In seiner Sitzung am 18. September fasste der Stadtrat auch einen Beschluss zum Augustusplatz. Genauer: zu den Fahrstraßen an der Haltestelle Augustusplatz. Eine Petition hatte beantragt, diese Fahrstraßen besser kenntlich zu machen. Die Petition wurde abgelehnt als "ist nicht abhilfefähig". Aber nicht ohne Begründung. Sie ist ein Plädoyer - ganz beiläufig - für ein Leben im "shared space".

“Shared space” heißt ja nichts anders, als dass verschiedene Verkehrsarten sich den selben Raum teilen. Alle müssen aufeinander Rücksicht nehmen. Da zwingt dann auch stärkere Verkehrsteilnehmer etwa im Auto dazu, nicht mehr nur auf Verkehrsschilder zu achten, sondern auch auf Straßenbahnen, Radfahrer, Fußgänger. Das Ergebnis – zumindest aus Sicht der Stadtverwaltung: weniger Unfälle.

Und so wurde denn den Petenten auch erklärt, warum ihre Petition nicht abhilfefähig ist.

“Bezüglich der Unfallsituation ist festzustellen, dass sich in den vergangenen Jahren keine Unfälle zwischen Fußgängern und Kraftfahrzeugen im Bereich des Platzes ereigneten”, heißt es da. “Die derzeitige bauliche Gestaltung, welche eben gerade nicht die Funktion der Fahrbahnen optisch betont, dürfte ursächlich dafür sein, dass sich die Fahrzeugführer gegenüber Fußgängern vorsichtig und rücksichtsvoll verhalten. Unterstützt wird dies durch die Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf 20 km/h. Eine optische Betonung der Fahrbahn würde mit hoher Wahrscheinlichkeit die dort gefahrenen Geschwindigkeiten erhöhen und damit auch die Wahrscheinlichkeit von Unfällen.”
Von Bedeutung sei der Augustusplatz eben auch, weil er ein wichtiger Verknüpfungspunkt diverser Straßenbahnlinien, mit denen man wichtige Kultureinrichtungen erreicht, er ist auch selbst wichtiger Veranstaltungsort und Marktplatz. Das war 1996 durchaus ein Thema bei der Neugestaltung: Trennt man die Mittelfahrbahnen auffällig ab und separiert damit die Verkehrsströme stärker? Oder versucht man zumindest einen Teil des Platzbildes zu bewahren und Autofahrer einfach zur Vorsicht zu animieren?

“In der Regel ist bei einer Platzgestaltung das gleichberechtigte Nebeneinander aller Nutzungsansprüche schwierig umsetzbar, so dass Schwerpunkte zu setzen sind”, betont die Stadt in ihrer Ablehnung der Petition. “Der Konflikt zwischen städtebaulicher Qualität und Verkehrsanforderungen ist dabei ein sehr häufiger, so auch beim Augustusplatz. Beide Anforderungen wurden in einem längeren Prozess miteinander abgewogen und abgestimmt.”

Ein erster Schritt war die Auslobung des “Städtebaulichen Ideenwettbewerbs Augustusplatz” 1994. Aufgabe war, die vielfältigen Nutzungen – auch den Verkehr – behutsam neu zu ordnen, ohne die grundsätzliche Gestaltung des Augustusplatzes als Architekturplatz infrage zu stellen. Die Belange von Verkehr und Stadtgestaltung sollten nicht zugunsten des einen oder anderen aufgegeben werden, sondern bewusst als Bereicherung des Platzes gestaltet werden.

Der 1995 folgende Realisierungswettbewerb habe dieses Thema vertieft und die verkehrlichen Belange auf die Einbindung der Straßenbahn und die Anbindung der Tiefgarage konzentriert, sonstiger Individualverkehr sollte auf den Anlieger- und Anlieferverkehr beschränkt sein.

“Im Ergebnis hat sich die Stadt Leipzig dafür entschieden, die beiden Platzhälften zu einem weitgespannten Platz zusammenzufügen und so das Queren zwischen den Platzhälften und die Aufenthaltsqualität in den Vordergrund zu stellen”, heißt es weiter. “Daher wurden die Fahrbahnbegrenzung und die Einordnung der Haltestelle in der jetzt vorzufindenden Art und Weise gestaltet sowie eine Temporeduzierung auf 20 km/h und ein Durchfahrverbot für den Individualverkehr aus Richtung Hauptbahnhof eingerichtet. Der Unterschied zwischen Fahrbahn und Platzfläche wird durch Bordeinfassungen markiert bei ansonsten einheitlicher Materialverwendung. Dem motorisierten Verkehrsteilnehmer soll damit verdeutlicht werden, dass in einem verkehrsberuhigten Bereich mit häufigem Queren von Fußgängern zu rechnen ist.”

Mit der Fertigstellung des Neubaus der Universität ist freilich der Schnittpunkt Goethestraße / Grimmaische Straße / Augustusplatz wieder stärker in den Fokus gerutscht. Denn zusätzlich zum Straßenbahnbetrieb, dem Auto- und dem Fußgängerverkehr gibt es jetzt auch stärkeren Radverkehr durch die neue Rad-Garage am Paulinum. Und der Behindertenverband kritisiert zunehmend gefährliche Situationen. Was auf der freien Platzfläche noch funktionierte, erzeugt in diesem Knotenpunkt immer deutlicher Konfliktpotenzial.

Das Thema ist also nicht vom Tisch, muss nur neu angepackt werden.

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