Im September brodelte, wenn man einer Leipziger Tageszeitung glauben kann, in Schleußig mal wieder der Bürgerzorn. Im Sommer hatte Leipzigs neue Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau (Grüne) angekündigt, das Gehwegparken in Schleußig mit Fahrradbügeln unterbinden zu wollen. Höchste Zeit eigentlich, nachdem das Thema fünf Jahre ungeklärt vor sich hin gärte. Dann gab's ein Interview in der großen Zeitung. Und es klang ganz so, als forderte die Bürgermeisterin die Schleußiger darin auf, doch nach Eilenburg zu ziehen.
Das Thema war schon immer komplex. Viele Leipziger brauchen ihr Auto – auch in Schleußig – viele müssen damit zur Arbeit kommen, die manchmal eben nicht in Leipzig zu finden ist. Andere müssen ihre Kinder irgendwo in der Stadt in einer Kita abliefern, andere sind in ihrer Mobilität eingeschränkt. Wenn es Lösungen gibt für das Parkplatzproblem in Schleußig, dann müssen sie komplex sein. Dann braucht es bessere Radwege, dann braucht es wohl auch das von der Stadt geplante Parkhaus in der Rochlitzstraße. Und es braucht auch – und das ist wohl das Schwerste – die Bereitschaft vieler Schleußiger, auf das eigene Auto vielleicht doch zu verzichten.
Entsprechend persönlich war auch die Frage der großen Zeitung an Dorothee Dubrau. Und entsprechend persönlich war auch ihre Antwort gewesen.
Am 9. September wollte die CDU-Fraktion trotzdem wissen, was sie sich mit der Aussage eigentlich gedacht hatte. Jetzt hat die Bürgermeisterin der CDU-Fraktion geantwortet – ausführlich und persönlich.
“Bitte gestatten Sie mir, Ihnen zu Ihrer Frage Auszüge aus meiner persönlichen E-Mail an eine Mitbürgerin, von der ich angenommen habe, dass sie in Schleußig wohnt und in Eilenburg arbeitet, zur Kenntnis zu geben. Darin habe ich geschrieben:
‘Ich verstehe Ihren Ärger ob des Zitates. Allerdings, wie so häufig, hat der Journalist nur einen kleinen Teil der Aussage zitiert. Auf die Frage ‘Was würden Sie tun, wenn Sie in Eilenburg arbeiten würden?’, war meine vollständige Antwort: ‘Ich persönlich würde nach Eilenburg ziehen, so wie ich auch nach Leipzig gezogen bin, oder den öffentlichen Nahverkehr benutzen, weil dieser viel entspannter ist. Es geht hier in Schleußig aber nicht um diejenigen, die außerhalb arbeiten. Die meisten Bewohner haben einen Arbeitsplatz in der Stadt Leipzig.’
Ich habe also auf eine persönliche Frage zuerst auch eine persönliche Antwort und keine Empfehlung oder Aufforderung zum Umzug an andere Menschen gegeben. Denn natürlich kenne ich – auch aus der eigenen Familie – die Problematik unterschiedlicher Arbeitsorte, die sich so nicht lösen lassen.’Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte, der folgende Passus ist zwar auch aus meiner E-Mail an die betreffende Mitbürgerin, er könnte aber genausogut an alle kommunal-politisch Tätigen adressiert sein:
‘Wenn es uns aber in Leipzig gelingt, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger, die nicht auf einen privaten PKW angewiesen sind, auf einen solchen aus freier eigener Entscheidung auch verzichten können und dies tun, dann dürfte sich insbesondere in den mit wenig Stellplätzen ausgestatteten Gründerzeitvierteln der Stadt die Situation für diejenigen entspannen, die aus den unterschiedlichsten Gründen auf den eigenen PKW nicht verzichten können.’
Dadurch würden wir auch die Gründerzeitviertel lebenswerter machen.
Meiner Ansicht nach müssen wir daran arbeiten, dass der ÖPNV/SPNV gerade für die Berufspendler eine Alternative zum eigenen Auto, oder wie im vorliegenden Fall, zur Anschaffung eines Zweitautos darstellt.
Im Falle des Fahrplanangebotes zwischen Schleußig und Eilenburg stellt der ÖPVN/SPNV für die Berufspendler meines Erachtens für viele Fahrten eine durchaus nutzbare Alternative dar. Ich zitiere aus meiner E-Mail:
Neues Parkregime in Schleußig: Stadtbezirksbeirat begrüßt die Maßnahmen – FDP beantragt Dialogforum
Fünf Jahre lang hat Leipzigs Stadtverwaltung …
Neues Parkregime in Schleußig: Grüne Fraktion begrüßt Maßnahmen für geordnete Parkverhältnisse
Nach dem Beinahe-Unfall im letzten Jahr …
Parkchaos in Schleußig: Fahrradbügel sollen das Gehwegparken verhindern
Es hatte sich bereits im Frühjahr angedeutet …
‘Und – ich habe sogar nachgeschaut: mit dem Regionalzug ist man in 20 Minuten in Eilenburg. Und auch plus Straßenbahn- oder Fahrradfahrt von Schleußig zum Hauptbahnhof, dürfte man mit dem PKW insgesamt kaum sehr viel schneller sein. Natürlich vorausgesetzt, die Arbeitszeiten lassen die ÖPNV-Nutzung zu. Und auch nur die reinen Benzinkosten eines Kleinwagens mit geringem Verbrauch liegen schon in der Größenordnung eines Einzelfahrscheins des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV) für die Strecke Leipzig – Eilenburg (incl. Straßenbahn) von 4,20 EUR. Die preiswerteste Variante für einen Pendler ist die Monatskarte im Abonnement. Vielleicht ist es also sogar in Ihrem Fall möglich, dass Sie mit nicht mehr Zeit- und Finanzaufwand, relativ entspannt mit dem ÖPNV nach Eilenburg pendeln können und sich u.a. den Stress der Parkplatzsuche ersparen.’
Ziel der Politik sollte es sein, für diese Möglichkeiten verstärkt gemeinsam mit den Verkehrsbetrieben und dem Verkehrsverbund zu werben. Mit dem Geschäftsführer des MDV habe ich deshalb besprochen, dass der MDV in Abstimmung mit der LVB in der nächsten Zeit mit seinem Infomobil nach Schleußig kommt, um beratend vor Ort zu sein.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen verdeutlicht zu haben, dass ich keineswegs der Auffassung bin, dass die Berufspendler aus Leipzig an den Ort ihrer Arbeitsstätte ziehen sollten. Leider bin ich in der LVZ verkürzt zitiert worden. Ich bedaure das.”
Die Absenderin der E-Mail kam übrigens gar nicht aus Schleußig, fühlte sich aber trotzdem gemeint und bedankte sich für die ausführliche Antwort.
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