Der letzte Satz, den Prof. Dr. Ing. J. Gerlach unter sein Gutachten zur "Zukunftsfähigkeit des Tangenten- und Ringkonzeptes ..." schrieb, war eigentlich deutlich: "Zusammenfassend spiegelt das Straßennetz der Stadt Leipzig in eindrucksvoller Weise die Erfolge der Stadt- und Verkehrsplanung wieder, in dem es Mobilität und gute Erreichbarkeiten sichert. Entwicklungspotenziale liegen in der weiteren Förderung der umweltfreundlichen Verkehrsarten und der Ausschöpfung städtebaulicher Potenziale und Sicherheitspotenziale in ausgewählten Straßenabschnitten."
Das Gutachten hat der Verkehrsplaners von der Bergischen Universität Wuppertal für die Fortschreibung des Leipziger STEP Verkehr und öffentlicher Raum 2012 erstellt. Der STEP Verkehr von 2003 soll überarbeitet und 2014 in der Überarbeitung verabschiedet werden. Einfließen sollen auch die Ergebnisse des Bürgerwettbewerbs und der daran anschließenden Workshops. Und der Stadtrat der Grünen, Roland Quester, sieht endlich gute Chancen dafür, dass ein uraltes, eigentlich unbezahlbares Mega-Projekt endlich auch politisch beendet wird: die Komplettierung des so genannten Mittleren Ringes.
In seinen Ursprüngen geht dieses System der Ringstraßen auf die 1920er Jahre zurück, als Leipzigs Verkehrsplaner noch für eine Millionen-Stadt vorausdenken mussten. In den 1990er Jahren wurde die alte Vision wieder aus der Versenkung geholt und als neue Lösung für Leipzigs Verkehrsprobleme angepriesen. Ein großer Ring sollte vierspurig den Verkehr über die Leipziger Außenbezirke ableiten. Wirklich umgesetzt wurde bislang nur der Abschnitt im Leipziger Nordwesten.
Allein das Stück zwischen Pittlerstraße bis zur Olbrichtstraße kostete 65 Millionen Euro (52 Millionen allein der Abschnitt zwischen Pittler- und Slevogtstraße) und wurde, nachdem die Planungen 2000 begonnen hatten, 2012 fertiggestellt. Das ist eine Menge Geld für eine Entlastungstrasse. Gerlach hat sich deshalb die noch nicht fertiggestellten Abschnitte vorgenommen und den möglichen Entlastungseffekt eingeschätzt. Das Ergebnis war ernüchternd. Der Effekt liegt fast überall in einem Bereich, der die Kosten nicht rechtfertigen würde.
So schreibt Gerlach: “Aus den ehemals geplanten Lückenschlüssen des Mittleren Ringes Nordost und Südost – Abschnitt Connewitz ergeben sich demnach keine wesentlichen Entlastungen des bestehenden Straßennetzes. Auch eine etwaige Führung des Mittleren Ringes Südost über Stötteritz/Mölkau statt über die Bahnvariante würde zu den gleichen Erkenntnissen führen. Der Verzicht auf diese Lückenschlüsse entsprechend des aktuellen Entwurfes des Flächennutzungsplanes erscheint somit gerechtfertigt. Gleiches gilt, wie oben schon angedeutet, für den Verzicht auf eine Auequerung im Bereich des Mittleren Ringes Südwest/Süd, da hier der Eingriff in sensible (Natur-)Räume immens und die Entlastungswirkung eher gering sein wird.
Auch mögliche Ersatzführungen, wie über den Schleußiger Weg verlieren angesichts der mit dem Wegfall der durchgehenden Ostführung verbundenen nicht mehr gegebenen Ringfunktion ihre Bedeutung, zumal hier bestehende Wohnsituationen zusätzlich belastet würden.”Eine Ausnahme sieht er im Abschnitt Richard-Lehmann-Straße bis Theodor-Heuss-Straße, der noch im Flächennutzungsplan vorgesehen ist. Aber das ist genau der Abschnitt, der im Osten die wichtigen Grünabschnitte am Bahnring zerstören würde. Ob diese Art der Umverlagerung von Verkehr in bislang vom Verkehr verschonte Bereiche des Stadtgebietes überhaupt sinnvoll ist, bezweifelt auch Gerlach vorsichtig: “Hier sollten die mit der Netzergänzung verbundenen Eingriffe detailliert bilanziert und den Entlastungswirkungen unter Einbeziehung aller Effekte, wie Lärm, Schadstoffe und Unfälle gegenübergestellt werden, bevor eine endgültige Entscheidung gefällt wird.”
