Es ist zwar Schleußig, wo jetzt das Thema Gehwegparken so weit hochgekocht ist, dass es auch endlich Maßnahmen der Stadt gibt, das Chaos zu beenden. Aber es ist nicht nur in Schleußig ein Problem, dass Kraftfahrzeuge auch überall dort abgestellt werden, wo es nach StVO verboten ist. Dazu gehören auch Kreuzungen und Radwege. Die Bürgerinitiative "Pro Parken Schleußig", vertreten durch Tilo Diebel, stellte dazu am 4. November eine ganz gewitzte Einwohneranfrage.

Eigentlich sind es vier Fragen, die Diebel zur Ratsversammlung am 21. November beantwortet haben möchte, aber der Schalk steckt in der vierten.

“Die Parkplatzsituation ist seit langem in Schleußig sehr angespannt, dies wirft seitens der Anwohner Fragen auf”, stellt er fest und fragt dann drauflos:

“Wieso wurden die Einwohner von Schleußig nicht in die aktuelle Planung zur Umgestaltung ihres Viertels einbezogen, obwohl es im Vorfeld – im Frühjahr 2013 – zwei Bürgerforen gab?

Wieso werden erst verkehrssichernde Maßnahmen durchgeführt und im Nachgang ein Gutachten in Auftrag gegeben? (Interview 27.09.2013 LVZ mit Fr. Dubrau)

Kommt es zu einer Revidierung der Maßnahmen, wenn das Gutachten ein für die Stadt unerwartetes Ergebnis hat, und wenn, in welchem Umfang?”

Es wäre schon erstaunlich, wenn das Gutachten dann andere Ergebnisse bringen sollte. Immerhin hat Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau ein ganzes Bündel von Maßnahmen angeschoben, die zumindest eine Entspannung der Parksituation versprechen.Aber wie gesagt: Der Schalk steckt in der vierten Frage, die da lautet:

“Warum wird ausgerechnet in Schleußig das Gehwegparken abgeschafft, während es in anderen Bereichen Leipzigs nicht geahndet wird?”

Da kann man gespannt sein, was die Verwaltungsspitze dazu sagt. Denn das Problem der zu vielen Autos, die im nur begrenzt zur Verfügung stehenden Straßenraum nicht mehr unterzubringen sind, haben mittlerweile auch andere Stadtteile. Ob es geahndet wird, wird das Ordnungsamt sagen müssen. Aber mit der Ahndung ist es ja nicht aus der Welt. Und auch neue Parkhäuser werden das Problem nur punktuell entspannen. Ohne eine spürbare Veränderung der Verkehrspolitik wird es nicht gehen. Und ohne den Umstieg der Leipziger auf ÖPNV und Fahrrad auch nicht.

Da lohnt sich durchaus ein Blick in benachbarte Ortsteile. Etwa in die Südvorstadt und Connewitz, wo das Parkproblem keineswegs so ausgeprägt ist wie in Schleußig, obwohl beide Ortsteile schon länger zu den Wachstumskernen der Stadt gehören. Entsprechend niedriger ist hier aber der Autobesitz, kommen nur 288 (Südvorstadt) bzw. 291 (Connewitz) auf 1.000 Einwohner. In Schleußig sind es mit 319 Pkw je 1.000 Einwohner deutlich mehr. Möglicherweise liegt genau in diesem Bereich die Grenze. Denn sichtbare Parkplatzprobleme wie in Schleußig findet man im Waldstraßenviertel, wo der Pkw-Besatz 314 pro 1.000 Einwohner beträgt.

Noch höher liegt er mit 347 in Gohlis-Süd, das aber stärker als Schleußig noch durch Villen geprägt ist. Außerdem trat hier mit Eröffnung von Gondwanaland 2011 das Prinzip des Anwohnerparkens in Kraft, etwas, was derzeit noch sehr vorsichtig auch für Schleußig diskutiert wird.

Es ist nicht die einzige Einwohneranfrage zum Thema. Man hat sich in Schleußig quasi zur Fahrgemeinschaft zusammengetan. Aber wie das bei autobesitzenden Anwohnern so ist. Man fährt nicht zusammen in einem Auto, sondern jeder fährt sein eigenes Auto. Sieht auch als Fragekolonne hübsch aus.

