Straßenbahntrassen sind (vielleicht) ein Zukunftsthema in Probstheida. Auch wenn Martin Jonas, Geschäftsführer des Herzklinikums Leipzig, zum Bürgerforum am 23. Januar im Neuen Rathaus betonte: "Wir brauchen Alternativen." - Denn nicht nur die Probstheidaer spüren es: Der Kfz-Verkehr zum Klinikum sprengt alle Parkplätze und verstopft den Ortsteil.

Seitenstraßen sind heute schon zugeparkt. Die 1.100 Parkplätze direkt am Herzklinikum reichen hinten und vorne nicht. Obwohl sie für ein Klinikum mit 2.500 Mitarbeitern durchaus den gesetzlichen Vorgaben genügen, wie Jonas erklärt. Das Problem, das der Klinikstandort heute hat, ist hausgemacht. Und die Leipziger Verkehrsplanung ist nicht ganz unschuldig daran. Denn ein Klinikstandort dieser Größenordnung funktioniert ohne direkte ÖPNV-Anbindung nicht. Das sei selbst innerhalb der Rhön-Kliniken ein absoluter Sonderfall, betont Jonas.

Und ein wenig sieht es auch Stadtplaner Jochem Lunebach so: Die Unterlassungssünden der 1990er Jahre, als der Klinikstandort geplant wurde, rächen sich heute. Der Standort ist so abgelegen, dass nicht nur Patienten und Besucher es vorziehen, mit dem Auto hin zu fahren, sondern auch die meisten Angestellten. Die vorhandenen Parkplätze laufen über. Und die Buslinie 76, die nur alle 20 Minuten fährt, ist keine adäquate Entlastung. Auch weil er so selten fährt, dass Nutzer der Straßenbahnlinie 15 in Probstheida selten einen direkten Anschluss haben.

All die Probleme kamen in der Bürgerwerkstatt am 16. November auch auf den Tisch. Ein Ergebnis der Werkstatt war auch: Es müssen umgehend Lösungen für das Dilemma gefunden werden. Jetzt. Mit den vorhandenen Möglichkeiten. Es entstanden also zwei neue Arbeitsgruppen.

Eine war die AG Bus, die sich am 18. Dezember mit möglichen neuen Bus-Verbindungen zum Klinikum beschäftigen wollte. Dazu waren auch Bürgervorschläge willkommen. Das Ergebnis waren 17 verschiedene Vorschläge für Taktverdichtungen und neue Busverbindungen. Die letzten trudelten noch am 18. Dezember ein, so dass diese AG erst einmal ohne Ergebnis auseinander ging. “Aber wir als LVB haben natürlich vorgeschlagen, diese AG in eigener Regie fortzuführen”, erklärte LVB-Planer Ekkehard Westphal auf dem Bürgerforum am 23. Januar.

Natürlich sind einige Varianten wieder sehr phantasievoll, andere führen wieder durch Landschaftsschutzgebiete. Aber zwei Prämissen wollen die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) stringent anwenden, um die sinnvollen von den nicht so sinnvollen Vorschlägen zu trennen. Westphal: “Die Trassen, die wir dann in die engere Wahl nehmen, müssen mit möglichst minimalem Aufwand umsetzbar sein. Und sie müssen den größtmöglichen Nutzeffekt haben.”

In gewisser Weise ist auch das noch Zukunftsmusik. Denn Linienumbauten im Leipziger Busnetz müssen abgestimmt werden. Und selbst wenn die Linie 76 in dichterer Taktfolge fahren soll, braucht man dann zwangsläufig mehr Fahrzeuge und mehr Fahrer.Aber die Taktverdichtung der Linie 76 ist das wohl nächstliegende Mittel, dem Herzklinikum zu helfen. Auch das wurde schon in der Bürgerwerkstatt deutlich: Auch das Herzklinikum muss und will seine Verkehrsprobleme lösen. Denn der Parkdruck verstellt natürlich auch die kliniknahen Parkplätze, die eigentlich von Patienten und Besuchern gebraucht werden. Und auch jetzt schon müsse zuweilen zu deutlichen Maßnahmen gegriffen werden, um Wildparker aus Parkverbotszonen und Rettungswegen zu entfernen, erzählt Jonas.

