Es ist eine dauerhafte Gefahrenstelle - der Radweg vor dem Hauptbahnhof Leipzig. Er ist auch ein Beispiel dafür, wie wenig heutige Verkehrsplaner in der Lage sind, nichtmotorisierte Verkehrsarten zu entflechten und Übergänge zu denken. Man redet gern von "Übergangsstellen". Aber wo welche sind, wird's brandgefährlich.
“Der vor dem Hauptbahnhof entlang führende Radweg ist nicht gut sichtbar vom Fußweg abgegrenzt”, schreibt die SPD-Fraktion in einem eigenen Haushaltsantrag. “Dadurch wird dieser Radweg von den Menschen, die aus dem Hauptbahnhof kommen und den Willy-Brandt-Platz überqueren wollen, häufig übersehen. Infolge dessen entsteht sowohl für die Radfahrer als auch für die Fußgänger, besonders im Bereich der Fußgängerampeln, eine Gefahrenlage, die jedoch zügig und kostengünstig durch eine farbige Markierung des Radweges gemildert werden kann.”
Man fühlt sich ins Jahr 2006 zurückversetzt, als die neue Haltestelle der LVB mit viel Bombast in Betrieb genommen wurde und die ewig nörgligen Journalisten auf all die ungelösten Übergangsprobleme aufmerksam machten. Die Fußgänger wollen ja nicht nur den Willy-Brandt-Platz überqueren. Viele wollen schnellstens zu ihrer Straßenbahn, die seltsamerweise immer genau dann losfährt, wenn der Fußgängerüberweg “Grün” bekommt. Man hat die Bahnen in den motorisierten Verkehrsfluss eingetaktet – die Fußgänger und potentiellen Bahnnutzer waren den Planern wie so oft völlig egal.
Doch wer den Fußgängerfluss an den Übergängen vor dem Hauptbahnhof beobachtet, sieht: Auch der Fußgänger hat es eilig. Wer vom Bahnhof kommt, weiß, das er nur eine Chance hat, wenn er bei “Rot” über den Überweg rennt. Es sei denn, er hat die Ausgeglichenheit eines Buddhas und wegfahrende Straßenbahnen sind ihm schnuppe. Aber auch wer bei “Grün” geht, hat ein Problem: Der Fußgängerstrom trifft fast sofort auf die abfahrende Straßenbahn, oft genug auch noch auf Bahnen aus der Gegenrichtung. Die Probleme auf der Haltestelleninsel sind genauso ungelöst wie die am Fahrbahnrand.
Dass der Radweg, der vorm Hauptbahnhof entlang führt, überhaupt nicht hervorgehoben ist, muss das Werk eines Stadtgestalters gewesen sein, der nie zu Fuß geht. Der auch nie eine Straßenbahn erreichen möchte. Eigentlich verläuft der Radweg direkt neben der Fahrbahn. Das ist nur logisch, wenn es keinen Fußgängerüberweg gäbe. Denn auch wenn Passanten, die wissen, dass dort ein Radweg ist und alle paar Sekunden ein eiliger Radfahrer von rechts oder links kommt – brav stehen bleiben an jenem schmalen Streifen im Pflaster, der Fuß- und Radweg teilen soll – die Eiligen stellen sich doch wieder an den Bordstein. Und Eilige gibt es auf Bahnhöfen und an Haltestellen immer.
Oder noch deutlicher: Sie sind die Hauptnutzer von Übergangsstellen.
Weswegen ja die gut bezahlten Verkehrsexperten der Stadt und ihres Logistikdienstleisters alle Nase lang von diesen Übergangsstellen reden und dass diese ausgebaut und barrierefrei werden müssten und dass man dazu eine ganze Menge Geld brauche.
Stimmt natürlich nicht.
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Eigentlich wäre es längst notwendig …
Man braucht zuallererst ein bisschen Menschenverstand. Menschen sind keine Maschinen und keine Kunstprodukte. Jeder Landschaftsgärtner weiß das. Wenn er die Wege, die seinen schön geplanten Park mit Wiese queren, nicht so legt, dass Fußgänger auf schnellste Weise von einem Knotenpunkt zum nächsten kommen, dann entsteht binnen kürzester Zeit ein Trampelpfad. Mitten über die Wiese.
Vorm Hauptbahnhof entstehen aus gleichem Grund immer wieder Karambolagen und Schrecksekunden. Ob eine Markierung des Radweges genügt, dürfte zumindest fraglich sein. Die SPD erwägt ihn nur als Möglichkeit einer schnellen Lösung. Damit schließt man nicht aus, dass er dennoch von eiligen Reisenden verstellt ist, die auch nicht unbedingt damit rechnen können, dass Radfahrer hier auch von rechts kommen können.
Im Grunde muss das ganze Wege-System vorm Hauptbahnhof noch einmal kritisch unter die Lupe genommen werden. So, wie es jetzt ist, ist es nur ein Hasardspiel auf Zeit. Und irgendwo auch der Schönheitswahn eines Gestalters, der in einem seltsamen Seminar gelernt hat, dass man Verkehrstrassen verstecken muss, damit sie nicht so stören. Doch das wird in einem Verkehrsknoten mit unterschiedlichsten Geschwindigkeiten und unterschiedlichsten Lauflinien zum Problem. Ein nun schon recht bejahrtes Problem, das sich freilich verschärft, je mehr Leipziger mit Rad unterwegs sind.
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