Am Donnerstag, 23. Januar, ab 18 Uhr geht es im Festsaal des Neuen Rathauses weiter zum Thema Straßenbahntrassen in Probstheida. In einem Bürgerforum sollen die Ergebnisse der Bürgerwerkstatt aus dem November vorgestellt werden. Noch sind vier mögliche Trassenverläufe in der Diskussion, zwei von ihnen sollen im neuen Flächennutzungsplan verankert werden. Aber die Kritik auch an diesen Varianten reißt nicht ab.
Denn tatsächlich lösen sie nicht die Planungsfehler der vergangenen Jahre und auch nicht die Frage, ob der Klinikkomplex rund um das Herzklinikum tatsächlich vernünftig erweitert werden kann, ohne das anliegende Wohngebiet zu beeinträchtigen. Schon heute belastet der zunehmende Individualverkehr das Viertel. Und die beiden Trassenvarianten, die das Klinikum von der Prager Straße aus anbinden sollen, finden beide heftigen Widerstand.
Auch die Grüne Jugend positioniert sich jetzt. Die Diskussion um die Straßenbahnverlängerung habe schon einige merkwürdige Vorschläge hervorgebracht, schätzen die jungen Grünen ein. Nach einigen Informationsveranstaltungen und Workshops sei die Zahl der Trassenvorschläge zumindest auf vier Vorschläge begrenzt worden. Jedoch sei auch die Variante B6, die das Klinikum durch das Landschaftsschutzgebiet mit Freundschaftspark und Etzoldscher Sandgrube erschließen soll, noch im Rennen. Diese Trasse wurde nach einem Bürgervorschlag aus dem Sonnenpark in die Planung mit einbezogen.
Dazu sagt Jan Estelmann, Ansprechpartner der Grünen Jugend Leipzig: “Wer, um keine Straßenbahn vor der Haustür zu haben, eine Trasse durch eine Kleingarten- und eine neue Parkanlage plant, hat jegliches Verständnis für die Umgebung verloren.”
Die Varianten B6 und A3 (welche von Stötteritz durch das dortige Landschaftsschutzgebiet zum Klinikum führt) hätten beide nach Ansicht der jungen Grünen große Umweltschäden zur Folge. Die Grüne Jugend plädiert also für die Trasse, die von der Endhaltestelle der Linie 4 in Stötteritz direkt zum Herzklinikum führt – die A2.
Die Franzosenallee wäre durch die Linien 2, 15 und der Linie 76 / bzw. die A 2 optimal an den ÖPNV angeschlossen, so dass eine B4-Trassierung jedoch auf Kosten der Region nur das Herzzentrum anschließen würde. B4 wäre die Trasse durch die Franzosenallee, gegen die etliche Anwohner Sturm laufen.
“Man muss neben dem Herzzentrum auch das umliegende Gebiet beachten, nur so kann der ÖPNV nachhaltig davon profitieren”, erklärt Estelmann, der selber im Südosten wohnt. “Gerade die Anbindung von Holzhausen sowie von Liebertwolkwitz muss neben der des Herzzentrums beachtet werden, da diese Orte auch nicht vom neuen S-Bahnnetz profitieren können.”
Aber die Trassendiskussion wird auch schon in der Stadtratssitzung am 22. Januar zum Thema. Es regnete geradezu Einwohneranfragen, die einer Antwort harren. Darunter auch aus einer Bürgerinitiative, die in den letzten Wochen nicht ganz so viel Aufmerksamkeit bekam: der Bürgerinitiative “Gegen den Bau einer Straßenbahn durch die Strümpellstraße”.
Im letzten Jahr hatte sie rund 200 Unterschriften gesammelt, diverse Schriftstücke verfasst sowie eine Petition eingereicht. Da die Strümpellstraße für eine mögliche Straßenbahnanbindung nach der Abstimmung in der Bürgerstraße wohl aus dem Rennen ist (hier war die Variante B2 geplant), könnte man zwar denken, es gäbe für die hier Betroffenen keinen Grund für weitere Aktivitäten.
Dem ist aber nicht so, stellt Alexander Kerns, Mitglied der Bürgerinitiative, fest. Denn auch die Bürgerwerkstatt im November hatte schon gezeigt: Die Problematik ist viel weitreichender als eine alleinige Diskussion, wo eine Straßenbahnfreihaltetrasse zur Klinik verlaufen soll. “Grundlegend verstehen wir daher die Bedenken der Anwohner der Franzosenallee”, betont Kerns.
Die von der Initiative “Gegen den Bau einer Straßenbahn durch die Strümpellstraße” eingereichten Bürgeranfragen beschäftigen sich sehr umfangreich mit der gesamten Verkehrsbelastung, die durch das Klinikum induziert wird. Und überzeugende Antworten, wie da mit dem ÖPNV gegengesteuert werden kann, haben Stadt und LVB noch nicht vorgelegt. Und nicht nur Straßenbahntrassen sorgen für Diskussionen. Auch mit neuen Buslinien droht die Belastung in jetzt schon stark belasteten Straßen wie der Strümpellstraße zu steigen.
