Wenn Leipzig Bevölkerung jedes Jahr um 7.000 oder 10.000 Einwohner wächst, dann lässt das nicht nur nach und nach den Leerstandspuffer wegschmelzen, auch wenn der Zensus 2011 scheinbar ergab, dass Leipzig möglicherweise noch 39.888 leerstehende Wohnungen hatte. Im Mai 2011 wohlgemerkt. Und das auch mit gewaltigen Zweifeln. Leipzigs Architekten jedenfalls gehen davon aus, dass der Puffer sehr schnell schmilzt.
Nachzulesen im Deutschen Architekturforum, wo man auch die Rechenbeispiele dazu findet. Aber die generelle Zahl macht auch niemanden klüger. Denn sie sagt nichts über die Entwicklung in den Ortsteilen. Eine Stadt wie Leipzig ist kein Einheitsbrei. Sie ist längst dabei, sich auszudifferenzieren. Einige innerstädtische Quartiere sind längst auf dem Weg, zu Wohnquartieren für die Besserbetuchten zu werden. Hier werden deutlich höhere Mieten verlangt, hier werden auch bislang noch preiswert vermietete Wohnblöcke aufwändig saniert und dann teurer weitervermietet.
Hier wird aber auch emsig am Umbau alter Unternehmenssitze in hochpreisige Wohnlagen gearbeitet – man denke nur an das ehemalige Interdruck-Gebäude oder den einstigen Sitz von LKG, beide im Grafischen Viertel.
Das hat seit 2011 spürbar auch Auswirkungen auf das Leipziger Mietpreisniveau, wie das jüngste “Leipzig Residential City Profile” von Jones Lang LaSalle zeigt.
Roman Grabolle, der sich im Leipziger Westen engagiert, hat sich den Bericht einmal angeschaut. Und unübersehbar hat die Bevölkerungsentwicklung auch positive Folgen: Es wird wieder in Mehrfamilienhäuser investiert. Es werden auch wieder neue gebaut.
Grabolle: “Der Wohnungsneubau in Leipzig zieht weiter an. Mit fast 530 neu geschaffenen Wohnungen wurden 2012 achtmal mehr neue Wohnungen in Mehrfamilienhäusern übergeben als 2011. Offensichtlich sind die jahrelang dominierenden Sanierungen der Bestandswohnungen so weit vorangeschritten, dass die zusätzliche Nachfrage nach hochwertigen Wohnraum jetzt auch durch Neubau bedient wird. Erstmals sind es nicht mehr nur Ein- und Zweifamilienhäuser an den Stadträndern, sondern Wohnungen in Mehrfamilienhäusern die neu errichtet werden. Das Fertigstellungsvolumen wird sich voraussichtlich auch 2013 und 2014 auf dem aktuellen Niveau einpendeln, da die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen 2012 ebenfalls stabil blieb.”
Aber der Wohnungsbau kommt genau dann in Gang, wenn zumindest in einzelnen Stadtquartieren das vorhandene Angebot nicht mehr ausreicht. Was dann wieder eine für Wohnungsmieter nicht so erfreuliche Folge hat: die Angebotsmieten steigen dort.
Mit Betonung auf Angebotsmieten. Das wird in einigen Leipziger Medien gern verwechselt oder gar nicht erst unterschieden. Es gibt die Bestandsmieten (die auch Grundlage des Leipziger Mietspiegels sind). Da sind die Mieten, die die Leipziger zahlen, egal seit welchem Zeitpunkt sie irgendwo wohnen.
Angebotsmieten aber spiegeln die Mieterwartungen, wie sie Vermieter bei Neuvermietungen äußern. Es ist natürlich zu erwarten, dass diese Angebotsmieten steigen, wenn eine Stadt wie Leipzig sich so langsam füllt. Aber da geht in Leipzig – anders als etwa in München oder Frankfurt – noch keineswegs die Post ab.
Roman Grabolle: “Im zweiten Halbjahr 2013 stabilisiert sich die Angebotsmiete in Leipzig bei 5,30 Euro/m², womit die Stadt eindeutig zu den günstigen Mietwohnungsmärkten unter den Großstädten zählt. Die leichte Aufwärtsentwicklung der Mieten aus der ersten Jahreshälfte hat sich nicht wiederholt, da nicht alle Stadtbezirke weitere Mietsteigerungen durchlaufen haben.”
