Es ist so überflüssig wie ein sechster Zeh: das Nahleauslassbauwerk, das im Hochwasserfall ermöglicht, das Hochwasser aus der Nahle mit Öffnung der Schieber kurzerhand einfach in die Burgaue abzulassen. So geschehen im Januar 2011 und im Juni 2013, den beiden Hochwasserereignissen an der Weißen Elster der letzten 50 Jahre. 2013 kündigte die Landestalsperrenverwaltung an, das Bauwerk durch einen Neubau ersetzen zu wollen.

Normalerweise muss bei einem Neubau eine ordentliche Beteiligung auch der Umweltverbände erfolgen. Irgendwie hat das Leipziger Umweltamt das auch getan und sich zwei Stellungnahmen geholt – eine vom Nabu, die irgendwie dafür war, und eine vom Ökolöwen, der sehr genau erklärte, wie massiv das Bauwerk gegen die Schutzbelange des Leipziger Auenwaldes verstößt.

Aber im Leipziger Rathaus herrscht, wenn es um Anfragen von Landesbehörden geht, eine Art furchtsames Wegducken. Man entschied sich einfach für die Aussage des Nabu und gab der Landestalsperrenverwaltung grünes Licht, im Naturschutzgebiet Burgaue für 3 Millionen Euro ein Steuerbauwerk hinzusetzen, das dem Auenwald massiv das Wasser abgräbt, im Hochwasserfall aber nichts nützt.

Im Gegenteil. Bei Hochwassern, wie sie Leipzig 2011 und 2013 erlebte, muss das Wehr geöffnet werden. Denn die Größenklassen HQ 100 (2011) und HQ 150 (2013) schwemmen so viel Wasser die Weiße Elster herunter, dass davon in der Regel die Stadt Halle massiv bedroht wird. Und das auch, weil sich die Einzugsgebiete von Saale und Weißer Elster sehr nahe sind. Das heißt: Wenn die Weiße Elster Hochwasser führt, führt in der Regel auch die Saale Hochwasser. In Halle treffen und überlagern sich die Pegel und führen – wie 2013 – zu massiven Schäden in der Stadt. Und das ging 2011 und 2013 sogar beide Male noch glimpflich ab, denn beide Male wurden Millionen Kubikmeter aus der Weißen Elster in die Burgaue abgeleitet. Dort richteten sie, weil sie mit voller Wucht durchs Auslasswerk strömten, einigen Schaden an. Aber natürlich weniger, als sie in Halle angerichtet hätten.

Auf Einladung mehrerer Umweltinitiativen ließen sich im vergangenen Herbst Stadtratsmitglieder von SPD und CDU erklären, wie dieses Bauwerk funktioniert und welche Rolle es für den dahinter liegenden Auwald eigentlich spielt. Das Ergebnis dieses Vor-Ort-Besuches war ein gemeinsamer Antrag von SPD- und CDU-Fraktion, einen sofortigen Stopp des Bauvorhabens zu erwirken, nachdem das Umweltamt im Sommer 2013 nichts Eiligeres zu tun hatte, als den Neubau zu genehmigen. Der Antrag wurde aus dem Stadtrat wieder in den Umweltausschuss verwiesen. Seitdem herrscht Schweigen.

“Das Vorhaben ist ökologischer Hochwasserschutz und wurde schon auf etlichen Foren diskutiert”, erklärte nun am 21. Januar der Chef der regionalen Landestalsperrenverwaltung Axel Bobbe. “Wir bauen jetzt. Am Jahresende wird die Anlage wieder so wie heute aussehen, aber absolut funktionstüchtig sein.”Heißt im Klartext: Auf Jahrzehnte wird dieser ökologische Unfug wieder in Beton gegossen. Der Auwald bekommt aus den kleineren Hochwassern kein Wasser, weil Deich und Auslasswerk sie abwehren. Die Deiche werden noch viel stärker als bisher, denn sie sollen nun auch bis 9,50 Meter Tiefe das Grundwasser absperren. Man hätte sich, um den Auwald zu zerstören, eigentlich keine gründliche Trockenlegung ausdenken können.

