Eigentlich hat es der Stadtrat im September 2012 beschlossen: Der Straßenzug Kirschbergstraße, Möckernsche Straße in Gohlis wird Tempo-30-Zone. Es war einer jener wenigen Punkte in der Leipziger Lokalpolitik, an denen sichtbar wurde, dass eine andere Art Verkehrspolitik als die bisher gehandhabte möglich ist. Nicht in allen Straßen muss gerast werden. Nicht jede Nebenstraße darf zur Entlastungsstraße für Haupttrassen werden. Doch im Mai 2013 ist noch alles beim Alten.

Frank Friedrich (CDU), Mitglied des Stadtbezirksbeirates Nordwest, ist enttäuscht. Augenscheinlich bekommt der Stadtrat immer dann, wenn er eine Entscheidung trifft, die in die gängigen Konzepte nicht passt, eine Kostennote nachgereicht.

“Nach einem längeren Erkenntnisprozess traf der Stadtrat im Oktober die politische Entscheidung, die stark verkehrsbelasteten Wohngebiete entlang der Kirschberg-, Möckernschen und Berggartenstraße in Möckern/Gohlis durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h zu entlasten und zugleich auch die Verkehrssicherheit vor allem für querende Fußgänger (Kinder und Schüler!) zu erhöhen”, betont der Stadtbezirksbeirat. “Über ein halbes Jahr später ist nicht ein einziger Abschnitt mit der Geschwindigkeitsbeschränkung ausgeschildert. Die Leiterin des Verkehrs- und Tiefbauamtes (VTA) verwies auf Nachfrage des Bürgervereins Möckern-Wahren lapidar auf die ‘nicht im Haushalt vorgesehenen Mittel’ für die Beschilderung.”

In der Beratung des Stadtbezirksbeirates Nordwest am 2. Mai wurde von einer in Arbeit befindlichen Vorlage für den Stadtrat informiert, in der das Verkehrs- und Tiefbauamt nun die Folgen des Beschlusses auflistet – von den Kosten über “rechtliche Folgen” (u.a. künftig höhere Ausbaubeitragssätze für Anlieger) bis hin zu der Veränderung von Verkehrsströmen.”Alles Dinge, die ansonsten die Verwaltung wenig scheren, aber ausgerechnet für die Umsetzung dieses politischen Willens des Stadtrates als Argumente herhalten müssen”, stellt Friedrich frustriert fest. “Dass hier auch die verkehrsplanerischen Fehler bezüglich der Schumannstraße (völlig realitätsfern zu hoch angesetzte Verkehrsentlastung durch die B6 Max-Liebermann-Straße) Handlungsmotiv sind, darf angenommen werden.” Autofahrer nutzen augenscheinlich eben nicht die prächtig ausgebauten neuen Verkehrstrassen, sondern kürzen lieber ab, wie sie es gewohnt sind. Und die “Abkürzung” von Möckern über Kirschbergstraße und die Möckernsche Straße zur Menckestraße und zur Waldstraße ist ja nach Willen der Leipziger Verkehrsplaner weiterhin “Hauptstraße”.

Von alten Handlungsmustern kann man sich augenscheinlich nur schwer trennen. Friedrich: “Doch leider ist dieses Handeln für zu viele Bereiche der Verwaltung charakteristisch: Stadtratsbeschlüsse werden durch Untätigkeit, ungenaues und terminfremdes Handeln oder aber auch durch Erzwingen von Neudebatten ausgehebelt. Nicht nur die dieser Tage stadtweit thematisierten Kleinmesse-Parkplätze sind da öffentlich sichtbares ‘Ergebnis’.”

Und auch im Nordwesten ist es nicht der einzige Fall, wo die Verwaltung den Willen der gewählten Gremien blockiert. Friedrich: “Unser Stadtbezirksbeirat hat solches, gegen in Ratsbeschlüssen bekundeten politischen Willen gerichtetes Handeln in vielen Angelegenheiten erfahren müssen. Beispielhaft sind die über zehn Jahre hinweg immer wieder durch ‘Verwaltungshandeln’ ausgehebelten Tippel-Tappel-Tour-Beschlüsse des Stadtrates zur Ertüchtigung und Sanierung des Stadtteilzentrums Anker, der jahrelang als ‘unmöglich’ deklarierte Bau einer Sporthalle für das Heisenberg-Gymnasium, die immer wieder ‘zurückgestellte’, schon vor zehn Jahren höchstnotwendige Sanierung der Wilhelm-Hauff-Grundschule.”

Für ihn eine wesentliche Frage: “Was muss geschehen, dass die Stadtverwaltung Leipzig endlich begreift, dass ihr einziger Auftraggeber der im Stadtrat mehrheitsfähige politische Wille ist? Der Stadtrat muss strikter gegen diese Taktik vorgehen. Aber vor allem der ‘erste Bürger der Stadt’, der Oberbürgermeister, ist nicht nur Politiker, sondern eben auch für die Arbeit der Stadtverwaltung verantwortlich. Einem OBM müsste für ‘seine Stadt’ doch am meisten daran gelegen sein, dass in den Amtsstuben der politische Wille schnell und korrekt umgesetzt wird. – Ansonsten brauchen die Leipziger nämlich keinen Oberbürgermeister und keinen Stadtrat mehr.”

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