Aber schon die Tatsache, dass es ein kompletter Neubau wäre, schraubt die Kosten in die Höhe. Roland Quester rechnet hier mit eine darstellbaren Finanzierbarkeit frühestens in zehn Jahren. Aber bei solchen Zeithorizonten wird auch ein zweistufiger Ausbau immer unwahrscheinlicher. “Auch in zehn Jahren wird Leipzig nicht das Geld haben, um für viele Millionen im Stadtvergleich ‘übliche’ Verkehrsbelastungen nur von hier nach da zu schieben”, schreibt Quester im “Ratschlag”, der Informationsschrift der Grünen-Fraktion.
Er erinnert daran, dass die Stadtratsfraktionen 2012 im Entwurf des Flächennutzungsplanes die geplante Trassenführung des Mittleren Ringes durch den Abtnaundorfer Park gestrichen haben. Bestätigt sieht Quester sich auch in Gerlachs Einschätzung, dass eine geplante Verlängerung der Gustav-Esche-Straße zur Georg-Schumann-Straße kaum Realisierungschancen hat. Hier würde man mitten in die so wichtige Elsteraue eingreifen.
A 72 bis ins Stadtgebiet? – Vorlage der Verwaltung sagt deutlich “Nein!”
So kurz und knapp kann es sein …
Mittlerer Ring Leipzig-Nord komplett: Max-Liebermann-Straße wird Freitag frei gegeben
Am Freitag, 27. April, könnte das Schleichen …
Streitfall Mittlerer Ring Südost: Bürgerverein Sellerhausen-Stünz hält jede weitere Diskussion über Bahnvariante für überflüssig
Bei der Verkehrsführung im Leipziger Südosten …
Gebraucht wird das alles sowieso nicht. Das Leipziger Straßennetz ist – wie Gerlach einschätzt – leistungsfähig genug. Und ableiten kann man den Verkehr, den man nicht im Stadtgebiet haben will, über den mittlerweile geschlossenen Autobahnring. Andere Maßnahmen, so Gerlach, sind jetzt eigentlich auf der Agenda: “Hohe Priorität sollten zudem jegliche Maßnahmen im Öffentlichen Verkehr und insbesondere im Fußgänger- und Radverkehr haben, um die Anteile dieser umweltfreundlichsten Verkehrsmittel weiterhin zu erhöhen. So sollten Überquerungen beispielsweise des Innenstadtringes verbessert, Lücken im Fuß- und Radwegenetz geschlossen, attraktive Gehwege geschaffen und das generelle ‘Standing’ dieser Verkehrsarten verbessert werden. Zudem sollte die hohe Bedeutung des neuen S-Bahn-City-Tunnel durch Stärkung der auf den Öffentlichen Verkehr bezogenen Stadt-Umland-Beziehungen hervorgehoben werden.”
Roland Quester jedenfalls zeigt sich optimistisch, dass die Weichen in der Leipziger Verkehrspolitik endlich umgelegt werden: “Das Programm großer Leipziger Straßenneu- und -ausbauten kommt damit absehbar an ein Ende. Allein die Betrachtung des immensen Unterhaltungs- und Sanierungsstaus an den vorhandenen Straßen, Fußwegen und Brücken der Stadt, der Investitionsbedarf im ÖPNV und im Radverkehrsnetz muss einen das freudig begrüßen lassen.”
Das Gutachten von Prof. Gerlach: www.leipzig.de/imperia/md/content/90_verkehrsplanung/7_gerlach_fachgutachten.pdf
Mehr zur Diskussion “Ideen für den Stadtverkehr”: www.leipzig.de/de/buerger/stadtentw/verkehr
Keine Kommentare bisher