Die Vegetationsperiode ist vorbei. Die Wintermonate nutzt auch die Stadt Leipzig, um jene Baumfällungen durchführen zu lassen, die aus ihrer Sicht notwendig sind. So kündigte das Amt für Stadtgrün und Gewässer vor einer Woche die beginnenden Baumfällungen in der "Burgaue", im "Leutzscher Holz", im "Plaußiger Wäldchen", im "Connewitzer Holz" und im Waldgebiet "Lauer" an. Als ökologische Waldumbaumaßnahme.
Eine sehr deutliche Stellungnahme von Andreas Liste, Vorsitzender des Arbeitskreises Hallesche Auwälder (AHA), folgte postwendend. Auf deren Publikation in der L-IZ reagierte dann Rolf Engelmann, Mitglied des ENEDAS e.V. und Doktorand in der Arbeitsgruppe Spezielle Botanik an der Universität Leipzig. Er stellte im Kommentar sechs kritische Fragen zur Kritik von Andreas Liste, hinterfragte auch die wissenschaftliche Fundierung dessen, was Andreas Liste da gesagt hatte.
Und legte damit so nebenbei den Finger in eine ganz andere Wunde. Denn jetzt taucht eigentlich die Frage auf: Wer dirigiert eigentlich den Waldumbau im Leipziger Auenwald und auf welchen wissenschaftlichen Grundlagen? Und vor allem – was bei wissenschaftlicher Betrachtung notwendig ist: Wie werden die wissenschaftlichen Ergebnisse gewertet? Wer tut das und mit welchen Maßstäben? Und wo wird das zu einer politischen Entscheidung?
Grundlage für die Arbeit der Abteilung Stadtforsten ist das “Forsteinrichtungswerk Kommunalwald Stadt Leipzig”, basierend auf einer Entscheidung im Jahr 1998, 2005 verabschiedet für den Zeitraum bis 2012. Ein neueres Papier dazu ist im Ratsinformationssystem nicht zu finden. Auf dessen Grundlage wurde 2006 bis 2009 vom Hellriegel-Institut ein erstes Waldumbauprojekt wissenschaftlich untersucht. Eine Kurzauswertung aus dem Jahr 2009 ist auf den Seiten der Stadt zu finden.
Sie benennt die durchaus widersprüchlichen Ergebnisse dieser ersten Untersuchung, betont aber auch deutlich: “Gleichwohl sind die Ergebnisse noch nicht hinreichend abgesichert, teils auch noch widerspruchsbehaftet. So zeigen etwa die mit verschiedenen Methoden durchgeführten Untersuchungen zu xylobionten Käfern und Kronenspinnen teils gegenläufige Trends. Als ‘Hauptursache’ für diese scheinbar diametralen Ergebnisse konnten aber überwiegend (unvermeidbare) methodische Unzulänglichkeiten herausgearbeitet werden. Deutliche Unterschiede zwischen den Bewirtschaftungsvarianten Mittelwald und Loch- bzw. Femelhieb sind bislang bestenfalls partiell zu erkennen oder liegen offenbar in den gegebenen Rahmenbedingungen begründet (Lage bzw. Umgebung der Untersuchungsflächen, methodische Ursachen).”
Eigentlich mehr als genug Anlass, hier noch gründlicher zu forschen. “Es konnte jedoch mit Hilfe von Entwicklungsprognosen herausgearbeitet werden, dass, zumindest auf lange Sicht, der Mittelwaldbetrieb, nach naturschutzfachlichen Kriterien, die tendenziell günstigste Variante darstellen dürfte. Die geringsten positiven Änderungstendenzen wurden, auf absehbare Zeit, für die Prozessschutzfläche prognostiziert”, heißt es weiter. Die jetzigen Waldumbaumaßnahmen bauen also auf Prognosen auf, nicht auf gesicherten Untersuchungen. Eine für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Diskussion hat dazu nicht stattgefunden.Rolf Engelmann fragte aber trotzdem, als wäre es so. Also bat die L-IZ Andreas Liste einfach mal, auf die Fragen von Rolf Engelmann zu antworten. Hier sind Fragen und Antworten:
1. Warum hält der AHA die aktuelle nachhaltige Waldbewirtschaftung für falsch und wie wird dies begründet? Welche Bewirtschaftung wäre nach der Meinung des AHA besser geeignet, den Baumarten- und Strukturreichtum und die gesamte Biodiversität für zukünftige Generationen zu erhalten und welche Thesen und Argumente stützen dies?
2. Worin begründet sich die Behauptung, dass die bisherigen forstlichen Abholzungen – zum Beispiel in der Burgaue und im Connewitzer Holz – zu nachhaltigen Zerstörungen der gewachsenen Auenwaldstrukturen geführt haben? Welche Studien, Wissenschaftler oder anderen Akteure (auch Umweltschutzvereine) stützen diese Behauptung?
Die Antworten von Andreas Liste zu 1. und 2.:
Wie bereits mehrfach erklärt, liegt die Zerstörung der Auenwaldstrukturen klar auf der Hand. Die Fällungen haben die klassischen Auenwaldstrukturen – Baum-, Strauch- und Feldschicht – an den jeweiligen Standorten komplett zerstört. Daran ändert auch nicht der Verbleib einzelner Baumüberständer. Die Fällungen haben jegliche auenwaldangepassten Neuaufwuchs – unter anderem auch an Stieleiche – fast vollständig zerstört. Zudem lassen sich deutliche Bodenverdichtungen in den Rückegassen erkennen, welche nunmehr unter anderem auch als Trampelpfade dienen. Darüber hinaus haben die Fällungen für derartig starken Lichteinfall gesorgt, dass lichtliebende Arten wie Spitzahorn, Schwarzer Holunder etc. die Flächen besiedeln. Darüber hinaus bestehen nun derartig ungünstige Lichtverhältnisse, dass die Stieleiche nicht aufkommen kann, was durch ebengenannte Faktoren ebenfalls negative Beeinflussung findet. Im Übrigen sollte Herr Engelmann die erste Holzungsfläche in der Burgaue mal in Augenschein nehmen. Hier kann er das Erfolgserlebnis der bisherigen Mittelwaldwirtschaft betrachten.
Nach Auffassung des AHA gehören die Auenwälder wieder dem regulärem Hochwasserregime angeschlossen. In dem Zusammenhang gilt es der sukzessiven Entwicklung den Raum zu überlassen. Neben der Funktion als Hochwasserraum, besteht so eher die Möglichkeit autochthonen Arten mehr Entwicklungschancen zu geben. Von daher fordert der AHA ebenfalls ein nachhaltiges Hochwasserkonzept in der Stadt Leipzig.3. Welche Studien zeigen bzw. wie werden die angeblich klar und deutlich eingetretenen Verschlechterungen der Auenwaldstrukturen und nicht eindeutig nachgewiesenen Verbesserungen der Artenzusammensetzung begründet?
5. Inwieweit werden die Auwälder in Leipzig durch die teilweise Wiedereinführung der Mittelwaldwirtschaft auf etwa 13,5 ha in der Burgaue bedroht?
Andreas Liste zu 3. und 5.:
Dazu benötigt man als Studie die Feldarbeit, also die Beobachtung vor Ort. Die Zerstörungen sind ganz deutlich erkennbar. Dazugehöriges Bildmaterial kann Herr Engelmann unter www.aha-halle.de finden. Besser wäre es, wenn er sich die Beeinträchtigungen und Folgen dieses unverantwortlichen Handelns vor Ort anschauen würde. Bisher liegen keine fundierten Kartierungsergebnisse öffentlich vor. In dem Zusammenhang gilt es gegenüber zu stellen, welche Arten dazukamen, welche nunmehr ausbleiben bis hin zu der Tatsache, welche Folgen dies auf den Pflanzenbestand der Auenwälder hat.
4. Welcher fachlich fundierten Bedenken und Hinweise weisen die verantwortlichen Vertreter bezüglich der aktuellen forstlichen Maßnahmen, zurück?
Andreas Liste zu 4.:
Sämtliche Kritik an den gegenwärtigen Forstmaßnahmen bleibt komplett unbeantwortet. So war die Stadt Leipzig bisher nicht in der Lage, die aktuellen Verordnungen der Naturschutzgebiete Burgaue und südlicher Auenwald zuzusenden. Einladungen zu Vorortbegehungen blieben unbeantwortet. Stattdessen setzt man Hausjuristen – auf Initiative von Herrn Sickert (Andreas Sickert, Leiter der Abteilung Stadtforsten der Stadt Leipzig, d. Red.) – in Gang, um die Meinungsvielfalt zu unterdrücken und setzt somit auf Einschüchterungstaktik. Für eine Stadt, welche sich für den Beitrag zum Wendeherbst 1989 gerne als “Heldenstadt” feiern lässt, ein erbärmlicher Vorgang, welcher den AHA aber bestärkt erst recht aktiv zu sein.
6. Wie wird die Behauptung, dass die Stadt Leipzig eine rein forstwirtschaftlich (gemeint ist vermutlich eine rein kommerziell) geprägte Bewirtschaftung betreibt, begründet? Wie steht der Fakt, dass es in der Burgaue auch große Bereiche gibt, die unter Prozessschutz stehen in Beziehung zu dieser Behauptung? Wie steht die Bewirtschaftung mit femelartigen Methoden (benutzte forstliche Methode in allen anderen Bereichen des Leipziger Auwaldes) in Beziehung zu einer angeblich rein wirtschaftlich orientierten Bewirtschaftung des Leipziger Auwaldes.
Holzeinschlag im Leipziger Auenwald: AHA hält das Wald-Umbau-Konzept für falsch
Mit Entsetzen habe der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder …
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Andreas Liste zu 6.:
Der AHA hat immer festgestellt, dass massiv Bäume gefallen sind, welche sich sehr gut holzwirtschaftlich verwerten lassen. Dazu zählen Eschen, Linden, Stieleichen etc. Zudem hat die Stadt Leipzig kostenpflichtig Holzsammelscheine verteilt. Eine Kontrolle vor Ort ist nicht erkennbar. Ebenfalls wäre es aufzuklären, woher das Biokraftwerk der Stadtwerke Leipzig in Piesteritz sein Holz bezieht. Dazu wäre eine lückenlose Vorlage von entsprechenden Originaldokumenten erforderlich. Mehrere Anfragen des AHA blieben bisher unbeantwortet.
Abschließend noch paar Worte zu den Einlassungen des Herrn Engelmann: Es ist erstaunlich, dass ein massiver Verfechter dieser katastrophalen Mittelwirtschaft Anderen Unfachlichkeit vorwirft. Nur die Aktivitäten z. B. in der Burgaue und im Connewitzer Holz zeigen klar und deutlich auf, wie verheerend diese Maßnahmen in ihrem Ergebnis sind. Dazu muss man sich natürlich mit wachem Auge und offen für Kritik vor Ort begeben und schauen, was da stattfindet. Bisher hat die Stadt Leipzig keinen Nachweis erbracht, inwieweit sich beispielsweise im NSG Burgaue, die Holzungen mit der FFH-Richtlinie deckt. Der AHA erwartet einfach, sich mal kritisch mit den Entscheidungen aus dem Jahre 1998 auseinanderzusetzen, Fehler einzusehen, bereit zu sein umzusteuern, den Dialog auch mit Andersdenkenden zu suchen und sich von Dogmatismus zu lösen. Das zeugt von richtigem Demokratieverständnis und echtem wissenschaftlichem Geist.
Forsteinrichtungswerk der Stadt Leipzig:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp4/kais02.nsf/docid/7D2AEA1846269BD2C125707E0042D0B9/$FILE/IV-rb-380-text.pdf
Der AHA: www.aha-halle.de
Der Untersuchungsbericht von 2009 als PDF zum download.
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