Im Dezember beschloss der Leipziger Stadtrat, den Antrag von SPD und CDU zum Nahleauslassbauwerk in den zuständigen Fachausschuss zu überweisen und keinen Stopp für die Baumaßnahmen zu beschließen. Seit Anfang Januar baut die Landestalsperrenverwaltung deshalb. Sie baut das Auslasswerk für 3,5 Millionen Euro neu und verstärkt die angrenzenden Deiche bis in 9,50 Meter Tiefe. Jetzt liegt auch der Verwaltungsstandpunkt dazu vor.
Es ist eine Ablehnung, auch wenn sie als Alternativvorschlag formuliert ist. Die Begründung ist ausführlich, so dass der Leser auch die ganze Vorgeschichte seit 1973 nachvollziehen kann, als das Bauwerk vor allem zum Hochwasserschutz für die Stadtteile Wahren und Leutzsch errichtet wurde.
Aber dafür kam es nie in Funktion, hat es auch wenig Wirkung. Dafür zeigten die Hochwasserereignisse im Januar 2011 und im Juni 2013, dass das Bauwerk für einen anderen Zweck viel dringender gebraucht wird. So bestätigte auch Angelika von Fritsch, die Leiterin des Leipziger Umweltschutzamtes, auf Nachfrage am Freitag. “Es geht ganz wesentlich um die Scheitelkappung des Hochwassers zum richtigen Zeitpunkt. Die Burgaue früher zu fluten, macht bei solchen Hochwasserereignissen, wie wir sie im Juni erlebt haben, keinen Sinn. Es kommt darauf an, den Hochwasserscheitel zum Höhepunkt der Flut deutlich zu senken. Was wir ja 2011 und 2013 getan haben. Mit dem erwarteten Effekt.”
Der Effekt tritt nicht in Wahren oder Leutzsch ein, sondern flussabwärts in Halle. Beide Male konnte Halle durch die Öffnung des Auslasswerks deutlich entlastet werden – und das zum Höhepunkt der Flut. “Wir bekamen eine Menge dankbarer Anrufe aus Halle, das können Sie sich vorstellen”, so die Leiterin des Umweltamtes. Wenn man die Burgaue schon frühzeitig als Polder öffne, funktioniere das nicht.
Also gibt es jetzt die Verwaltungsempfehlung, keinen Stopp der Bauarbeiten zu verlangen. Aber trotzdem weiter nach Wegen zu suchen, die Burgaue wieder mit Wasser zu versorgen. Denn seit fast 90 Jahren sperren die Hochwasserdeiche an Nahle und Luppe die vom Auenwald so dringenden Hochwasser ab. Auch die kleinen, die regelmäßig wichtige Schwemmstoffe in den Auwald tragen würden.
So ist denn im Alternativvorschlag auch zu lesen: “In die Variantenuntersuchung für den Hochwasserschutz wurden dabei auch die bekannten in Planung befindlichen Wiedervernässungsuntersuchungen in der Nord-West-Aue berücksichtigt. Die Vorzugsvariante für den Hochwasserschutz sieht weiterhin die Nutzung der Südaue (südlich der Neuen Luppe) als gesteuerten Flutungspolder und dessen Flutung über das instandzusetzende Nahleauslassbauwerk vor. Im Ergebnis dieser vertiefenden Untersuchungen und der 2D-Modellierung wurde eingeschätzt, dass die im HWSK abgeschätzte Fachbaumabsenkung um ca. 40 cm nicht notwendig und auch angesichts der vorhandenen Geländehöhen der landseitig an das Bauwerk anschließenden Auenwaldflächen nicht sinnvoll ist.”
Im weiteren Verlauf der Planungen fand eine Fachbaumabsenkung also keine Berücksichtigung mehr. Über das Auslasswerk wird es also auch keine Wiedervernässung der Burgaue geben. Aber wie sonst? Immerhin untersucht das Projekt “Lebendige Luppe” genau das: Wie bekommt der Auenwald wieder ein natürliches Wassersystem?
“In der Zulassung ist ausgeführt, dass das Nahleauslassbauwerk laut wasserrechtlicher Nutzungsgenehmigung vom 05.02.1973 der gesteuerten Flutung der südlichen Luppeaue und der Burgaue dient. Das Auslassbauwerk bewirkt die Hochwasserentlastung der Nahle und der Neuen Luppe und ist essentiell für den Hochwasserschutz (Überschwemmungsschutz) sowohl der Leipziger Stadtteile Wahren und Leutzsch als auch der flussabwärts anschließenden Bereiche quasi länderübergreifend bis nach Sachsen-Anhalt. Der Inanspruchnahme des Polders, wie erstmals im Januar 2011 praktiziert, ist auch künftig wesentliche Bedeutung beizumessen, da ein Abschlag von Hochwasser der Weißen Elster in den Zwenkauer See grundsätzlich erst bei Durchflüssen ab 450 m³/s erfolgt, die Öffnung des Nahleauslassbauwerks jedoch bereits bei Hochwasserereignissen mit ca. 280 m³/s Wasserführung notwendig wird. Die Nutzung beider Maßnahmen ist daher auch unabhängig voneinander alternativlos.”
Die 280 m³/s Wasserführung entspräche ungefähr einem Hochwasser der Stufe HQ 100 (das also rechnerisch alle 100 Jahre auftritt), so wie es das Winterhochwasser im Januar 2011 war. Das Juni-Hochwasser 2013 war ein HQ 150 – und Leipzig hatte Glück, dass das Ablasswerk in Zitzschen, mit dem Wasser aus der Weißen Elster in den Zwenkauer See abgeleitet werden konnte, gerade fertig geworden war.
Trotzdem bleibt die Frage: Wie bekommt der Auwald in der Burgaue wieder seine natürlichen Überschwemmungen?
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“Als ergänzende Maßnahme bzw. zur Integration in das Projekt ‘Lebendige Luppe’ ist für kleinere Hochwasserereignisse die Möglichkeit der Flutung der Südaue über das Bauerngrabensiel zu untersuchen, welches bisher in vorgenannten Situationen geschlossen wurde. Dazu haben die Stadt Leipzig und die LTV bereits vereinbart, die Regelung des Bauerngrabensiels nach dessen Ersatzneubau als steuerbare Anlage im Jahr 2014 abzustimmen”, heißt es in der Vorlage.
Das Bauernsiel sperrt den Bauerngraben, der durch das Projektgebiet “Lebendige Luppe” fließt an der Nahle, kurz nachdem sie vom Elsterbecken abgezweigt ist, ab. Wenn das Siel jetzt bei kleineren Hochwassern geöffnet wird, könnte der Bauerngraben das Wasser hinter Deich und Auslasswerk entlang in die Burgaue spülen. Ob dabei auch richtige Überschwemmungen in Frage kommen, wie der Auwald sie braucht, werde noch geprüft.
Aber nicht nur mit dem Bauerngraben soll die künstliche Bewässerung des Auwaldes wieder installiert werden. Auch über Deichschlitzungen solle nachgedacht werden, so Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal.
Das soll im Rahmen der Naturschutzwoche im Mai 2014 im Auenwaldsymposium “Auesystem-Burgaue” zum Thema werden. Zur Vorbereitung wird sich der Oberbürgermeister an das SMUL und die LTV aufgrund der fachlichen Zuständigkeit wenden.
Der Verwaltungsstandpunkt zum Nahleauslasswerk:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/DD35117FF13FBD2CC1257C71002FAECA/$FILE/V-a-475-vsp.pdf
Das Projekt “Lebendige Luppe”:
www.lebendige-luppe.de
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