Bislang waren es vor allem die Leipziger Umweltverbände, die den Umgang der Landestalsperrenverwaltung (LTV) mit den Bauten im Leipziger Auenwald und die Genehmigungspolitik des Leipziger Umweltamtes kritisch sahen. Doch der geplante Neubau des Nahleauslasswerks erscheint nun auch den Fraktionen von CDU und SPD im Leipziger Stadtrat suspekt, zu deutlich konterkariert er die Pläne zur Wiederbelebung der Luppe.

Am 14. November hat die CDU-Fraktion deshalb gemeinsam mit der SPD-Fraktion einen sehr ausführlichen Antrag eingereicht, der in den Ratsversammlungen am 21. November und 11. Dezember auf der Tagesordnung stand. Am Dienstag, 17. Dezember, soll er im Fachausschuss Umwelt und Ordnung diskutiert werden. Bevor das Nahleauslasswerk – das 2011 und 2013 zu den Höhepunkten der beiden Hochwasser jeweils geöffnet worden war, um mehrere Millionen Kubikmeter Wasser in die Burgaue abzuleiten – saniert und damit in den bisherigen Dimensionen wiederhergestellt werde, solle doch bitte geprüft werde, ob das überhaupt sinnvoll ist, fordert die CDU-Fraktion. Und zwar nicht – wie bei den anderen Bauvorhaben der LTV praktiziert, holterdipolter und mit “Gefahr im Verzug”, sondern bitteschön mit fachlicher Diskussion.

“Zum Zwecke der grundsätzlichen Klärung der Funktionalität des Nahleauslassbauwerkes auf das Auesystem – Burgaue – ist ein Auenwaldsymposium im 1. Halbjahr 2014 zu organisieren”, beantragen die beiden Fraktionen deshalb. “Zur Vorbereitung auf das Symposium ist eine fundierte Stellungnahme durch die Stadtverwaltung zu erarbeiten, inwieweit das Nahleauslassbauwerk Bestandteil auentypischer und dynamischer Flutungen der Burgaue bspw. durch Absenkung der Wehrschwelle (Fachbaum) bereits bei kleinen Hochwassern sein kann. Sofern anstelle des Nahleauslassbauwerks eine natürliche Flutung der Burgaue an anderer Stelle wesentlich besser realisiert werden kann, ist dies konkret zu benennen und mit Realisierungszeiträumen zu untersetzen.”

Und damit nicht wieder Tatsachen in 3 Millionen Euro teurem Beton geschaffen werden, fordern die beiden Fraktionen auch: “Der Oberbürgermeister setzt sich bei der Landestalsperrenverwaltung (LTV) dafür ein, dass der Ersatzneubau des Nahleauslassbauwerkes bis zur Klärung dieser Fragen zurückgestellt wird und sich die LTV an der Prüfung und Ermöglichung einer naturnahen Nutzung der Burgaue beteiligt.”

Die Fraktionen verweisen auf das 2012 erst mit viel Aufwand und Fördergeld gestartete Projekt “Lebendige Luppe”, zu dem eben auch eine Revitalisierung der alten – seit 80 Jahren trocken gefallenen – Wasserläufe in der Burgaue gehört – samt einer sogenannten Schlitzung eben jener Deiche, die die LTV erst 2011 verstärkt und teilweise bis tief in den Untergrund abgedichtet hat. Ähnliches hat sie auch im Umfeld des Nahleauslasswerks vor. Es war der NuKla e.V., der öffentlich machte, dass auch hier die Deiche bis ins Grundwasser abgedichtet werden sollen, was dann auch noch diesen Wasseraustausch mit dem Auenwald unterbinden würde.

Und so ist denn die Begründung zu diesem Thema sehr ausführlich: “Die Aufgabenstellung für diesen Antrag leitet sich aus dem Planungsbeschluss für das Projekt “Lebendige Luppe” (V-DS-1799 vom 21.03.2012) ab. Dort ist in der Begründung (Abs.3 Sachstand) formuliert:

‘Weitere tangierende Aktivitäten in Verantwortung der LTV, wie z. B. die Schlitzung von Deichen der Neuen Luppe oder andere großflächige Flutungsmöglichkeiten in der Burgaue sowie die Sohlanhebung der Neuen Luppe sind ergänzend weiter zu verfolgen, um neben der verbesserten dauerhaften Wasserversorgung insbesondere auch auentypische, dynamische Prozesse wieder zu beleben und eine weitere Eintiefung der Neuen Luppe zu verhindern.'”
Die beiden Fraktionen werden sehr deutlich, was die Zusammenhänge betrifft: “Das Projekt ‘Lebendige Luppe’ allein kann diese Aufgabe nicht leisten. Als erster Baustein verknüpft es kleine Fließgewässer, kann aber aufgrund begrenzter Wasserzufuhr keine dynamischen Auenprozesse anstoßen, die für den Erhalt der Hartholzaue und ihrer Artenvielfalt notwendig wären.

