Wer dieser Tage am Cospudener See spazieren geht und auch mal hinauf zum Deich des Elsterhochflutbetts läuft, sieht die Bauarbeiten dort in vollem Gang. Die Landestalsperrenverwaltung verstärkt hier die Deiche, nachdem es in Folge des Junihochwassers 2013 zu Deichrissen gekommen war. Eigentlich kein Streitthema, wenn von den Bauarbeiten nicht auch das wichtige Naturschutzgebiet "Lehmlache Lauer" betroffen wäre.
Und ein gewisses Durcheinander in diversen Kalendern. Das nun nach der Antwort des sächsischen Umweltministers Frank Kupfer (CDU) auf die Dezember-Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordneten Gisela Kallenbach ein wenig klarer wird.
Die Verwirrung begann am 23. November mit einem Beitrag der Leipziger Volkszeitung unter dem Titel “Angst vor Weihnachts-Hochwasser. Wettlauf gegen die Zeit: Im Leipziger Süden werden die Deiche mit Hochdruck saniert”. Darin hieß es ganz zum Schluss: “Schuld daran, dass die Hochwasserschützer ihre Arbeiten erst jetzt durchführen, ist ein Veto aus dem Leipziger Rathaus. ‘Wir brauchen für unsere Arbeiten die Genehmigung der Naturschutzbehörde’, sagt Bobbe. ‘An der Mulde, an der Elbe und im Landkreis Leipzig haben wir diese Genehmigung bekommen und sind seit August am Arbeiten.’ – Aus Leipzig sei statt einer Genehmigung ein Schreiben mit einer Strafandrohung für den Fall eingegangen, dass die LTV sofort loslegt. ‘Eine Genehmigung liegt erst seit Ende Oktober vor. Da haben wir die Arbeiten sofort ausgeschrieben.'”
So war es nicht, war dann der Tenor der Erklärung von Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) am 11. Dezember im Stadtrat, wo das Thema auf der Tagesordnung stand. Die CDU-Fraktion hatte die Anfrage gestellt. Die Genehmigung des Leipziger Umweltamtes sei schon am 20. September erteilt worden, also drei Tage nach Antragstellung.Also eine deutliche Klärung. Oder doch nicht?
Frank Kupfer liefert nun auf die Anfrage von Gisela Kallenbach hin ganz neue Daten.
Zum ersten bestätigt er, dass das im Sommer verabschiedete neue sächsische Wassergesetz dem Leiter der örtlichen Talsperrenverwaltung, Axel Bobbe, erlaubt hätte, auch ohne Genehmigung einfach loszubauen. Was übrigens die vehemente Kritik der Naturschutzverbände bestätigt, dass dieses Wassergesetz die Mitwirkungsrechte der Fachverbände komplett aushebelt. Auch dort, wo die Baumaßnahmen definierte Naturschutzgebiete berühren oder sogar – wie an der “Lehmlache Lauer” – heftig in Mitleidenschaft ziehen.
Dafür brauchte es aus Sicht des Umweltministers nur eine Aufhebungsverfügung der zuständigen Naturschutzbehörde, also des Leipziger Umweltamtes. Für die Deichbauanlagen selbst brauchte es keine Genehmigung – das musste dem Umweltamt in Leipzig nur “angezeigt” werden, was wohl am 26. August geschah. Und Kupfer spricht auch nicht von einem Veto oder einer Strafandrohung des Umweltamtes. Er spricht von einem Hinweis der Stadt Leipzig, dass ein Antrag zur Aufhebung von “Festsetzungen im Naturschutzgebiet” gestellt werden müsse. Den Hinweis habe die Landestalsperrenverwaltung auch erhalten und dann auch die Beantragung gestellt.Vielleicht hat dann die Post etwas länger gebraucht. Während Heiko Rosenthal von einer Genehmigung am 20. September sprach, spricht Frank Kupfer von erteilten Genehmigungen am 25. September und am 15. Oktober. Und er erklärt auch deutlich, dass da irgendjemand wohl zu viel Lärm um nichts gemacht hat: “Die obigen Ausführungen der Abgeordneten, das Amt für Umweltschutz habe die am 26. August 2013 angezeigten Sofortmaßnahmen ‘mittels einer Strafandrohung gestoppt’, treffen nicht zu. Vielmehr hat das Amt mit Schreiben vom 11. September 2013 auf die erforderliche Beibringung von Unterlagen sowie die Erfordernis einer Befreiung hingewiesen und die Fortsetzung der Arbeiten unter Hinweis auf einen möglichen Straftatbestand in das Ermessen des Bauausführenden gestellt.”
Was im Klartext heißt: Das Leipziger Umweltamt hat sich rechtlich korrekt verhalten. Die LTV aber hatte am 11. September schon seine Baustraßen gelegt – und zwar ohne Befreiung von den Festsetzungen im Naturschutzgebiet “Lehmlache Lauer”.
Viel mehr Spielraum hatte das Umweltamt gar nicht. Denn schon einen Tag nach dem Schreiben des Umweltamtes schickte auch Oberbürgermeister Burkhard Jung ein Anforderungsschreiben, “in dem insbesondere die Ergänzung von fehlenden Deichverteidigungswegen an den vorhandenen Deichen gefordert wird.” Was dann der LTV ermöglichte zu begründen, warum sie Deichstraßen im Naturschutzgebiet bauen wollte.
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Aber noch eine Aussage Frank Kupfers ist erhellend und verweist direkt auf die Leipziger Misere: “Andererseits streben Interessengruppen im Sinne häufigerer Auwaldflutungen statt dessen einen Rückbau der vorhandenen Deiche mit Rückverlegungen und örtlichen Schutzmaßnahmen an”, schreibt er in seiner Vorbemerkung, “ohne dass hierfür die erforderlichen Voraussetzungen (zum Beispiel Wirksamkeit in Bezug auf die Höhenlage des Gewässerbettes, Flächenverfügbarkeit sowie naturschutzrechtliche Zulässigkeit in Bezug auf neu anzulegende Hochwasserschutzanlagen) geklärt sind.”
Was im Klartext ja heißt: Die Stadt Leipzig hat es in den vergangenen 12 Jahren komplett versäumt, die Grundlagen für ein nachhaltiges Hochwasserschutzkonzept überhaupt zu diskutieren. Die Umweltverbände hat sie dabei am langen Arm regelrecht verhungern lassen. Und das so genannte Flutungsprojekt an der Paußnitz ist nicht einmal ein Feigenblatt, bestenfalls eine faule Ausrede.
Das Ergebnis ist, dass Leipzig keinen Alternativvorschlag hat, über den die Stadt mit der Talsperrenverwaltung überhaupt reden könnte. Da ist es dann schon fast logisch, dass Axel Bobbe die Geduld verliert und einfach drauflos baut, weil Hochwasserschutz sein Job ist.
Die Variantendiskussion ist der Job von Umweltdezernat und Stadtrat.
Aber das Beispiel Nahleauslassbauwerk zeigt ja, dass selbst zu Einzelprojekten der Wille fehlt, nachhaltige Projekte auch nachhaltig durchzusetzen.
Die Antwort des Umweltministers auf die Fragen von Gisela Kallenbach als PDF zum download.
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