"Pflege des Leipziger Stadtwalds: Ökologischer Umbau geht weiter", meldete das Leipziger Amt für Stadtgrün und Gewässer am Freitag, 13. Dezember. Das Wort "ökologisch" hat in den letzten Jahren genauso eine politische Umnutzung erfahren wie das Wort "nachhaltig". Es wird gern im Sinn von "Umweltschutz" benutzt. Aber geht es darum jetzt im Leipziger Auenwald? Wohl eher nicht.
Jedenfalls nicht, so lange es in der Stadt Leipzig keine wirklich stringente Politik zum Schutz des Auenwaldes gibt, an der sich auch die Landestalsperrenverwaltung, die Gewässerverantwortlichen und die zuständigen Ämter orientieren müssen. Es gibt zwar ein Bündel von Projekten, Untersuchungen, Regelwerken und einzelnen Naturschutzgebieten. Aber jede Flut, jeder bauliche Eingriff, jede neue “Vision” zeigt: Eine wirklich verantwortliche Instanz für das Thema Auwald gibt es in Leipzig nicht. Jeder macht sein Ding. Und das Meiste passt nicht zusammen.
So ein “Ding” ist auch das, was das Amt für Stadtgrün und Gewässer mit dem “ökologischen Umbau” des Auwaldes meint. Es ist der Versuch, den Waldbestand künstlich zu verändern – statt die Lebensgrundlagen des Auwaldes wieder herzustellen.
Aktuell wird im Leipziger Stadtwald im Rahmen der Biotoppflegearbeiten Holz eingeschlagen, so das Amt. Die Arbeiten konzentrieren sich auf die “Burgaue”, das “Leutzscher Holz”, das “Plaußiger Wäldchen”, das “Connewitzer Holz” und das Waldgebiet “Lauer”.
Ein Großteil der Arbeiten war schon im vergangenen Winter geplant, musste aber entweder abgebrochen werden oder wurde erst gar nicht begonnen, weil das frostfreie, regenreiche Wetter ein biotop- und wegeschonendes Arbeiten nicht zugelassen hätte, so das Amt.
Was aber wird da jetzt aus dem Wald gesägt? – “Hauptsächlich baumarten- und strukturarme Reinbestände werden durchforstet, um so perspektivisch für einen höheren Baumartenreichtum und damit eine höhere Biodiversität zu sorgen. Außerdem wird die Stabilität der verbleibenden Einzelbäume erhöht und es werden schneller ökologisch wertvolle Bäume mit starken Stammdurchmessern erzielt.”
Dass einige Teile des Leipziger Auwaldes mit diesen “baumartenarmen Reinbeständen” besetzt sind, hat viel mit der weitgehenden Trockenlegung in den 1920er und 1930er Jahren zu tun. Die ursprüngliche Artenvielfalt des regelmäßig gefluteten Auenwaldes wurde durch schnell wachsende Holzarten verdrängt. Dadurch, dass diese neueren Baumbestände ausgesägt werden, ändern sich die Grundbedingungen im Auwald nicht.
“Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die Anlage von kleinen Freiflächen, so genannten ‘Femellöchern’ zur Anpflanzung der ökologisch wertvollen, aber sehr lichtbedürftigen Stieleiche”, teilt das Amt noch mit. “So ist geplant, unmittelbar im Anschluss an die Arbeiten 15.000 Stieleichen und circa 10.000 Bäume anderer Baumarten (wie Winterlinde, Roterle, Hainbuche und Feldahorn) im Stadtwald zu pflanzen. Um die Bäume vor Wildverbiss zu schützen, werden große Teile dieser Pflanzungen eingezäunt. – Eine Besonderheit in diesem Jahr ist, dass eine circa ein Hektar große Fläche des Leipziger Stadtwaldes in der nördlichen Burgaue in die historische Bewirtschaftungsform des Mittelwaldes überführt wird.”
Zur Erklärung führt das Amt an: “Diese Mittelwaldbewirtschaftung ist die Basis für eine enorme Biodiversität und Lebensgrundlage für viele, seltene und vom Aussterben bedrohte Tiere, vor allem Käferarten im Leipziger Auenwald.”Was nur die halbe Geschichte ist. Denn die Mittelwaldbewirtschaftung wurde im Leipziger Auwald ungefähr bis 1870 betrieben. Was nur möglich war, weil der Auwald von allen Anliegern als Ressource genutzt wurde. Die forstwirtschaftliche Nutzung begann erst mit der zunehmenden Trockenlegung der Auen. Die Femelbewirtschaftung ist im Grunde dasselbe wie die hier erwähnte Mittelwaldbewirtschaftung. Die “Femellöcher” sind dabei einzelne Einschlaginseln im bestehenden Hochwald, auf denen einzelnen Bäumen wieder mehr Licht verschafft wird und darunter ein Niederwald mit kurzen Umtriebszeiten entsteht – bis ins 19. Jahrhundert eine der wichtigsten Holzquellen für die Leipziger, die eben nicht große Kahlschläge produzierten, wenn sie Holz brauchten, sondern den Auwald auslichteten, von schnell wachsenden niedrigen Gehölzen befreiten, während Baumriesen wie die Eichen stehen blieben.