Den nächsten Fragenkomplex hat Katrin Wemme gestellt:

“Die Parkplatzsituation ist in Schleußig sehr angespannt, dies wirft Fragen auf: Warum wurde das Einbahnstraßensystem eingeführt und mit welchem Ziel? Wieso ist es in einer verkehrssichernden Maßnahme gewollt, dass Fahrradfahrer entgegengesetzt zur Fahrtrichtung die Straße befahren dürfen, obwohl es weder der derzeitige Straßenzustand noch der Verkehrsraum aufgrund der beengten Situation zulassen? Ist es gewollt, dass Fahrradfahrer auf dem Fußweg fahren dürfen? Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage? Wenn nein, wie wird das verhindert? Wird dieses erhöhte Unfallrisiko für Fahrradfahrer und Fußgänger von Seiten der Stadt billigend in Kauf genommen? Ich bitte Sie, meine Fragen dem Stadtrat vorzulegen und bei der Ratsversammlung am 21. November 2013 zu beantworten.”

Nächste in der Fahrerkolonne ist Susanne Jänke:

“Als Anwohnerin Schleußigs hätte ich eine Frage (mit Unterfragen) an Sie: Wieso wird erst eine verkehrs(verun)sichernde Maßnahmne in Schleußig durchgesetzt und dann ein Gutachten in Auftrag gegeben? Meiner Meinung nach sollte sich die Stadt erst informieren, bevor sie (mein Steuer-)Geld ausgibt!

1. Warum wurden die Einbahnstraßen gerade so geführt? Wäre ein Schlaufensystem nicht besser, um die entstandenen Parkplätze zu erreichen? Denken Sie wirklich, dass die Autofahrer langsamer fahren, wenn sie wissen, dass einem niemand (außer Radfahrer, die man nicht wahr nimmt, weil sie ohne Licht fahren) entgegen kommen kann? Auch “Rechts vor links” hielt ich bis jetzt für verlangsamend – dank Ihnen kann man jetzt durchrasen!

2. Warum wird Geld für eine Schwarzdecke in Kreuzungsbereichen ausgegeben, wo doch jeder in Schleußig weiß, dass es nur 14 Tage Schnee und Temperaturen von unter 0 Grad braucht, damit alles wieder kaputt geht? Das ist ja jedes Jahr auf den Straßen hier anhand der “geflickten” Schlaglöcher zu beobachten!

3. Wo sollen wir autobesitzenden Anwohner denn in Zukunft parken? (Und jetzt erzählen Sie mir bitte nicht, dass es in Großzschocher Parkplätze gibt, die innerhalb von 15 min zu erreichen sind). Und ich habe auch nicht vor, nach Eilenburg zu ziehen!

4. Wie kommt denn die Feuerwehr oder gar ein Krankenwagen auf den Fußweg, wenn Fahrradbügel an jeder Ecke stehen? Ein falsch parkendes Auto ist schneller abgeschleppt/weggezogen als 5 Fahrradbügel aus der Verankerung gerissen.

Für eine zeitnahe Beantwortung meiner Fragen und einer zügigen und sinnvollen Verbesserung des jetzigen Parkchaos’ in Schleußig wär ich Ihnen sehr dankbar und verbleibe mit freundlichen Grüßen!”

Nummer 4 in der Fahrkolonne ist Yvonne Kluge:

“Mit Interesse verfolge ich als Schleußigerin den Disput der Autoparker und deren Gegner. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, eine Frage zu stellen, da ich wie viele aufs Auto angewiesen bin und den neuen Einschränkungen nicht kampflos zusehen will, in der Erich-Zeigner-Allee ist das Parken auf den Gehwegen sogar offiziell gestattet. Durch die Einführung von Einbahnstraßen sollten Parkplätze geschaffen werden, ich habe den Eindruck, dass hier nicht alle Ressourcen ausgeschöpft wurden. Können Sie Nachbesserungen (Schrägparkplätze enger markieren, Straßenecken nicht allzu großzügig fürs Nichtparken kennzeichnen und einige “scheinbare” Ausfahrten prüfen, ob dahinter wirklich PKWs abgestellt werden können (Bsp. Blümnerstraße 19) vornehmen und das Parken auf den Gehwegen auch im Schleußiger Viertel offiziell gestatten?”