In der Burgaue und der angrenzenden Nordwestaue Leipzigs befinden sich die wertvollsten Hartholzauenbestände Sachsens. Dieser Lebensraumtyp Hartholzaue ist von besonderer europäischer Bedeutung und unterliegt dem sehr strengen Schutz der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL). Nach dem Entwicklungsgebot und Verschlechterungsverbot der FFH-RL muss die derzeitig stattfindende Austrocknung der Hartholzaue unterbunden werden. Um dies zu realisieren, ist als Rahmen eine natürliche Auendynamik mit großflächigen Flutungen und Sedimenteinträgen notwendig.

Der geplante Ersatzneubau des Nahleauslassbauwerkes (Baukosten 3,5 Millionen Euro) prägt die Flutungsmöglichkeiten der Burgaue für Jahrzehnte. Deshalb ist er auf die übergeordnete Zielstellung der Auenrenaturierung abzustimmen. Zugleich ist zu klären, ob der Ersatzneubau in dieser Dringlichkeit bzw. überhaupt notwendig ist. Die Burgaue wird gegenwärtig als Polder betrieben, der ausschließlich für die Optimierung der Hochwasserreduktion gesteuert wird. Mit diesen seltenen, dann aber hohen Überflutungen (wie 2013 geschehen) können Auenlebensräume weder erhalten noch wiederhergestellt werden, da sich die Tier- und Pflanzenwelt nicht auf Überflutungen einstellen kann, wie in regelmäßig überschwemmten Gebieten. Im Gegenteil werden die im Polder lebenden Artengemeinschaften durch die ungewohnten Überflutungen im Katastrophenfall in erheblichem Maße geschädigt.

Wenn Polder in Flussauen zum Einsatz kommen, muss aus ökologischen Gründen die Durchführung sogenannter ökologischer Flutungen in den Poldern erfolgen, um die Entwicklung einer überflutungsangepassten, auentypischen Tier- und Pflanzenwelt zu ermöglichen. Dies kann mit einer möglichst tiefen Absenkung des Fachbaums an einigen Wehrfeldern des Nahleauslassbauwerkes bei gleichzeitiger Anbindung an vorhandene Fließrinnen im Hinterland des Nahleauslassbauwerks erreicht werden.”

Erst dann wird der Polder tatsächlich zu einem gesteuerten Polder. Wirklich dazu hergerichtet ist die Burgaue noch nicht – das würde nämlich einen nachhaltigen Schutzausbau für die wenigen im Polderbereich liegenden Gebäude notwendig machen.

Und zu Recht fragen beide Fraktionen nach der Anwendung des Leipziger Hochwasserschutzkonzeptes.

“Des Weiteren greift dieser Vorschlag die Vorgaben im gültigen Hochwasserschutzkonzept (HWSK) der Weißen Elster auf. Denn um die auentypischen Hauptprozesse bei Erhalt der Luppedeiche zu ermöglichen, werden im HWSK folgende technische Maßnahmen gefordert: ‘Einordnung von ökologisch durchgängig gestalteten regelbaren Durchlässen und Flutungsbauwerken, dabei sind die Flutungsbauwerke (b ca. = 60 m) mit großen Spannweiten vorzusehen, um eine annähernde natürliche Wirkungsweise Einströmen, Ausströmen, Sedimentein- und -austrag zu ermöglichen.’ Zusätzlich wird die Absenkung der Fachbaumhöhe des Nahleauslassbauwerks bereits im HWSK gefordert.”

Nur scheint in Leipzigs Stadtverwaltung bislang niemand Grund dafür zur sehen, das Hochwasserschutzkonzept auch gemeinsam mit der LTV umzusetzen. Man lässt die Landesdeichbauer einfach bauen und genehmigt die Projekte auch dann, wenn sie dem Hochwasserschutzkonzept komplett widersprechen.

“Es ist davon auszugehen, dass sich die Verhinderung auentypischer dynamischer Prozesse durch die Erneuerung des Nahleauslassbauwerkes in der Burgaue manifestieren würde”, kommentiert der Antrag die im Sommer ausgereichte Genehmigung des Leipziger Umweltamtes, ohne die die LTV gar nicht bauen könnte. “Zur Erhaltung dessen, was der Schutzgebietsstatus verlangt, müsste die Stadt Leipzig zusätzlich Projekte und Mittel akquirieren. NATURA 2000 impliziert das Verbot der Verschlechterung. Die Schutzgebietsverordnung Burgaue aus dem Jahre 1998 verlangt die Wiederaufnahme der Mittelwaldbewirtschaftung. Darüber hinaus haben sich die Kommunen des Grünen Rings Leipzig, wie die Stadt Schkeuditz, für eine naturnahe Flussauenlandschaft von Elster, Pleiße und Luppe ausgesprochen.”

Und so beiläufig mahnen die beiden Fraktionen etwas an, was eigentlich schon längst hätte selbstverständlich sein müssen: “Den Antragstellern geht es darum, die Belange des Hochwasserschutzes und des Naturschutz effektiv, hinsichtlich Wirkung und Finanzierung, miteinander zu verbinden.”

Das Projekt “Lebendige Luppe”:
www.lebendige-luppe.de

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