Das wird jetzt in den “Femellöchern” versucht nachzuahmen.
Wobei aber einer der wichtigsten Aspekte fehlt: Gleichzeitig nutzten die Leipziger bis ins 19. Jahrhundert den Auwald auch zur Beweidung. Auch Kühe, Schweine und Schafe sorgten mit dafür, dass es zwischen den Baumriesen licht blieb.
Alle jetzt geplanten Forstmaßnahmen dienen also dazu, die bis vor 150 Jahren betriebene Mittelwaldbewirtschaftung zu imitieren. Aber nicht nur die Weidetiere werden nicht auftauchen. Auch die Überflutungen, die vor allem für den ganz speziellen Artenreichtum im Auwald verantwortlich waren, fehlen. Stattdessen wurden die 80, 90 Jahre alten Deiche in den vergangenen zwei Jahren verstärkt. Das Flutungsprojekt in der Paußnitz ist in den letzten Jahren praktisch zum Erliegen gekommen.
Eine knapp fünf Hektar große Fläche wurde dort im Rahmen eines 1993 vom Amt für Umweltschutz gestarteten Langzeitversuches, der wesentliche Erkenntnisse für die Bewässerung von Auenbereichen bringen sollte, jedes Frühjahr künstlich geflutet. Getestet werden sollten die Veränderungen von Flora und Fauna, die infolge der regelmäßigen Flutung mittel- und langfristig auftreten. Darüber hinaus sollten die hier gewonnenen Ergebnisse auch für vergleichbare Auenbereiche herangezogen werden. Doch was nutzt so ein Projekt, wenn man die Möglichkeiten, den Auwald (kontrolliert) zu fluten, immer mehr beschneidet?
Zwiegespalten ist auch der Ökolöwe, was die Mittelwaldbewirtschaftung betrifft.
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“Im Winter 2007/08 wurde mit den geplanten forstlichen Maßnahmen (Femelung, Rückführung Mittelwald) auf ersten Teilparzellen planmäßig begonnen. Insbesondere die Mittelwald-Rückführung, aber auch der Prozessschutz, stellen ein für Hartholzauengebiete einzigartiges Experiment dar, sowohl aus forstlicher als auch aus naturschutzfachlicher Sicht. Dies gilt auch für die Prozessschutzflächen, besonders vor dem Hintergrund der teils recht starken nutzungsbedingten Veränderungen und Vorbelastungen dieser Hartholzaue”, kommentierte er das Projekt im März 2013. “Statt massiv aufzuforsten, wäre es aus Artenschutzgründen darüber hinaus sinnvoller, auf zukünftigen Waldflächen der Natur freien Lauf zu lassen. Dieser Ansatz entspricht der von einem Teil der Naturschutzexperten seit Jahrzehnten geäußerten Forderung: Naturschutz muss Prozessschutz sein. Für die Entstehung von Wald bedeutet das: wenn alle menschlichen Eingriffe und jede Art von Nutzung unterbleiben, beginnt die natürliche ‘Sukzession’. Sie ist zu verstehen als eine natürlich-dynamische Abfolge von Pflanzengesellschaften, an deren Ende in Mitteleuropa meist ein Laubwald entsteht. Bis dahin durchlaufen die Flächen verschiedene Stadien, bei denen sich nach und nach mehr Pflanzen- und Tierarten ansiedeln und ein Anstieg der Biodiversität zu beobachten ist.”
Es gibt auch noch ein anderes grünes Fleckchen, wo gesägt wird: Neben den Arbeiten im Leipziger Stadtwald wird auch ein großer Teil der Seesohle des ehemaligen Elsterstausees von Gehölzen beräumt. Noch so ein ungeklärtes Politikum.
“Durch den Holzeinschlag im Leipziger Stadtwald kann es zu Schäden und Verunreinigungen der Waldwege sowie zur Einschränkung des Betretungsrechtes des jeweiligen Stadtwaldteiles kommen”, teilt das Amt für Stadtgrün und Gewässer mit. “Wir bitten hierfür um Verständnis. Nach Abschluss der Arbeiten werden etwaige Wegeschäden wieder behoben.”
Aber für weitere Informationen verweist das Amt nicht auf die Website der Stadt Leipzig (wo man nach dem Relaunch so Manches nicht wiederfindet), sondern auf die Website des ENEDAS e.V. zum Leipziger Auwald: www.leipziger-auwald.de
www.oekoloewe.de/text,2349,Auwald_aktuell.html
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