Und Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) erklärte gar, die Stadt Leipzig hätte bei so einem Bauwerk in ihrem eigenen Auenwald und vor allem mitten in einem Naturschutzgebiet nichts mitzureden. “Unser Renaturierungsprojekt Lebendige Luppe wird damit nicht torpediert”, behauptete er gar in der LVZ. “Das Auslass-Bauwerk war von Anfang an eingeplant.”

“Das ist nicht nachvollziehbar, zumal es sich laut Aussage von Axel Bobbe, Leiter der Landestalsperrenverwaltung, um eine ‘ökologische’ Hochwasserschutzmaßnahme handelt”, kritisiert nun Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NuKla e.V. den Leipziger Umweltbürgermeister für diese Aussagen. Der NuKla kämpft zwar vordergründig darum, dem Leipziger Auwald einen UNESCO-Status zu verschaffen. Aber dahinter steckt der Kampf um den Erhalt des Auenwaldes, der dringend Wasser braucht und nach 80 Jahren Trockenlegung schon weiträumig leidet. Doch gerade die in der Stadt verantwortlichen Instanzen vermeiden nicht nur die öffentliche Diskussion, sondern lassen die LTV im Leipziger Naturschutzgebiet agieren, als könne sich die Stadt einfach der Aufgabe als Naturschutzbehörde entledigen, indem sie einfach nur nickt.

Stoiber hat jetzt einen Offenen Brief an Rosenthal geschrieben, in dem er diese Nicht-Wahrnehmung der Verantwortung deutlich kritisiert: “Den Inhalt dieser Ihrer Aussage bezweifeln wir: weshalb sonst hätte das Umweltamt der Stadt Leipzig sich Stellungnahmen der anerkannten Naturschutzverbände eingeholt und anschließend – obwohl diese mehrheitlich kritischen Inhalts waren – sein ‘naturschutzfachliches Einverständnis’ zu den Maßnahmen erklärt?”

Und dass das Bauwerk das Projekt “Lebendige Luppe” nicht beeinträchtigt, bezweifelt Stoiber. Was soll so ein Projekt, wenn ihm schlicht das Wasser abgegraben wird? – “Weiterhin findet man bei gründlichem Studium der Planungsunterlagen, dass die geplanten Maßnahmen massive negative Auswirkungen auf das FFH-Gebiet Burgaue haben werden. Es ist Ihre Aufgabe als Bürgermeister für Umwelt der Stadt Leipzig, daraufhin alle Möglichkeiten zu prüfen, die hier einen fachlichen Austausch mit LTV ermöglichen – der auch dann hätte stattfinden müssen, wenn er von Seiten der LTV nicht erwünscht wäre: die Burgaue ist Eigentum der Leipziger Bürgerinnen und Bürger, die ein Recht darauf haben, dass notwendiger Hochwasserschutz für den Sonderfall nicht im Normalfall großen Schaden am Schutzgebiet anrichtet.”

Im November 2013 schon hat der NuKla e. V. bei der EU in Brüssel Beschwerde eingereicht, weil die Baumaßnahme eindeutig gegen EU-Recht verstößt. Die Burgaue ist FFH-Schutzgebiet nach europäischem Recht. Und der Neubau, der die negativen Wirkungen des Altbaus noch verstärkt, ist ein direkter Eingriff in dieses FFH-Gebiet.

Am 21. Januar hat Stoiber deshalb auch einen Brief an Sachsens Umweltminister Frank Kupfer (CDU) geschrieben, in dem er ihn dringend bittet, die Bauarbeiten zu stoppen.

Beide Briefe gibt es hier zum Nachlesen.

Der Offene Brief an Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal als PDF zum download.

Der Offene Brief an Umweltminister Frank Kupfer als PDF zum download.

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