Der Sprecher der Leipziger Grünen, Jürgen Kasek hat wirklich eine Weile gewühlt. Aufgeschreckt durch den teils rüden Umgang mancher Bürger mit einem Gohliser Bauvorhaben der Ahmadiyya-Gemeinde, aber auch vom begleitenden, generellen Umgang mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit verschickte er erstmals vor einer Woche eine Erklärung namens "Für Religionsfreiheit und Toleranz - Leipzig muss vorangehen" an Parteien, einzelne Politiker und Fraktionen. Viele haben in einer ersten Runde unterschrieben, weiterhin diffus jedoch das Verhalten der CDU.

Die Erklärung (vollständig am Ende des Artikels) ist eigentlich nur ein Hinweis auf etwas, was das Grundgesetz in Deutschland hinlänglich geregelt hat. Jürgen Kasek beschreibt dies in der sichtbar um Konsens bemühten Erklärung ganz schlicht: “Religionsfreiheit bedeutet gemäß Artikel 4 Grundgesetz, dass alle Menschen in ihrem Glauben frei sind und die ungestörte Religionsausübung gewährleistet wird. Dieses Menschenrecht gilt für alle Menschen, die in Deutschland leben. Es ist kennzeichnend für unseren Rechtsstaat, dass dieses Grundrecht allen Menschen zusteht.”

Einigen fiel es nicht schwer, hier rasch den Stift zu zücken und sich als Erstunterzeichner der Frage zu stellen, ob oder ob man nun nicht in einem Staat leben möchte, in welchem die Grundrechte Bastion und Leitfaden für alle Menschen sein sollten. Bei der Leipziger FDP möchte man darüber und den weiteren Inhalt des offenen Schreibens noch beraten, hat jedoch bereits signalisiert, dass man sich mit der Problematik auseinandersetzen wird. Nachdem Grüne, Linke, SPD und Piraten bereits vertreten sind, fehlen jedoch bis heute Signale von einer Partei, welche schon im Namen demonstriert, dass man Glauben und Rechtsstaat parallel und zu Recht beansprucht.

Denn die Leipziger Christdemokraten haben seit etwa eineinhalb Wochen Tauchstation bezogen und sind bislang lediglich mit einer Erklärung von Landtagsmitglied und Stadtrat Wolf-Dietrich Rost im Namen der CDU Leipzig-Nord in Erscheinung getreten. Neben bautechnischen Einwänden fand sich in dieser der Hinweis auf die kritische Lage einer benachbarten Schule zur geplanten Moschee an der Bleichertstraße. Seither herrscht eisiges Schweigen, auf eine Presseanfrage der L-IZ.de reagierte die CDU Leipzig-Nord bis heute ebenso wenig, wie auf Jürgen Kaseks Initiative.
“Die Anfrage wurde schlicht und ergreifend ignoriert. Unabhängig von der Frage ob die CDU diese Erklärung unterzeichnet hätte, ist das gezeigte Verhalten der Partei, die als erste eine Muslima in den Bundestag geschickt hat beschämend. Eine allgemein verfasste Erklärung zum Grundgesetz sollte für die Partei, in deren Urheberschaft die sogenannte Extremismuserklärung fällt, kein Problem sein.”

Offenbar ist es eben eins. Während andere Parteien, der Bürgerverein Gohlis und weitere Initiativen bereits im Vorfeld der aktuellen Erklärung versuchten, Dialog und Aufklärung zu befördern und mittlerweile aktiv dazu aufrufen, sich am 2. November auch den Vereinnahmungsversuchen von Rechtsextremen aktiv in den Weg zu stellen, blieb es bis heute bei dieser einen Wortmeldung der CDU in Leipzig. Was die teils extremen Gegner des Moscheebaus freut, während sie schon darauf hoffen, aktive Unterstützung seitens der CDU Leipzig-Nord oder gar der gesamten Leipziger CDU zu erhalten.

Ein bis heute von Hubert Hiersemann unwidersprochener Leser-Kommentar auf der L-IZ.de zur Frage der Stellung des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU Leipzig-Nord zeigt den bisherigen scheinbar etwas diffusen Umgang mit dem Moscheebauthema. Einerseits wehrt sich Hiersemann hierin gegen die Nähe der CDU Leipzig-Nord zu NPD-Sympathisanten. Er verweist im Weiteren darauf in der salafistischen Gemeinde an der Roscherstraße würde bei der Betreuung von “geistig – behinderten Menschen – um unsere !”, allerdings im “Hinterhof” gute Arbeit gemacht. Und bringt anschließend weitere Argumente, welche man von einem Anhänger einer weltweit missionierenden christlichen Kirche eher nicht erwarten würde. “Im Übrigen braucht man nur bei denen nachzufragen, die entsprechende Richtungen studiert haben, um zu erfahren, dass die o.g. Sekte vordergründig auch missionarisch tätig ist. Die Zeugen Jehovas sind es ebenfalls, und wo befindet sich der Königreichsaal in Leipzig ? … !”

Ähnliche Argumentationen, welche von Ungleichheit im Umgang mit verschiedenen Religionen und Strömungen künden, finden sich auch auf Seiten von extremen Moscheebaugegnern. In der Frage, wie man mit den Sorgen und Ängsten von Anwohnern umgehen sollte, scheint es bis heute ebenfalls an einer CDU-Strategie zu fehlen. Einerseits stimmt man dem Treiben scheinbar stillschweigend zu, verortet sich argumentativ eher um Umfeld der “Bürgerinitiative Gohlis sagt Nein” und versucht so Solidarität mit den Wählern zu signalisieren. Anderseits scheint man so ein Problem damit zu haben, eine Erklärung mitzutragen, welche auf geltende Baugesetze, das Grundgesetz und auf die Frage der Herkunft der Ängste eingeht.

Denn ein weiteres Problem steht derzeit wohl auch im 2014 anstehenden Wahlkampf um neue Sitze im Leipziger Stadtrat (25. Mai 2014) und Landtagsmandate (Sommer 2014), wie das von CDU-Nord-Vorsitzenden Wolf-Dietrich Rost. Da erinnert sich angesichts des derzeitigen Schlingerkurses eventuell dann doch so mancher in der CDU Leipzigs an den alten Spruch des Dauerwahlgewinners Franz-Josef Strauß (CSU), dass es rechts von der Union nur noch die Wand und keine weitere demokratisch legitimierte Partei geben dürfe.

Der dafür zu zahlende Preis könnte eine fehlende Unterschrift unter der Erklärung “Für Religionsfreiheit und Toleranz” sein.
In Leipzig wird momentan viel über den möglichen Bau einer Moschee im Stadtteil Gohlis diskutiert. Diskussionen gehören zu einer lebendigen Bürgerstadt. Die Art und Weise, wie die Diskussionen ablaufen, schockieren uns allerdings. Zum Teil werden stereotype rassistische und fremdenfeindliche Ressentiments genutzt, um gegen den Bau der Moschee Stimmung zu machen. Personen des rechtsextremen Spektrums gehen gezielt auf Stimmenfang und schaffen ein Klima der vermeintlichen Bedrohung.

Vorgeblich wird in den Diskussionen immer wieder das Argument der Religionsfreiheit, die durch den Islam untergraben würde, bemüht.

Religionsfreiheit bedeutet gemäß Artikel 4 Grundgesetz, dass alle Menschen in ihrem Glauben frei sind und die ungestörte Religionsausübung gewährleistet wird. Dieses Menschenrecht gilt für alle Menschen, die in Deutschland leben. Es ist kennzeichnend für unseren Rechtsstaat, dass dieses Grundrecht allen Menschen zusteht. Dass in anderen Ländern die Menschenrechte nicht gewahrt werden und dort ein Rechtsstaat nicht existiert, entbindet uns nicht von unserer Pflicht, im Gegenteil. In Leipzig sind viele unterschiedliche Religions- und Glaubensgemeinschaften zu Hause. Sie alle haben ein Recht darauf, ihre Religion auszuüben. Leipzig will eine weltoffene und tolerante Stadt sein. Wie viel Toleranz wir als Leipziger Bürgerinnen und Bürger tatsächlich üben, muss sich nun im gelebten Umgang mit anderen Religionen zeigen.

Die menschliche Urangst vor dem Unbekannten, vor dem “Fremden”, entbindet uns nicht davon, die Werte der Demokratie zu leben und kann keine Entschuldigung für fremdenfeindliche, rassistische Äußerungen sein. Die gezielten Versuche, Unfrieden zu stiften, dürfen wir dabei nicht unkommentiert lassen. Es gilt sie zurückzuweisen und deutlich zu machen, dass in Leipzig Platz für Menschen aller Glaubensrichtungen ist.

Bauprojekte, egal welcher Art, sind in Übereinstimmung mit geltenden Gesetzen zu prüfen und durchzuführen – unabhängig davon, wer sie beauftragt oder dahinter steht. Diese Maßstäbe sind ebenso charakteristisch für einen Rechtsstaat.

Wir rufen daher die Leipzigerinnen und Leipziger auf, sich gemeinsam für Demokratie, Toleranz und Religionsfreiheit zu engagieren und fremdenfeindliche Äußerungen zurückzuweisen.

Gemeinsam für eine weltoffene und tolerante Stadt ohne rechtsextreme Menschenfeindlichkeit!

Erstunterzeichner
Daniela Kolbe, Wolfgang Tiefensee (MdB’s SPD)
Monika Lazar (MdB BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Volker Külow (Stadtvorsitzender DIE LINKE, MdL)
Cornelia Falken (MdL; DIE LINKE)
Jürgen Kasek, Petra Cagalj- Sejdi VorstandssprecherInnen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Michael Clobes, Stadtvorsitzender SPD Leipzig
Werner Willeke, Vorsitzender Piratenpartei Leipzig

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar