Das Gebäude an der Lortzingstraße 3 wird saniert, ein hübscher, neugebauter Rundbau auf dem verfügbaren Platz davor kommt hinzu und die Diskussionen rings um die Zukunft des Naturkundemuseums sind beendet. Wie auch beim ehemaligen Bowlingcenter befinden sich alle Flächen in städtischem Besitz, Zukäufe sind wohl nicht nötig. Und der Leipziger Zoo als sozusagen lebendiger Spiegel der Naturkunde ist Luftlinie nur 450 Meter entfernt. Warum also in die Ferne schweifen?
In erster Linie wohl, weil das Gebäude alt ist und eventuell einer grundhaften Sanierung entgegensieht. Als es 1838 als II. Höhere Bürgerschule gebaut wurde, hat kein Statiker so richtig geahnt, was da alles auf dem ehemaligen Königsplatz und heutigem Gördeler-/Ecke Tröndlinring auf das Gemäuer zukommt. Bereits “1968 wurden erste Risse zwischen Geschossdecke und Westgiebel festgestellt”, wie es im Masterplan der Stadt Leipzig heißt. “Ab 1982 wurden im Ostgiebel stärkere Rissbildungen beobachtet, die seit Anfang 1984 in Anzahl und Öffnungsweite progressive Tendenzen aufweisen.” Es arbeitet also bis heute mächtig in den mit Holzbalken gefertigten Decken des Gebäudes.
Die weichen Gesteinsschichten Leipzigs oberhalb der tragfähigen Kies- und Sandschicht sind es, die dem dafür nur unzureichend ausgelegten Fundament zu schaffen machen – die beständigen Erschütterungen durch Bahn- und Autobewegungen auf dem viel befahrenen Leipziger Stadtring kommen noch hinzu. Was derzeit eine geringe Lastmöglichkeit für die Böden aller Etagen ergibt. 200 Kilogramm pro Quadratmeter sind wohl keine gute Voraussetzung für Exponate, Besucher und Vitrinen. Hinzu kommen die bereits oft beschriebenen Brandschutzmängel, welche derzeit nur notdürftig gerichtet wurden. Wie auch das ehemalige Bowlingcenter nicht barrierefrei, mit unzureichenden klimatischen Bedingungen, ist der denkmalgeschützte Bau auch zu klein für die zukünftigen Herausforderungen eines modernen Naturkundemuseums.
Um runde 1.800 Quadratmeter zu klein übrigens. Also kommen, wie auch am Bowlingtreff, ein Neubau und in Teilen unwägbare Sanierungsarbeiten hinzu. Was dann Investitionskosten (wieder auf das Modellhaushaltsjahr 2015, wie in allen Modellen angenommen, gerechnet) in Höhe von 15,826 Millionen und damit 3,529 Millionen mehr als beim derzeit günstigsten Vorschlag, dem Bowlingcenter auf dem Leuschnerplatz zustande. Wobei am Leuschnerplatz Wassereindringungen und Neubau den Preis beim Umbau oder auf Dauer durch Anmietungen nach oben treiben könnten. Doch auch der alte Standort bietet solche Probleme.
Deshalb sollte man sich den Plan genauer ansehen. Der derzeit als Rundbau skizzierte Neubau könnte das Foyer mit Kasse, die Zentralinszenierung, den Sonderausstellungsbereich, Shop und Café aufnehmen, während das sanierte alte Gebäude selbst Büros, Werkstätten und das Magazin aufnehmen könnte. Dass die Besucherströme dann nicht mehr ausschließlich durch den Altbau rollen würden, wäre also gegeben, die Belastungen für Fundament, Mauern und Decken würden sinken. Zudem möchte man Stahlbetonstützen und -pfeiler einbauen, um nicht nach wenigen Jahren erneut nachbessern zu müssen.
Die höhere prognostizierte Refinanzierungsquote von 28,5 Prozent spricht aufgrund der geringeren zukünftigen Energiekosten an diesem Standort ebenfalls eher für die Lortzingstraße, als für den Tiefbau Bowlingcenter. Wenn auch nur marginal. Der jährliche Zuschuss der Stadt läge somit wohl nur bei 960.872 Euro, was den Verbleib auf Dauer preiswerter für die Stadt machen würde. Und um eine noch völlig offene Umnutzung des Baus würde ebenso entfallen. Sinnfällig ist auch die Nähe zum Leipziger Zoologischen Garten, Parkplätze gibt es ausreichend in der Umgebung, die Anbindung an den ÖPNV ist hervorragend. Im Übrigen haben altbekannte Standorte den Vorteil, Generationen von Besuchern im Gedächtnis zu sein. Also bauen wir doch so und vergessen das Herumsuchen nach Alternativen?
So einfach ist es angesichts der derzeit prognostizierten Investmentkosten bis zur Fertigstellung, der vorgeblich längeren Bautätigkeit auf weichem Grund und den lauernden Überraschungen im Fundament des Gebäudes dann doch nicht.
Bleibt der Bau im und am Bowlingcenter auch bei vertiefter Betrachtung 3,529 Millionen preiswerter, bräuchte man bei gleichen Zuschüssen der Stadt in Höhe von einer runden Million im Jahr runde 75 Jahre – frei nach Milchmädchen und ohne Glaskugel -, bis die Lortzingstraße die höheren Baukosten wieder eingespielt hätte. Im Weiteren prognostizieren die Studienmacher eine längere Bauzeit, da nur nacheinander gebaut werden könne. Erst der Neubau, dann Umlagerung der Exponate in diesen und anschließend die Sanierung des Altbaus.
Das Milchmädchen wohl deshalb, weil es natürlich auch eine Besucherprognose nach Fertigstellung gibt. 140.000 Besucher für beide Standorte sollen erreichbar sein – was bei aller Weitsicht niemand behaupten, sondern ebenfalls nur annehmen kann.
Naturkundemuseum (1): Synergiehoffnungen am Leuschner-Platz – Ein Museum geht unter Tage
Bei der Vorstellung der sieben ins Auge …
Sieben Standorte fürs Naturkundemuseum: “Ein offener Dialog ist ausdrücklich gewünscht”
Es geht immer rasch mit den Gerüchten …
Kein Erbbaurechtsvertrag fürs Bowlingzentrum: Kulturdezernat möchte hier gern das Naturkundemuseum unterbringen
Man muss nur neugierig sein …
Um diese Annahmen zu unterlegen, findet sich im Masterplan Naturkundemuseum eine Umfrage. So wurden “20 Naturkundemuseen in ganz Deutschland befragt; sie weisen alle eine Besucherquote von mindestens 20-30 Prozent der Einwohnerzahl auf.” Dies erscheine auch für Leipzig realistisch und ergäbe bei angenommenen 25 Prozent also eben jene 140.000 pro Jahr. Natürlich nur bei richtigem Standort. Diese hohe Quote gestanden die Macher der Studie nur der Lortzingstraße, dem Leuschnerplatz und einem Neubau im zentralen Museumswinkel (Katharinenstraße) zu. Bei allen anderen Standorten geht man hingegen nur von 100.000 jährlichen Gästen des neuen Naturkundemuseums aus.
Was bei all diesen Überlegungen für und wider einen Verbleib oder einen Neuanfang an anderer Stelle noch eine Rolle spielen könnte, darum geht es im dritten Teil. Dann wundert sich die L-IZ über den überraschenden Wegfall der preiswerten Neubauidee in der Rudolphstraße im Fazit der Studie und träumt ein wenig von einem Museum am Stadthafen. Und geht der Logik eines Museumsquartiers im Zentrum der Stadt und damit der mit 25 Millionen teuersten Idee des Masterplans nach.
“Vis á vis zum Leipziger Rathaus, am Wald oder alles auf einem Platz: Drei Neubauideen zwischen machbar und utopisch” in wenigen Stunden auf L-IZ.de.
Die Draufsicht Standort Lortzingstraße als PDF zum download.
Der Lortzingstraße Neubau Innen als PDF zum download.
Die Details zum Neubau Lortzingstraße als PDF zum download.
Die Visualisierung Neu- und Altbau des Naturkundemuseums als PDF zum download.
Naturkundemuseum (1): Synergiehoffnungen am Leuschner-Platz – Ein Museum geht unter TageÂ
Keine Kommentare bisher