Heißt im Klartext: Der Prozess der Gentrifizierung (wenn man ihn denn so nennen will) fokussiert sich auf einige wenige Stadtbezirke im Stadtkern. Wer da für seine schmale Börse nichts mehr findet, weicht aus und findet etwa in Lindenau und Leutzsch nach wie vor bezahlbaren Wohnraum.
Grabolle: “In der zweiten Jahreshälfte konzentriert sich die Dynamik auf die gefragten und bereits überdurchschnittlich teuren Stadtbezirke, während die preiswerteren Bezirke stabile bis leicht sinkende Mietpreise aufweisen. Die mit fast 9 % auf Jahressicht größten Zuwächse verzeichnet demnach der Bezirk Mitte, wo mit 6,70 Euro/m² zugleich die höchsten Mieten der Messestadt erzielt werden. Aber auch die gefragten Bezirke im Süden Leipzigs mit Stadtteilen wie Schleußig und Südvorstadt erfahren überdurchschnittliche Mietpreisanstiege (5-8 % p.a.).”
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Verständlich also, wenn junge Leute verstärkt nach Plagwitz, Reudnitz und Lindenau ausweichen. Wer’s erst recht nicht dicke hat im Portemonnaie, zieht noch weiter an den Rand.
Grabolle: “Auf der anderen Seite der Preisskala befindet sich der Bezirk West mit Grünau und den Gebieten des komplexen Wohnungsbaus aus den 1970/80er Jahren, wo die Mieten leicht auf 4,35 Euro/m² zurückgehen. Somit lässt sich in Leipzig, wie in anderen Großstädten, eine zunehmende preisliche Ausdifferenzierung nach Lagen auf dem Mietwohnungsmarkt zwischen gefragten urbanen Stadtteilen in der Stadtmitte mit guter Infrastruktur und einfachen Randlagen feststellen.”
Aber nicht nur bestimmte Quartiere sind nun langsam voll. Auch bestimmte Gebäudesegmente sind mittlerweile ausgereizt. Der Zuwachs in den letzten Jahren fand fast ausschließlich im Altbau statt, der seit Mitte der 1990er Jahre flächendeckend saniert wurde und Leipzig auch wieder zu einer attraktiven Wohnstadt gemacht hat. Was jetzt noch als sanierbarer Altbaubestand da ist, erfordert in der Regel auch höhere Sanierungsaufwendungen. Und da die Nachfrage hoch ist, können die Vermieter auch etwas höhere Mieten verlangen.
Grabolle: “Am stärksten verteuern sich auf Jahressicht Altbauwohnungen, die bis 1919 erbaut wurden (+8,9 %). Mit rund 5,50 Euro/m² werden sie rund einen Euro teurer als Wohnungen in Plattenbauten angeboten. Im Stadtzentrum werden Altbauwohnungen für knapp 7,00 Euro/m² vermietet. Wohnungen, die ab 1991 errichtet wurden, erzielen in Leipzig Neuvertragsmieten um die 6,00 Euro/m². Neben den Altbauwohnungen findet im Neubausegment die größte Preissteigerung statt. Die höchsten Mieten werden für Neubauwohnungen im Zentrum mit rund 8,00 Euro/m aufgerufen.”
Der Mietpreismedian in Grünau liegt übrigens bei 4,35 Euro, der in Leipzig-Süd bei 6,05 Euro. Wie gesagt: Angebotsmiete. Medien heißt: Die Hälfte der angebotenen Wohnungsmieten liegt drüber, die andere Hälfte drunter. Es gibt aber noch einen Effekt, der zum Anstieg der Quadratmetermiete beiträgt: Der deutlich gestiegene Bedarf an kleinen Wohnungen, für die in der Regel höhere Quadratmetermieten verlangt werden als für große. Da reicht schon das steigende Angebot von kleinen Wohnungen (unter 45 Quadratmeter), um auch den allgemeinen Angebotspreis steigen zu lassen.
Grabolles Ausführungen sind zu finden unter:
www.deutsches-architektur-forum.de/forum/showthread.php?p=418073
Die Presemiteilung vpn Jones Lang LaSalle vom 20. Februar:
www.joneslanglasalle.de/Germany/DE-DE/Pages/NewsItem.aspx?ItemID=30286
Der Bericht von Jones Lang Lasalle:
www.joneslanglasalle.de/ResearchLevel1/RCP_Leipzig_H2-2013_DV_DE.pdf
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