Deswegen überlege man schon seit geraumer Weile, ein System der Parkplatzbewirtschaftung einzuführen. Das soll noch 2014 passieren. Und nicht nur das allein. Das ist die Stelle, an der Jonas von den fehlenden Alternativen spricht. Denn wenn man Besucher und Angestellte dazu bringen will, auf ihren Pkw zu verzichten, braucht es ÖPNV-Angebote. Und zwar attraktive. Nicht nur einen Bus, der aller 20 oder 30 Minuten mal fährt.

Deswegen gibt es mittlerweile auch so etwas wie eine AG Herzklinikum, in der die Leitung des Klinikums, die LVB und die Stadt zusammenarbeiten. Anfang Februar setzt sich diese “AG” wieder zusammen. Da der Handlungsdruck groß ist, wird es daraus auch schneller umsetzbare Lösungen geben. Auf die sich auch Leipzigs Planungsdezernentin Dorothee Dubrau freut, weil sie zeigen, wie auch im Verkehr die Dinge ineinander greifen. Auch weil sie sich eins weiß mit Martin Jonas in der Frage “Mehr Parkplätze oder nicht?” – Mehr Parkplätze aber induzieren mehr Verkehr. “Und wir haben ganz bestimmt nicht vor, durch noch mehr Stellplätze noch mehr Verkehr zu induzieren”, sagte Jonas am Donnerstag. Deswegen gäbe es zwar Überlegungen, wo ein mögliches Parkhaus stehen könnte. Nämlich genau da, wo heute der ebenerdige Hubschrauberlandeplatz ist. Doch dann müsste der Landeplatz aufs Dach des Parkhauses. Damit wäre es so teuer, dass wohl auch die Kosten nicht mehr auf die Nutzer umgelegt werden könnten.

Die Lösung könnte ein Bündel von Maßnahmen sein, über die jetzt Herzklinikum, LVB und Stadt verhandeln – zur Parkraumbewirtschaftung müsste zwingend eine bessere Vertaktung der Buslinie 76 kommen. Möglicherweise auch mit einer etwas veränderten Streckenführung. Und damit die Mitarbeiter der Kliniken auch den Anreiz haben, auf den Bus umzusteigen, muss auch über Jobtickets verhandelt werden. “Das ist dann unser zweiter Anlauf dazu”, sagt Jonas. Und dringend ist auch die Schaffung von Abstellplätzen für Fahrräder zu klären. Diebstahlsicher vor allem. Und auch über Mietfahrräder denkt das Klinikum nach.

Berechtigte Zwischenfrage von Kristin Voigt, die als Anwohnerin der Russenstraße die Diskussion seit Oktober verfolgt: Was passiert eigentlich, wenn das Herzklinikum die Parkraumbewirtschaftung einführt und noch mehr PKW in die Seitenstraßen drängen und dort “wild” parken?

Dafür ist dann das Verkehrs- und Tiefbauamt der Stadt zuständig. Aber Dorothee Dubrau mahnte am Donnerstag gleich zur Geduld. “Prognosen genügen leider nicht, damit wir eingreifen”, sagte sie. “Das hat der Gesetzgeber leider ganz klar vorgegeben.” Erst müsse der Prozess 30 Wochen beobachtet werden, dann erst dürften entsprechende Schilder aufgestellt werden. Aber sicher ist sie sich jetzt schon, dass auch für den städtischen Teil in Probstheida gilt, dass “Parkraumbewirtschaftung kommen muss”. Nur in welcher Form, das sei noch nicht zu sagen.

Die diskutierten Straßenbahnvarianten: www.l-iz.de/html/downloads/Strassenbahnnetzerweiterung-Varianten.pdf

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar