Fünf Jahre lang hat Leipzigs Stadtverwaltung herumgeeiert beim Thema Parkchaos in Schleußig. Es ist ja nicht so, dass 2008 und 2009, als das Thema zuerst hochkochte, keine sinnvollen Vorschläge gemacht wurden, wie die Park- und Verkehrsproblematik entspannt werden könnte. Nur umgesetzt wurde keiner. Bis der Stadtbezirksbeirat Südwest im Herbst 2012 die Reißleine zog und die Verwaltung eindeutig dazu aufforderte, die StVO in Schleußig wieder durchzusetzen. Am Mittwoch, 11. September, hat er mal wieder getagt.

Auf dieser Sitzung nun stellte die Verwaltung der Stadt Leipzig die geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssituation in Schleußig vor. Das Gremium begrüßt ausdrücklich und einhellig die neue Entwicklung.

“Die Zeit der vagen Absichtserklärungen und Ausflüchte ist glücklicherweise nun vorbei. Wir freuen uns, dass die Lebensqualität in diesem schönen Gründerzeitquartier deutlich wachsen wird”, sagt Katharina Kleinschmidt, die die SPD im Stadtbezirksbeirat vertritt.

Auch die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer und -teilnehmerinnen wäre wieder gewährleistet, der inakzeptable Zustand eines rechtsfreien Raumes beendet. Der Stadtbezirksbeirat widmet sich seit über einem Jahr dem Thema und hatte im März 2013 die Verwaltung mittels einer “Wichtigen Angelegenheit” aufgefordert, binnen sechs Monaten tätig zu werden. Kleinschmidt: “Dass es nun so schnell zu einer konstruktiven Lösung gekommen ist, ist auch ein großer Erfolg für den Stadtbezirksbeirat. Wir werden die Umsetzung der geplanten Maßnahmen aufmerksam verfolgen und gegebenenfalls nachhaken.”

In Schleußig sind markierte Sperrflächen und Fahrradbügel an den Straßeneinmündungen, ein Einbahnstraßensystem und die platzschaffende Möglichkeit des Schrägparkens geplant. Damit soll das gefährliche und gesetzeswidrige Gehwegparken unterbunden werden. Die Maßnahmen sollen im Herbst dieses Jahres abgeschlossen sein.

Für die FDP-Fraktion können die eingeleiteten Maßnahmen nur ein Teil der Problemlösung sein. Sie hat am Donnerstag, 12. September, einen Antrag ins Verfahren gebracht mit dem Ziel, die Verkehrssituation in Schleußig nachhaltig zu entschärfen. Die Liberalen schlagen dazu die Einrichtung eines Dialogforums Verkehrsraum Schleußig (DVS) vor.

“Eine Lösung der Probleme wird es nur in einem Miteinander geben. Dazu müssen alle Akteure an einen Tisch”, so der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende René Hobusch. Die Liberalen erhoffen sich dadurch eine Versachlichung der Debatte. “Niemandem bringt es etwas, wenn wieder nur benannt wird, was einem nicht passt. Wir müssen über mögliche Lösungen reden und nicht mehr nur über die Probleme. Dieser Prozess wird einige Zeit in Anspruch nehmen, aber ich bin überzeugt, dass am Ende auf allen Seiten die Vernunft siegt und wir zu guten Ergebnissen kommen. Bürger mit unterschiedlichen Mobilitätsvorstellungen nutzen den Verkehrsraum gemeinsam. Jeder hat dabei eigene Interessen. Diese Interessen gilt es in einen Ausgleich zu bringen.”

Für die FDP-Fraktion hat das DVS dabei Modellcharakter: “Wir schlagen daher eine wissenschaftliche Begleitung vor, um Erkenntnisse aus dem Prozess und mit Blick auf die Ergebnisse auch anderswo in Leipzig nutzen zu können”, so Hobusch und ergänzt: “Angesichts der jüngsten Bevölkerungsprognose gehen wir davon aus, dass die akuten Probleme in Schleußig sehr bald auch anderswo auftreten werden. Wir tun gut daran, darauf vorbereitet zu sein.”
Der Wortlaut des FDP-Antrags:

Dialogforum Verkehrsraum Schleußig

1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, auf die zeitnahe Einrichtung eines Dialogforum Verkehrsraum Schleußig (DVS) mit folgender Kernbesetzung hinzuwirken:

· Bürgermeister für Umwelt und Ordnung oder ein Vertreter des Ordnungsamtes
· Bürgermeisterin für Stadtentwicklung und Bau oder ein Vertreter des Verkehrs- und Tiefbauamtes
· je ein Vertreter aller im Stadtrat vertretenen Fraktionen
· ein Vertreter des Stadtbezirksbeirates Plagwitz/Schleußig
· ein Vertreter des Bürgervereins “Initiative Schleußig e.V.”
· ein Vertreter des ADAC
· ein Vertreter des ADFC
· ein Vertreter des FUSS e.V.
· ein Vertreter der Leipziger Verkehrsbetriebe

2. Ziel des DVS ist es, die derzeitige Verkehrssituation sowie die unterschiedlichen legitimen Interessen zur Nutzung des Verkehrsraumes im Stadtteil Schleußig auf Basis der geltenden Rechts- und Beschlusslage zu diskutieren, transparent zu machen und nach möglichen Lösungsvorschlägen, die in einer konsensualen Empfehlung an den Oberbürgermeister münden sollen, zu suchen. Der Oberbürgermeister prüft diese sodann auf finanzielle Machbarkeit und unterbreitet dem Stadtrat binnen eines halben Jahres nach Übergabe einen Umsetzungsvorschlag.

3. Die Leitung des DVS wird einem unparteiischen, unabhängigen und sachkundigen Moderator übertragen. Der Oberbürgermeister unterbreitet dem DVS hierzu Vorschläge, von denen das DVS einen mit einer Zweidrittelmehrheit der unter (1) genannten Vertreter auswählt. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, in seine Überlegungen insbesondere Personen einbeziehen, die seit Beginn der laufenden Legislaturperiode des Stadtrates als Moderator, Mediator oder vergleichbarer Position Stadtentwicklungs- oder Stadtumbauprojekte in Leipzig begleitet haben.

4. Das DVS gibt sich gemeinsam mit dem Moderator eine Geschäftsordnung, die im Internet auf leipzig.de veröffentlicht wird. Die Sitzungen des DVS sind schriftlich im Rahmen von ebenfalls online zu veröffentlichenden Ergebnisprotokollen zu dokumentieren.

5. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, Kontakt mit der Universität Leipzig aufzunehmen mit dem Ziel, dass diese den Partiziptationsprozess wissenschaftlich begleitet. Für den Fall einer positiven Rückmeldung erhält ein Vertreter der Universität Leipzig Zugang zu den Sitzungen des DVS und allen Unterlagen. Näheres ist in der Geschäftsordnung zu regeln.

6. Der Stadtrat erklärt das DVS als Modellvorhaben für zukünftige Bürgerbeteilungen, mit dem Ziel, die dabei gewonnenen Erfahrungen auf zukünftige, ähnlich geartete Beteiligungsprozesse übertragen zu können. Dafür notwendige Personal- und Sachkosten werden in den Haushalt eingeordnet.

Begründung:

Die Situation in Schleußig ist verfahren: Auf der einen Seite stehen Bürger, die das eigene Auto nutzen wollen und hierfür Raum benötigen – insbesondere Parkraum, wofür nicht ausreichend Platz zur Verfügung steht. Auf der anderen Seite stehen Bürger, die sich über falschparkende Fahrzeuge beklagen. Ideen für alternative Mobilitätsarten stehen im Raum, werden jedoch nur vereinzelt und häufig losgelöst von einem Gesamtkonzept diskutiert.

Es ist damit zu rechnen, dass auch mit der Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes Verkehr und Öffentlicher Raum (kurz: STEP Verkehr) eine Besserung der Situation erst einmal ausbleiben wird, denn dabei handelt es sich nur um einen Plan, der erst noch mit konkreten Maßnahmen inkl. entsprechender Bau- und Finanzierungsbeschlüsse untersetzt werden muss.

Die Debatte in Schleußig ist häufig von persönlichen Motiven geprägt und emotional aufgeladen. Für eine Lösung bedarf es einer Versachlichung, die mit einem Dialogforum Verkehrsraum Schleußig herbeigeführt werden kann und soll.

Da aufgrund der prognostizierten steigenden Einwohnerzahl in Leipzig damit zu rechnen ist, dass vergleichbare Probleme wie in Schleußig mehr und mehr auch in anderen Stadtteilen akut werden, sollte das DVS als Modellprojekt begriffen werden – mit dem Ziel einerseits Erfahrungen zur Ausgestaltung von Partizipationsprozessen zu sammeln und andererseits inhaltliche Ansätze zur Lösung der Probleme auch auf andere Stadtteile zu übertragen.

Der Partizipationsprozess sollte weitestgehend selbstorganisiert stattfinden. Die Stadtverwaltung ist in der Gemengelage unterschiedlicher Interessen zwar ein wichtiger Akteur, aber dennoch nur ein Akteur unter vielen. Dem gilt es durch die Organisation und Zusammensetzung des DVS Rechnung zu tragen. Da zunehmend Erfahrungen mit funktionierender Bürgerbeteiligung im Rathaus vorhanden ist, ist die Stadtverwaltung aufgefordert hier insbesondere in der Anfangsphase unterstützend zur Seite zu stehen – bspw. durch Vorschläge zur Moderation des DVS. So hat u.a. die Bürgerbeteiligung im Zuge der Karl-Liebknecht-Straße gezeigt, dass eine engagierte aber dennoch überparteiliche Moderation viel zum Erfolg von Partizipationsprozessen beitragen kann. Darauf kann und sollte aufgebaut werden.

Wichtig erscheint für einen solchen Prozess, dass von vornherein gemeinsame Grundlagen existieren. Diese liegen zum einen in der Beschlusslage der Stadt Leipzig sowie der geltenden Rechtslage. Überdies sollte von allen Akteuren anerkannt werden, dass alle Seiten Interessen verfolgen, die aus ihrer Sicht legitim sind – unabhängig davon, ob sie von anderen Akteuren geteilt werden oder nicht. Aufbauend auf diesem Grundkonsens sollte sich eine Diskussion entwickeln. Das Ziel ist, die unterschiedlichen Interessen soweit möglich in einen Ausgleich zu bringen, um zu einem fairen Miteinander zu kommen.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar