, weil die kommunalen Akteure im Leipziger Gewässerknoten noch immer suggerieren, die Gewässerlandschaft und das Leipziger Neuseenland wären nur mit Wassertourismus und einem Ausbau der Verbindungsgewässer für private Motorboote machbar.
Das Ganze ist zusammengefasst im “Wassertouristischen Nutzungskonzept” des Gewässerverbunds Leipzig, einem der vielen Gremien, in dem diverse kommunale Akteure zusammen wirken, ohne dass der “Neuseenländer” überhaupt noch erfassen kann, wer wirklich welche Entscheidungen trifft im Neuseenland.
Außer in Sachen Schiffbarkeit. Diese zu erklären ist eindeutig die Landesdirektion verantwortlich. Und mit der Nicht-Erklärung im Auenwald stellt sie nun auch etwas fest, was den Befürwortern des “Wassertouristischen Nutzungskonzeptes” eigentlich von Anfang an hätte klar sein müssen: Sie können durch den Auenwald keine wassertouristischen Routen betreiben. Dagegen steht der Status als Naturschutzgebiet. Damit fallen alle in den Karten so dick gemalten Kurse Richtung Cospudener, Markkleeberger, Störmthaler, Zwenkauer und Hainer See als wassertouristische Verbindungsroute aus. Hier ist maximal muskelbetriebener Bootsverkehr möglich, im Floßgraben auch das nur eingeschränkt, denn wenn der Eisvogel brütet, muss der Graben gesperrt werden.
Und große Fragezeichen stehen auch über den gewässerangepassten Passagierbooten. Die Naturverbände fragen schon mit Besorgnis, ob nicht längst schon viel zu viele Ausnahmegenehmigungen erteilt wurden.
Aber eine Konsequenz liegt jetzt auf der Hand: Das seit 2006 wie eine Fahne vorangetragene “Wassertouristische Nutzungskonzept” kann so nicht umgesetzt werden und muss jetzt endlich den sensiblen Ausgangsbedingungen im Auenwald und in den Leipziger Gewässern angepasst werden.
So sieht es auch Norman Volger, Fraktionsvorsitzender und umweltpolitischer Sprecher Bündnis 90/Die Grünen: “Wir begrüßen ausdrücklich die Entscheidung der Landesdirektion, bei der Prüfung der Schiffbarmachung der Leipziger Gewässer den Floßgraben und Auenwald explizit herauszunehmen und damit eine Ausweitung der hobbymäßigen Motorbootnutzung für diese Naturschutzgebiete abzulehnen. Diese Entscheidung ist eine Entscheidung für das Schutzgut Auewald und seine Bewohner und das Verdienst langjähriger intensiver Arbeit und Bewusstseinsbildung der Umweltaktiven. In Folge dessen müssen nun die zahlreich erfolgten (Sonder-)Genehmigungen für Motorboote kritisch in Augenschein genommen werden. Insofern schließen wir uns der Ansicht der Verbände an, dass bereits die vielfach ausgereichten Einzelgenehmigungen gegen die Schutzverordnungen verstoßen.”
Er wiederholt eigentlich etwas Selbstverständliches: “Bei zukünftigen Genehmigungsverfahren sollten die Umweltverbände nun von Beginn an intensiv einbezogen werden. Sie haben ihre Fachlichkeit schon häufig unter Beweis gestellt.”
Doch genau in dieser Frage tut sich die Leipziger Stadtverwaltung schwer. Das stellte sie 2011 unter Beweis, als sie dem Druck der Landestalsperrenverwaltung nachgab, im Leipziger Auenwald flächendeckend Ufer und Deiche von Baumbewuchs befreien zu lassen, das stellte sie 2013 unter Beweis, als sie meinte, es brauche für den Neubau des Nahleauslasswerkes kein geordnetes Planverfahren. 2013 gar fanden sich die Umweltverbände an den Pranger gestellt, als amtliche Stellen ohne Grund verkündeten, die Umweltschützer seien schuld daran, dass die Deiche am Elsterhochflutbett nicht in Ordnung waren, als im Juni 2013 die Flut kam.
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Ein perfides Spiel, mit dem auch die Glaubwürdigkeit der ehrenamtlichen Naturschützer untergraben werden sollte.
Aber dass sie mit ihrem Kampf um den Naturschutz im Auenwald Recht hatten, bestätigte die Landesdirektion nun mit ihrer Entscheidung, im Floßgraben gar nicht erst eine Erklärung einer Schiffbarkeit einzuleiten. Offen ist noch, was im Leipziger Gewässerknoten (Stadtelster, Karl-Heine-Kanal, Elstermühlgraben, Elsterflutbecken) passiert. Die Landesdirektion hält die Option einer Schiffbarkeitserklärung hier offen und macht sie von der Position der Stadt Leipzig abhängig.
Ein Alarmsignal für alle, die wissen, wie eigensinnig die Verwaltung hier seit Jahren agiert. Denn eine Nicht-Schiffbarkeits-Erklärung heißt hier eben auch, dass ein Großteil des “Wassertouristischen Nutzungskonzepts” in die Tonne gehört. Das bedeutet es zwar auch mit der Schiffbarkeitserklärung, denn die Untersuchungen der Landesdirektion zur Bootsgängigkeit im Gewässerknoten hatten ja eindeutig gezeigt, dass ein zusätzliches Aufkommen von (privaten) Motorbooten geradezu Konflikte mit allen anderen Nutzern provoziert. Viele Teile des Gewässerknotens vertragen zusätzlichen Bootsverkehr gar nicht. Damit hängt aber auch ein großes Fragezeichen über einigen Lieblingsprojekten der Stadtverwaltung – über Stadthafen, Marina Lindenau und dem Ausbau des Elster-Saale-Kanals mit Schiffshebewerk.
Logische Folge aus Sicht der Grünen: Das wassertouristische Nutzungskonzept muss von Grund auf neu gedacht werden, um damit künftige Fehlinvestitionen zu verhindern.
“Es ist uns ein Anliegen, das Erleben unseres ökologisch wertvollen Auenwaldes inmitten einer Großstadt möglich zu machen – im Einklang mit den Erfordernissen an Umwelt- und Naturschutz”, betont Volger. “Die Umweltverbände haben dazu einen sehr guten Forderungskatalog aufgestellt, den es nun in die Praxis zu überführen gilt. Hierzu zählen unter anderem die tageszeitlich und zahlenmäßig eingeschränkten Fahrten muskelbetriebener Boote durch den Floßgraben ebenso wie ein Anlege- und Betretungsverbot der Uferbereiche.”
http://gewaesserverbund.info/download/WTNK_Broschuere_2006.pdf
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