Kerns dazu: “Große Sorge haben wir weiterhin darüber, dass viele der vorgeschlagenen Busvarianten für eine verbesserte Anbindung des Klinikums über die Strümpellstraße verlaufen sollen, da diese bereits jetzt schon überlastet ist und in der Perspektive das Chaos vorprogrammiert ist.” Und er fragt: “Warum wird nicht die vorhandene asphaltierte Baustraße vom Klinikum in Richtung Holzhäuser Straße hierfür ertüchtigt bzw. umgenutzt. Hierbei gäbe es keine zusätzliche Zerschneidung des Landschaftsschutzgebietes Eltzoldsche Sandgrube, da diese asphaltierte Straße schon existiert. Gleichzeitig würde die ÖPNV-Anbindung in Richtung Stötteritz verbessert, was auch im Sinne der Stötteritzer sein dürfte.
Die Baustraße wird jetzt schon für die momentanen Erweiterungsbauten am Klinikum als Hauptbaustellenzufahrt genutzt. “Eine Straße vom Klinikum in Richtung Norden gibt es also schon. Warum kann man diese nicht auch für eine ÖPNV-Anbindung nutzen?”, fragt Alexander Kerns. “In diesem Zusammenhang möchte ich weiterhin erwähnen, dass vermutlich auch die Oberbaudicke der Straße für den Busverkehr ausreichend sein könnte, da diese Straße bereits jetzt für Schwerlastverkehr genutzt wird. Warum wird also nicht einmal über diese Variante nachgedacht? Bei dem Arbeitstreffen Bus der LVB und der Stadt Leipzig haben mehrere Teilnehmer diese Variante vorgeschlagen. Ich selber war auch anwesend. Was ist so schlecht daran, vorhandene Infrastruktur zu nutzen, gerade vor dem Hintergrund von knappen Staatskassen?”
Die Bürgerinitiative kritisiert aber auch den gewählten Verfahrensablauf. Eine sinnvolle Reihenfolge aus Sicht der Bürgerinitiative hätte so ausgesehen:
1.) Erfassung des verkehrstechnischen Ist-Zustandes mittels Verkehrszählungen und Auswertung zusammen mit weiteren Parametern, die teilweise schon vorliegen (Lärm, Luftbelastung etc.). Zusätzlich sollte der Ist-Zustand bzw. Bedarf an Rad- und Fußweganbindungen geprüft werden.
2.) Hochrechnung der Verkehrs-, Luft- und Lärmgesamtbelastung unter Berücksichtigung der geplanten städtebaulichen Veränderungen (Erweiterung Klinikum) für die einzelnen Varianten. Hierbei sollte auch die Belastung aus Hubschrauberverkehr etc. mit einfließen.
3.) Beurteilung der Auswirkung auf andere Stadtteile (Beispielsweise zusätzlicher PKW-Verkehr für Stötteritz). Dies kann weiterhin Auswirkung auf die Planung weiterer Verkehrsprojekte haben wie z.B. der “mittlere Ring”.
4.) Prüfung, ob die gesetzlichen Vorschriften sowie verkehrs- und städtebaulichen Standards bei den einzelnen Varianten eingehalten werden
5.) Beschlussvorlage und Beschluss
Die erste Bürgeranfrage:
Gemäß der Information der Stadt Leipzig und der Masterplanung zur Klinikerweiterung liegt die Frequentierung des Klinikstandortes momentan bei 5000 Personen (Patienten, Besucher, Angestellte) und soll prognostisch bis auf über 11.000 Personen steigen. Im Bürgerforum zur Straßenbahnerweiterung informierte uns die Stadt Leipzig ebenfalls, dass der ÖPNV Anteil zum Klinikum durch eine “bequeme Straßenbahnanbindung” von derzeit ca. 6% auf 20% erhöht werden soll.
Dies bedeutet:
Derzeit wird der Klinikstandort täglich von 4.700 Personen über Individualverkehr und 300 Personen über ÖPNV aufgesucht. Prognostisch sind täglich 8800 Personen über Individualverkehr und 2200 Personen mittels ÖPNV zu erwarten. Somit ist selbst bei einer Verbesserung des ÖPNV-Anteils bis auf die optimalen 20 % eine nahezu Verdoppelung des PKW-Verkehrs zu erwarten (188 %). Die bereits heute überlastete Strümpellstraße kann diesen Verkehr unmöglich aufnehmen. Selbst wenn die Franzosenallee als weitere zusätzliche Hauptzufahrtsstraße eingerichtet werden würde, ist in Probstheida eine erhebliche Verkehrsüberbelastung mit den zugehörigen Problemen zu erwarten.