Nr. 5 ist Familie Haupt:

“Wir wohnen mit zwei Kindern in Schleußig und sind durch die nicht im Stadtteil befindliche Tagesbetreuung unserer Kinder sowie unsere Berufstätigkeit auf ein Auto angewiesen. Wir fahren auch mit dem Rad, laufen und benutzen ebenso auch die öffentlichen Verkehrsmittel (obwohl diese leider sehr teuer sind). Wir sind auch keine Gehwegparker (wobei wir in Anbetracht der Notlage in der Brockhausstraße dies durchaus nachvollziehen können).

Nun wurde seitens der Stadt begonnen ein unserer Ansicht nach unausgegorenes Konzept umzusetzen. Die neue Einbahnstraßenregelung verursacht Staus auf kleinen Nebenstraßenkreuzungen und gefährliche Manöver von Autos und Radfahrern. Außerdem verführt sie zu Raserei und verursacht “selbstgemachten” Verkehr, weil Parkplatzsucher “kreiseln” müssen, statt wenden zu können.

Die sehr großzügigen Schraffuren an den Kreuzungen haben die schon vorher bestehende Parkplatznot schon verschärft. Wir wagen gar nicht, daran zu denken, wie es wird, wenn das Gehwegparken nicht mehr geduldet wird und alle diese Autofahrer auch noch Parkplätze auf den Straßen suchen müssen. Es ist unserer Ansicht nach unfair, zu Verbieten, ohne Lösungen anzubieten. Wo sollen wir künftig parken? Gibt es ein Konzept dafür seitens der Stadt? Oder sollen wir, wie von einigen Personen schon öffentlich geäußert, in entlegenen mit Parkplätzen gut bestückten Gegenden die Autor abstellen und dann morgens mit den Kindern eine halbe Stunde laufen oder gleich in Städte ziehen, in denen entspannt geparkt werden kann?

Wir erwarten ernst genommen zu werden. Es geht doch darum, eine Lösung des Problems, das nun einmal existiert, zu finden. Es geht nicht darum, das Für und Wieder zu diskutieren, sondern praktikable Möglichkeiten zu schaffen. Bevor hier Verbote ausgesprochen und umgesetzt werden, müssen doch Alternativen in Form von beispielsweise Parkhäusern oder dem Rückbau der breiten Fußwege angeboten werden.”

Nr. 6 ist Dr. Gerno Schmiedeknecht:

“Die jüngsten unverhältnismäßigen Maßnahmen zur Durchsetzung der Straßenverkehrsordnung in Schleußig gehen an der Wirklichkeit des heutigen Lebens vorbei, in dem immer mehr Mobilität und Flexibilität gefordert ist. Mit Sicherheit wohnen in diesem ruhigen Viertel keine Anwohner, die einen Autofetischismus betreiben, sondern ganz normale Familien, die ihr Auto dazu benötigen, um zur Arbeit zu pendeln, ihre Kinder in den Kindergarten zu bringen oder den wöchentlichen Familieneinkauf zu erledigen. Hier mit einer ideologisch motivierten Basta-Politik Fakten zu schaffen und keine Einbeziehung der Bewohner in Betracht zu ziehen, zeugt nicht gerade von einem gehobenen Demokratieverständnis der Stadt (man sollte berücksichtigen, dass Schleußig die höchste Wahlbeteiligung in ganz Leipzig aufweist und hier damit durchaus Menschen leben, mit denen man Lösungen diskutieren und finden kann!). In diesem Zusammenhang möchte ich um die Beantwortung meiner Frage bitten:
Warum wird jetzt ausgerechnet in Schleußig das Gehwegparken abgeschafft, während es in anderen Bereichen Leipzigs nicht geahndet wird und warum hat die Stadt nach über 20 Jahren der stillen Duldung jetzt eine Basta-Politik durchgesetzt, ohne für alternative Parkmöglichkeiten zu sorgen?”

Als Fußgänger steht man nur da und staunt. Sie bringen es wirklich nicht fertig, gemeinsam zu fahren und wundern sich dann, warum die Straße verstopft ist.

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