"Leipziger Westen. Aufstieg und Glanz um 1900", so heißt die neue Ausstellung in den Räumen des Ökumenischen Kirchencafés an der Lindenauer Liebfrauenkirche, Karl-Heine-Straße 110. Bis September 2013 sind neben zehn Schautafeln viele Originalexponate aus der Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende zu sehen - mittwochs, donnerstags und freitags.

Die Zeit der vielen Erfindungen und des Fortschrittsfanatismus sei die Epoche um 1900 gewesen, sagte Angelika Pohler am vergangenen Dienstag in den Räumen des Lindenauer Kirchencafés. Hier, in dem Gebäude der katholischen Liebfrauenkirche, besteht seit 2010 ein Ökumenisches Begegnungszentrum. Die Dokumentation der Geschichte des Leipziger Westens ist ein Teil der Arbeit der engagierten Christen der beiden großen Konfessionen.

Über den Aufstieg des Leipziger Westens zu einer der führenden Industrieorte Kontinentaleuropas im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert lässt sich vieles berichten. Rund um das Fabrikenareal in Lindenau und Plagwitz zog damals urbanes, großstädtisches Leben ein.
Genau davon erzählt die Ausstellung “Leipziger Westen. Aufstieg und Glanz um 1900”, die am 2. Oktober 2012 eröffnet wurde. Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftswerk der Geschichtsfreunde des Kirchencafés um Projektleiterin Angelika Pohler mit vielen Partnern aus den Stadtteilen und der Gesamtstadt. Straßenbahnfreunde, Sporthistoriker, Kleingärtner, Kulturliebhaber sind darunter. Der Konsum Leipzig, das Diakonissenkrankenhaus und fünf Kirchgemeinden tragen das Projekt mit.

Um Glorifizierung vermeintlich guter, alter Zeiten geht es dabei nicht. Obrigkeitsdenken hätte die damalige Gesellschaft geprägt, die Prügelstrafe gehörte in der Schule zum schlechten Ton, Frauen hätten damals noch ganz elementar um ihre Rechte kämpfen müssen, erinnerte Ausstellungsmacherin Pohler.

Dass Industrialisierung und Urbanisierung damals herbe Schattenseiten aufwies, sprach Hans-Christoph Runne, ganz offiziell Pfarrer im Ruhestand, unumwunden aus. Diakonissenhäuser entstanden damals “dort, wo die Armut zu Hause ist”, 1891 eben auch in Leipzigs Westen, so der Geschäftsführer des evangelischen Krankenhauses in der heutigen Georg-Schwarz-Straße. Auch heute geht es nach den Worten Runnes darum, die medizinische Versorgung für jedermann zu sichern und einen Ausgleich zu schaffen zwischen Arm und Reich.
Der Erfindungsreichtum im Leipziger Westen war damals nicht nur auf die gewerbliche Produktion und verkehrliche Lösungen beschränkt. Im Jahre 1884 die Gründung des “Consum-Verein für Plagwitz und Umgegend” und der ersten Warenabgabestelle. Um gute und preiswerte Lebensmittel für die Arbeiterschaft sei es dabei gegangen, betonte Angelika Pohler. Dieses von sozialdemokratischem Gedankengut inspirierte Projekt sei alsbald “groß und berühmt” geworden.

In der Tat: Leipzig wurde auch innerhalb der Konsumgenossenschaftsbewegung zum Trendsetter. Die im Jahre 1930 eingeweihte Konsumzentrale an der heutigen Industriestraße versinnbildlicht noch heute die späteren Dimensionen dieses Reformprojekts.

Die “Zeit, die so hoffnungsvoll begann” brach 1914 mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges jäh ab – auch diesen Zusammenhang blendete Angelika Poler nicht aus.Wie es jedoch bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Leipziger Westen zu glänzen begann, davon legen die zehn Schautafeln ein beeindruckendes Zeugnis ab. Da geht es um das “Haus Dreilinden”, dessen Zukunft als Spielstätte der heutigen Musikalischen Komödie gerade wieder einmal ungeklärt ist. Daneben informiert eine Tafel über die Anbindung von Lindenau und Plagwitz an das Leipziger Straßenbahnnetz, anfänglich noch als Pferdebahn. Vom Konsum-Verein war schon die Rede.

Den Friedhöfen der schnell anwachsenden Industrieorte und den neu entstehenden Kirchgemeinden sind zwei weitere Schautafeln gewidmet. An die alte Pracht des Leipziger Westens erinnern der später abgerissene Palmengarten und das historische Lindenfels. Hinzu kommt eine Hommage an die Anfänge der Kleingartenbewegung und eine Schautafel über das Diakonissenkrankenhaus.

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Schließlich ist eine Tafel dem Sport im Leipziger Westen um 1900 gewidmet. Doch diese Geschichte wird an dieser Stelle noch gesondert erzählt.

Ein Gefühl für die damalige Zeit vermitteln auch die Originalexponate, die viele Partner zur Verfügung stellten: einen vormals modischen Zylinder samt Gehstock, eine Schaffnertasche der Pferdebahn, einen Schieber aus dem Krankenhaus, eine – leere – Bierflasche des Konsumvereins sowie ein Gebetbuch der evangelisch-lutherischen Nathanaelgemeinde und ein Abendmahlkelch der katholischen Liebfrauengemeinde beispielsweise.

Geöffnet ist die Ausstellung immer mittwochs, donnerstags und freitags, von 15 bis 18 Uhr. Noch bis September 2013. Dann soll die nächste Ausstellung folgen. Mit dem für Leipziger Verhältnisse dann wohl unvermeidlichen Thema Völkerschlacht.

www.kirchencafe.net

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