Insgesamt 33 Bäume und 1935 Sträucher werden ab dieser Woche in Großzschocher gepflanzt. Sie werden im Auftrag der Stadt Leipzig auf den öffentlichen Grünflächen in der Neubauernsiedlung südlich des Lausner Weges ausgebracht. "Das Ziel ist eine dynamische naturnahe, artenreiche Pflanzengesellschaft", teilt das Umweltdezernat dazu mit.

In diesem Teil des Leipziger Südwestens ist klar zu erkennen, wo Grünau aufhört und Großzschocher anfängt. An die Südseite des Lausner Weges schließt sich ein stillgelegter Bahndamm an. Zusätzlich zu dem Schotterwall markiert eine Fernwärmeleitung die Flurgrenze zwischen Grünau und Großzschocher. Dort, wo die Neubauernstraße vom Lausner Weg abzweigt, erhebt sich die Doppelröhre, als wäre sie ein Stadttor.

Die Anwohner am Neubauernweg haben zwar in den letzten Jahren irgendwann mal neu gebaut, sind aber keine Neubauern im eigentlichen Sinne. Denn Neubauern sind gemeinhin jene, die sich auf neuem Land eine wirtschaftliche Existenz in Form eines landwirtschaftlichen Familienbetriebes aufbauen konnten oder sollten.

In diesem konkreten Fall handelt es sich um einen Begriff aus der frühen Nachkriegsgeschichte dieser Region. Aus der Zeit nach 1945 also, als in der Sowjetischen Besatzungszone landwirtschaftlicher Besitz über 100 Hektar entschädigungslos enteignet und unter Neubauern aufgeteilt wurde. Neubauern konnten neben Landarbeitern aus der Region eben auch Vertriebene sein, die aus den ehemaligen deutschen Ostprovinzen nach Sachsen kamen. Vertriebene durften zwar in diesen Breiten damals nicht Vertriebene heißen, mussten nichtsdestoweniger gesellschaftlich integriert werden. Da bot sich diese Art der Landnahme als eine Möglichkeit an.
Das Ganze diente natürlich übergeordneten gesellschaftspolitischen Zielen. Den einen galt die Bodenreform als legitimer Schlussstrich unter die Epoche des Grundgrundbesitzes. Andere sahen die Enteignung von Junkern als soziale Voraussetzung dafür an, dass eine Wiederkehr der NS-Herrschaft keine soziale Basis mehr habe.

Und schließlich dürfte der eine oder andere der damaligen Akteure davon ausgegangen sein, dass die Bodenreform eine notwendige Voraussetzung einer kommenden gesellschaftlichen Umwälzung nach sowjetischem Vorbild ist. Als dann 1990 auch mit der Sowjetunion die Bedingungen für die deutsche Einheit verhandelt wurden, bestand Moskau ausdrücklich auf der Festschreibung der Ergebnisse der Bodenreform. So steht es deshalb in dem einschlägigen Vertragswerk.

Eben solche Neubauernstellen entstanden weiland auch am Lausner Weg. Deshalb die Straßenbezeichnung.

Nach 1990 kamen auf den Feldern am südwestlichen Stadtrand der weit verbreitete Wunsch nach einem frei stehenden Einfamilienhaus mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zusammen, die diese Wohnform nachgerade als Leitbild ansieht. Aus dem Neubauernland wurde Bauland.

Die Ursprungsplanungen mit Reihenhausbebauung wurden wegen mangelnder Nachfrage bald verändert. Solche Änderungen der Bebauungspläne kamen in Leipzig auch an anderer Stelle vor. Für den Bauspar-Klassiker EFH fanden sich dann auch an der Neubauernstraße schnell Käufer und Bauherren.

In den dritten Bauabschnitt des Areals wird nun “eine dynamische naturnahe, artenreiche Pflanzengesellschaft” verbracht, wie es das städtische Umweltdezernat mitteilt. Insgesamt 33 Bäume und 1935 Sträucher werden bis zum Einbruch des Winters die Vegetation ergänzen, die die Anwohner bereits in Eigenregie in den Boden gebracht haben. Für die öffentlichen Flächen entlang des Verbindungsweges zwischen Neubauernstraße und Rapsweg habe man Wildgehölze mit Blüten und essbaren Früchten ausgewählt, wie Spilling, Haferschlehe, essbare Eberesche und Vogelkirschen, heißt es aus dem Rathaus.

Die 72.000 Euro für die Pflanzaktion kommen aus dem Etat des städtischen Liegenschaftsamtes. Nach den inhaltlichen Vorgaben des Amtes für Stadtgrün und Gewässer werden das Grimmaer Landschaftsplanungsbüro Dr. Bormann & Partner GmbH und die Firma Dr. Alex aus Döbrichau das Projekt umsetzten.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar