Wer keine klare Strategie, keine durchdachten Konzepte und auch keine ressortübergreifenden "Leitplanken" hat, von denen ja in Leipzig so mancher gern mit Wonne und Begeisterung spricht, der lässt sich immer dann, wen es auf wirklich wichtige Entscheidungen ankommt, am Nasenring durch die Manege führen.- So wie es Leipzig beim Hochwasser- vs. Auenwaldschutz geht. Eine Menge Raum für kräftige Panikmache. Wie im Oktober geschehen. Am 11. Dezember war's ja Stadtrat-Thema.
In der Stadtratssitzung am 11. Dezember teilte Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) – auf eine Anfrage der CDU-Fraktion hin – dem Stadtrat mit, dass die Genehmigung des Umweltamtes der Stadt Leipzig für die derzeit mit Hochdruck durchgeführten Deichsanierungen bereits am 20. September erteilt wurde, drei Tage nach Antragstellung.
“Ein seltsam spätes und leises Dementi der Stadt Leipzig bezogen auf eine eindeutig falsche Behauptung von Seiten der LTV”, kommentiert Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NuKla e.V. diese Stellungnahme. Immerhin hatte Wochen vorher die LVZ gepoltert und mit großen Lettern vor einem möglichen Weihnachtshochwasser gewarnt.
Dabei blieb es bis heute.
“Keine der Leipziger Tageszeitungen, die in Papierform erscheinen, griff diese interessante Aussage aus dem Leipziger Rathaus auf, hatte doch der Leiter der Landestalsperrenverwaltung (LTV), Axel Bobbe, am 23.11.13 mit einem großen Artikel eines Tageblattes dramatische Überflutungsszenarien für das vorweihnachtliche Leipzig ausgemalt und als Verantwortlichen für diese drohende Gefahr explizit das Umweltamt der Stadt Leipzig benannt, welches nur mit großer zeitlicher Verzögerung seine Genehmigung zu den von der LTV geplanten Maßnahmen gegeben habe”, kommentiert Stoiber diese ganz besondere Leipziger Medienpolitik.
Doch die Baumaßnahmen sind vor allem im Bereich Lehmlache Lauer heftig umstritten, denn die Maßnahmen greifen tief in das dortige (eigentlich geschützte) Biotop ein. Die Landestalsperrenverwaltung (LTV) zog – wie bei vorhergehenden Maßnahmen – die Karte der Dringlichkeit. Doch schon der Ökolöwe hatte darauf hingewiesen, dass diese Dringlichkeit nicht gegeben gewesen wäre, wenn die LTV noch im Sommer das Gespräch mit Umweltverbänden und Unterer Wasserschutzbehörde gesucht und eine Abstimmung gesucht hätte.
Aus Wolfgang Stoibers Perspektive hätte die LTV sogar noch viel mehr Zeit gehabt, die Arbeiten an den Deichen des Elsterhochflutbettes zu planen.
“2011 erklärte der Leiter der LTV, dass nach eingehender Prüfung die baumlosen Leipziger Deiche aus Sicht des Hochwasserschutzes grundsätzlich sicher seien, bauliche Veränderungen daher bis auf kleine Ausbesserungen nicht notwendig”, kommentiert der NuKla-Vorsitzende die Vorgänge. Nur zur Erinnerung: Im Januar 2011 war es das Schmelzhochwasser, dass kurzzeitig eine Hochwassersituation in Leipzig auslöste – die nach dem selben Panik-Muster in der gedruckten Medienlandschaft durchexerziert wurde. Damals wurden die Deiche an der Neuen Luppe mit einem Riesenspektakel verteidigt mit der Begründung, ein Durchbrechen hätte schlimme Folgen für die Stadt.
Wochen später meldete die LTV dann Gefahr in Verzug, berief sich auf den “Tornadoerlass” des Umweltministeriums – und ließ im Februar, März dann rund 40 Hektar Baumbestand im Auenwald abholzen. Ein Vorgang, der heute noch vor Gericht anhängig ist. Die Deiche am Hochflutbett waren damals kein Thema.
“Im Juni 2013 stand den Deichen das Wasser bis kurz unter die Deichkrone”, geht Stoiber nun auf die Ereignisse im Juni 2013 ein. “Sie waren derart durchnässt und dadurch lädiert, dass sie, so die durchaus berechtigte Befürchtung der LTV, einem neuerlichen Hochwasser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht würden standhalten können. Dieser Fall könne, so Axel Bobbe in besagtem Artikel, nun bereits mit dem alljährlichen Weihnachtshochwasser eintreten. Somit bestand Gefahr im Verzug. Und dies erfordert zwingend die Umsetzung von Sicherungsmaßnahmen durch die LTV und das Erteilen einer Genehmigung dafür durch das Umweltamt der Stadt Leipzig – nun OHNE das leidige Procedere eines Planfeststellungsverfahrens. Stellungnahmen der Naturschützer brauchten nicht eingeholt zu werden, Abwägungen der möglichen Maßnahmen brauchten nicht stattzufinden, besonderer oder zusätzlicher Aufwand für die Erhaltung der durch die Bauarbeiten betroffenen Schutzgebiete konnte somit eingespart und das Nervenkostüm der Beteiligten geschont werden.”
Doch mit dieser Vermeidung eines Planfeststellungsverfahrens wird der eigentlich gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungsprozess der Umweltverbände völlig ausgehebelt. Das hatte auch der Ökolöwe schon mehrfach kritisiert. Das hätte – wenn es den gewollt worden wäre, auch eine naturschutzrechtliche Abwägung der Baumaßnahmen möglich gemacht, etwas vorüber die sächsischen Baulöwen seit Jahren wettern. Der sogenannte “Tornadeerlass” hatte im Grunde nie einen anderen Zweck, als diese notwendige fachliche Beteiligung zu verhindern. Deswegen hat die “Grüne Liga” auch explizit gegen den “Tornadoerlass” geklagt.
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“Gefahr im Verzug” könne im September 2013 nicht wirklich bestanden haben, so Stoiber.
“Bereits bei ihrer umfassenden Deichanalyse nach dem Hochwasser 2011 hätte die LTV feststellen müssen – wozu sie fachlich auf jeden Fall in der Lage sein sollte – dass die Deiche nur bis zu einem bestimmten Wasserstand halten, man aber auch einkalkulieren muss, dass dieser überschritten werden kann. Schon 2011 wäre somit die wasserbauliche Einschätzung der Haltbarkeit der Leipziger Deiche unter neuen, der tatsächlichen Entwicklung entsprechenden Parametern notwendig gewesen und hätte zu einem anderen als dem damaligen Ergebnis kommen müssen”, hinterfragt der NUKLa-Vorsitzende die Vorgehensweise der Landestalsperrenverwaltung. “Das wiederum hätte zur Folge gehabt, zusätzliche bauliche Maßnahmen zu planen und umzusetzen. Allerdings hätte es für diese Maßnahmen, zu diesem Zeitpunkt, zu dem keinerlei ‘Gefahr im Verzug’-Situation vorlag, eines Planfeststellungsverfahren bedurft. Folgerichtig hätte es, mit dem vorgeschriebenen Einbezug der Naturschützer, eine Zustimmung durch das Umweltamt der Stadt nur dann ohne das Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung geben können, wenn sich die Beteiligten auf eine technisch durchaus mögliche, weniger die Schutzgebiete zerstörende Variante der Deichsanierung geeinigt hätten.”
Seine Einschätzung zu diesem speziellen Vorgang: “Also waren schon vor zwei Jahren die Voraussetzungen gegeben, in Ruhe eine für alle Beteiligten tragbare Variante zu erarbeiten – allerdings für die Behörden um den Preis eines verwaltungsrechtlich ordnungsgemäß durchgeführten Planfeststellungsverfahrens. Das hätte durchaus auch die Stadt Leipzig selbst einfordern können.”
Hat sie aber nicht. Was wieder auf die Frage führt: Wo ist die Strategie der Stadtverwaltung in Bezug auf die Vereinbarung von Hochwasser- und Auenwaldschutz? Sie ist einfach nicht vorhanden. Und eine klare Federführung im Umgang mit den Bauprojekten der LTV fehlt völlig.
“Was geschah stattdessen?”, fragt Wolfgang Stoiber. “Man kommunizierte, dass alles in Ordnung sei – und wartete: Auf Hochwasser, das im Juni 2013 hoch genug war, um die Begründung dafür zu liefern, dass jetzt sofort unabdingbar ohne Zeitverzug auf schnellstem Wege und damit um jeden Preis und unter nunmehr zulässiger Umgehung der ansonsten geltenden Vorschriften gebaut werden konnte. Jetzt MUSSTE man ja handeln. Und alles war nun ganz einfach – es musste ja schnell gehen – und ohne die geringste Notwendigkeit, Belange des Erhaltes kostbarer Auenbiotope zu berücksichtigen. – Und um dem Ganzen noch eins draufzusetzen, verbreitete man fachlich argumentierte Horrorszenarien via Tageszeitung und schob die Schuld für den späten Baubeginn und dadurch eventuell entstehende Schäden offen in Richtung Amt für Umweltschutz, als hätte dieses nicht vorschriftsmäßig seines Amtes gewaltet und direkte Zustimmung erteilt.”
Und zwar binnen dreier Tage, wie üblich. Als läge im Umweltamt ein Zettel mit der dringenden Bitte des Oberbürgermeisters, Anfragen der Landestalsperrenverwaltung bitte schnellstens und auf jeden Fall positiv zu entscheiden.
Nur das diesmal auch eine Mahnung des Amtes mit rausging an die LTV, den die hatte sogar noch vor Genehmigung angefangen zu bauen, also noch schneller als schnell. “Nur Naturschutzverbände haben versucht, die Verantwortlichen und die BürgerInnen der Stadt auf die rücksichtslos durch die jetzige Sanierung verursachten, aber vermeidbaren schweren Schäden an den eben nicht aus Jux und Tollerei geschützten Gebieten hinzuweisen”, stellt Stoiber fest. “Was für eine perfide Geschichte.”
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