Wie soll der fast doppelte PKW-Verkehr zum Klinikstandort, wie er von der Stadt Leipzig erwartet wird, ohne zusätzliche Straßenanbindung in Richtung Sötteritz aufgenommen werden?
Wie sieht das Katastrophenkonzept des Klinikstandortes in Hinblick erforderlicher Zufahrtswege aus (unter Beachtung der Klinikerweiterung)?
Wie können die Notfalltransporte zur und von der Klinik bei etwaigen Verkehrsstörungen in Probstheida dennoch realisiert werden?
Die zweite Bürgeranfrage:
Die bei der Stadt Leipzig laufenden Untersuchungen zur geplanten Straßenbahnerweiterung Südost werden momentan ohne Erarbeitung eines verkehrstechnischen Gesamtkonzeptes durchgeführt. Weiterhin unabhängig davon laufen die Planungen zur Klinikerweiterung.
Lässt die vorgegebene Infrastruktur in Probstheida überhaupt eine so massive Erweiterung des Klinikstandortes zu?
Wie soll eine zusätzliche Straßenbahntrasse durch Probstheida unter Nichtbeachtung des Individual-, Notfall- und LKW-Verkehrs die Verkehrsprobleme in Probstheida und zum Klinikum alleine lösen?
Ist es sinnvoll, den gesamten Verkehr zum Klinikum (PKW, LKW, Notfalltransporte und Straßenbahn) komplett über Probstheida zu lenken und damit diesen Stadtteil bis zum Ersticken zu belasten bzw. werden hierbei die geltenden Standards für die Verkehrs- und Städteplanung eingehalten?
Die dritte Bürgeranfrage:
Wie aus den Unterlagen der Stadt Leipzig zu entnehmen ist, sind im unmittelbaren Bereich der Strümpellstraße die gesetzlich zulässigen Lärmgrenzen infolge des KFZ-Verkehrs bereits jetzt sowohl tagsüber, als auch nachts überschritten.
(siehe www.leipzig.de/umwelt-und-verkehr/luft-und-laerm/laermschutz/laermkartierung-und-berechnungsvorschriften/)
Hierbei ist noch nicht einmal die Lärmemission infolge des Hubschrauberverkehrs zum Klinikum berücksichtigt. Wie bekannt ist, liegt die Haupteinflugschneise zum Herzzentrum und zum Parkkrankenhaus oberhalb der Strümpellstraße. Ähnlich negativ sieht es vermutlich hinsichtlich der Luftverschmutzungswerte in der Strümpellstraße aus, da zu erwarten ist, dass gesetzlich fixierte Grenzwerte für die Luftverschmutzung überschritten werden. Der im Dezember 2009 in Kraft getretene Luftreinhalteplan der Stadt Leipzig soll dies jedoch gewährleisten.
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Die geplante Klinikerweiterung, welche zwangsläufig zu einem höheren Verkehrsaufkommen führt, verschlechtert diesen Umstand hinsichtlich Lärm- und Luftbelastung umso mehr. Wie aus den Planungsunterlagen der Stadt Leipzig und der Masterplanung zur Klinikerweiterung zu entnehmen war, wird eine Verdoppelung des Individualverkehrs erwartet (momentane tägliche Frequentierung von 4700 Personen über Individualverkehr, prognostisch mehr als 11000 Personen insgesamt, davon ca. 8800 Personen über Individualverkehr bei optimalen ÖPNV-Anteil von 20%). Die Strümpellstraße ist momentan die einzige Hauptzufahrtsstraße und kann diesen zusätzlichen Verkehr unmöglich aufnehmen. Selbst wenn man die Franzosenallee als weitere zusätzliche Hauptzufahrtsstraße einrichten würde, führe dies alleine zu keiner Lösung der Verkehrsprobleme sowie der damit verbundenen Umweltprobleme. Diese Situation würde weiter verschärft, wenn die Straßenbahnanbindung des Klinikums über Probstheida erfolgen würde.
Da bei der Stadt Leipzig noch nicht einmal über eine zweite Zufahrtsstraße aus Richtung Stötteritz nachgedacht wird, ergeben sich folgende Fragen:
Lässt die momentane Situation entlang der Strümpellstraße und der Franzosenallee überhaupt einen zusätzlichen Lärmeintrag durch eine zusätzliche Straßenbahn und zusätzlichen Individualverkehr zu (ohne dabei gesetzliche Vorschriften sowie verkehrs- und städtebaulichen Standards zu verletzen)?
Welche Konzepte gibt es, die eine Einhaltung der Lärm- und Luftverschmutzungsgrenzen entlang der Strümpellstraße garantieren?
Am Donnerstag, 23. Januar, um 18 Uhr findet die Informationsveranstaltung des Stadtplanungsamtes zur Trassendiskussion in Probstheida im Neuen Rathaus (Festsaal) statt.
Die diskutierten Trassenvarianten: www.l-iz.de/html/downloads/Strassenbahnnetzerweiterung-Varianten.pdf
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