Am Donnerstag, 17. Oktober, fand das Bürgerforum zu den geplanten Trassenvarianten für die Straßenbahn in Probstheida statt. Ein wenig abseits vom Brennpunkt - im Humboldtgymnasium in Reudnitz - was dann auch schon mal den Beginn verzögerte. Die ÖPNV-Verbindungen zwischen Probstheida und Reudnitz sind auch nicht die direktesten. Trotzdem drängten sich 270 Interessierte in die Aula. So nebenbei bemerkt: Es ist eine der schönsten in Leipzig.
Für 270 Zuhörer aber trotzdem zu klein. “Wir haben ja mit diesem Andrang gerechnet”, stellte Fritjof Mothes vom Stadtlabor Leipzig, Moderator des Forums, fest. Aber mit so vielen Interessenten dann wohl doch nicht. Dabei brodelt die Diskussion in Prostheida seit etwa einem Jahr, seit die Leipziger Stadtplaner vor Ort erstmals ihre Pläne vorstellten, im neuen Bebauungsplan eine Straßenbahntrasse unterzubringen. Da glaubten die meisten Probstheidaer, sie hörten nicht richtig.
Aber sie hatten richtig gehört. Und Jochem Lunebach, Leiter des Leipziger Stadtplanungsamtes, meint es durchaus ernst, wenn er die betroffenen Bürger jetzt “so früh wie möglich” einbeziehen möchte in die Entscheidungsfindung. Auch deshalb wurde die Form einer mehrstufigen Bürgerbeteiligung gewählt.
Aber tatsächlich steckt hinter der ganzen Geschichte ein mehrfaches Versagen der Leipziger Planer schon in den frühen 1990er Jahren. Das wurde gerade beim Bürgerforum in der Humboldtschule deutlich. Jetzt an die Planung einer möglichen Straßenbahntrasse zum Herzklinikum zu gehen, ist der Versuch, aus den Fehlentscheidungen und Versäumnissen der Zeit vor 1994 noch irgendetwas zu machen.
Die erste Fehlentscheidung war der in echtem Leipziger Größenwahn entworfene primäre Bebauungsplan für das Gebiet direkt südlich von Stötteritz. Hier sollte ein ganzer medizinischer Campus aus dem Boden gestampft werden – ein Projekt, von dem die Uni Leipzig, die hier eine Hauptrolle spielen sollte, schnell Abstand nahm. Dabei dürfte die große Entfernung zum Stadtzentrum eine wesentliche Rolle gespielt haben. 20 Minuten Fahrzeit mehr können über Leben und Tod entscheiden. Da baute man lieber den alten Campus des Uniklinikums um. Nur einen Fehler machte man: Man baute da draußen das Herzklinikum.
Das wird vom Rhön-Klinikum betrieben, ist aber – über einen Kooperationsvertrag mit dem Freistaat Sachsen und der Universität Leipzig – praktisch Teil der Medizinischen Fakultät der Uni Leipzig. Was zur Attraktion und der überregionalen Ausstrahlung des Klinikums beiträgt. Hier hat sich über fast 20 Jahre ein Zentrum der deutschen Herzmedizin entwickelt. Aus anfangs 340 Mitarbeitern wurden 2.400. Etwa 130.000 Patienten werden jährlich ambulant betreut, 35.000 stationär.Im ersten Bebauungsplan war auch eine ÖPNV-Verbindung zum Herzklinikum geplant: eine Straßenbahntrasse von der Endstelle der Linie 4 in Stötteritz bis zum Herzklinikum. Die auch deshalb nicht gebaut wurde, weil das damals noch geplante Wohngebiet zwischen Stötteritz und Probstheida nicht errichtet wurde. Es wurde inzwischen komplett auch aus den Bebauungsplänen gestrichen. Eine Straßenbahn würde also nicht durch ein Wohngebiet zum Klinikum fahren, sondern durch ein nach wie vor landwirtschaftlich genutztes Naturschutzgebiet.
Im Jahr 2013 aber fehlt dem Klinikum eindeutig eine attraktive ÖPNV-Anbindung. Mit Betonung auf attraktiv. Denn die Buslinie 76 verbindet zwar die Haltestelle Probstheida der Straßenbahnlinie 15 mit dem Herzklinikum, aber das tut sie selbst in der Woche nur im unattraktiven 20-Minuten-Takt, am Wochenende gar nur im 30-Minuten-Takt. Entsprechend ist auch die Auslastung der Busse – bis auf die Stoßzeiten im Berufsverkehr fährt der Bus fast leer die Straße rauf und runter. Verständlich, dass die Probstheidaer nur den Kopf schütteln über die Pläne, hier eine Straßenbahn bauen zu wollen.
Die hätte sogar schon trassiert sein können. Auch das kam am Donnerstag zur Sprache. Doch als man den letzten Bebauungsplan für Probstheida und insbesondere das neue Wohngebiet rund um die Franzosenallee verabschiedete, hatte man die Chance, hier eine Straßenbahntrasse zum Herzklinikum mit einzuplanen und frei zu halten für den Zeitpunkt, an dem sie gebraucht werden würde. Genau das aber hat man versäumt. Nicht nur wurden einige Straßen deshalb nicht breit genug angelegt. Man plante auch verschiedene Grünanlagen und Erholungsgebiete mit ein, die nun auf einmal von neuen Straßenbahntrassen zerschnitten werden sollen.
Verständlich die Kritik etlicher Einwohner von Probstheida, die sich auf den bislang geltenden B-Plan berufen und es einfach als rücksichtslos empfinden, dass nun für die Andienung des Herzklinikums der alte B-Plan ausgehebelt werden soll.
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Bleibt noch das Herzklinikum, das in den nächsten Jahren durch weitere Neubauten noch wachsen soll. Schon heute gibt es ein Parkplatzproblem rund ums Klinikum. Denn alle Mitarbeiter, Patienten und Besucher, die den Bus nicht nutzen, kommen in der Regel mit dem Auto – seltener zu Fuß oder mit dem Rad. Ergebnis: Es gibt zwar Parkplätze für 1.100 Pkw. “Aber im Grunde brauchen wir in Spitzenzeiten das Doppelte”, sagt Martin Jonas, der Geschäftsführer des Herzklinikums Leipzig. “Wir überlegen jetzt, ob wir demnächst Parkraumbewirtschaftung einführen.”
Das hilft zwar dem Klinikum – vor allem auch beim Freihalten wichtiger Rettungs- und Anfahrtswege. Aber Jonas deutet zu Recht an: Das Parkchaos verlagert sich dann wohl in die umliegenden Wohngebiete.
Und jetzt ist natürlich die Frage: Kann der Bau einer Straßenbahntrasse direkt zum Herzklinikum diese in den letzten 20 Jahren aufgehäuften Fehler auflösen? Oder ist die Stadt Leipzig gerade dabei, den nächsten Fehler in der Verkehrspolitik Südost zu machen?
Das Bürgerforum am Donnerstag gab durchaus ein paar Antworten dazu. Aber dazu mehr morgen an dieser Stelle.
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