Am Dienstag, 25. September, öffnen die neuen "Höfe am Brühl". "Leipzig kann sich darüber nicht freuen", findet Wolfram Günther, Sprecher des Stadtforums Leipzig. Wenig tröstlich sei, dass es noch schlimmer kommen sollte. Das Stadtforum sieht im entstandenen Gebäudekomplex ein architektonisches Ungetüm, das keine Chancen hat, ein lebendiges Stadtviertel entstehen zu lassen.
“Der Investor mfi hatte ursprünglich einen reinen Zweckbau in der Art des Paunsdorf Centers geplant. Hier ist es gelungen, einen Architekturwettbewerb durchzusetzen, die alte Plauensche Straße im historischen Verlauf wieder aufleben zu lassen und eine überhastete Bebauung des alten Matthäikirchhofs für Ausgleichsflächen (Wohnen) aufzuhalten”, so Günther. “Dennoch ist im Ergebnis ein architektonisches Ungetüm entstanden. Die riesigen Baumassen und die Anforderungen des Investors haben keine zufriedenstellende Lösung zugelassen. Der Bau ist vor allem nach Innen orientiert und zudem weitgehend ein gewaltiges Parkhaus und so sieht er auch aus.”
In Leipzig herrsche zudem kein Mangel an Verkaufsflächen. Jetzt beginne eine neue Runde im innerstädtischen Verdrängungswettbewerb. Gefährdet seien nun einige der nur schwer konsolidierten Einkaufslagen in den Straßen und Passagen der Innenstadt. Ebenfalls erhöhe sich der Druck auf “Karstadt” und die “Promenaden im Hauptbahnhof”.
Günther verweist auf eine besondere Facette im jüngeren Aufwertungsgeschehen der Leipziger City: In zahlreichen Fällen war die Modernisierung innerstädtischer Verkaufsflächen mit einer weitgehenden Entkernung der historischen Bauten verbunden.
“Diesen Verlusten jahrhunderte- oder jahrzehntealter einmaliger Bausubstanz könnte nun bald der Leerstand nicht nur dieser monofunktionalen Neubauflächen folgen, sondern auch der erst seit wenigen Jahren wieder lebendiger Innenstadtlagen überhaupt”, befürchtet Günther. “Nicht auszuschließen ist ein mittelfristiger Niedergang der Promenaden im Hauptbahnhof, womit langfristig selbst der Bestand des schon lange nur noch im Nebenzweck dem Bahnverkehr dienenden Gebäudes zu befürchten ist.”
Vertan wurde am Brühl selbst die Chance, auf den insgesamt 52 Vorkriegs-Grundstücken ein lebendiges und vielfältiges Stadtviertel wieder erstehen zulassen. “Ein solches Viertel, bebaut und genutzt durch eine Vielzahl von Eigentümern hätte erfahrungsgemäß gegenüber dem jetzt entstandenen monofunktionalen Riesenklotz auch erheblich höhere Zukunftschancen”, stellt Günther fest. Aber diese Art Denken ist bei den üblichen Großinvestoren noch längst nicht angekommen.
Und auch der “Verlust der herrlichen Hänsel-Kaufhausfassade von 1908 des alten Kaufhauses am Brühl”, schmerzt beim Stadtforum. “Der Abbruch dieser seit den 1960er Jahren unter dem Blech der Blechbüchse verborgenen Fassade war nur deshalb möglich geworden, weil Öffentlichkeit und Denkmalpflege frühzeitig über den wahren Erhaltungszustand getäuscht worden waren”, so Günther. “Der dann in mehreren Aktionen, Wortmeldungen und Unterschriftenlisten geäußerte Wunsch zahlreicher Leipziger für den Erhalt wurde ignoriert. Nun befindet sich unter dem wieder angebrachten Blech die hochbunkerartige Betonfront eines Parkhauses.”
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