Am Dienstagmorgen eröffneten die "Höfe am Brühl". Mit großem Konzert vom Werbepartner LVZ gefeiert. Manche Leipziger haben es ja schon mitbekommen: Bauherr und Centerbetreiber mfi und Leipzigs konsumfreudige Tageszeitung sind schon längst ein Team. Und wenn es um gemeinsame Geschäfte geht, findet sich auch schnell ein politischer Partner: die CDU.

Schon im August brachte die CDU-Fraktion einen Antrag ins Verfahren, der auf die Änderung des Bauplanes und eine neue Werbesatzung für die Innenstadt zielte. Der Grund: die Pläne von mfi, an der Nordseite der “Höfe am Brühl” Richtung Gerberstraße eine riesige Videowand zu installieren, die die sensible Kreuzung am Ring das ganze Jahr über mit Werbung und Infotainment bespielen soll. 60 Prozent Werbung ungefähr, 40 Prozent Infotainment vom Werbepartner LVZ.

48 Quadratmeter groß soll die Videowand werden, für die die Lücke in der Fassade schon gelassen ist, die Technik fehlt noch.

Für die Innenstadt gilt bislang: 8 Quadratmeter sind das Maximum. Das reicht für eine ordentliche Leuchtreklame – die Stadt verwandelt sich abends nicht in ein zweites Tokyo oder New York. Was übrigens auch Aufenthaltsqualität ist. Mit der Riesen-Videowand würde mfi einen Präzendenzfall schaffen. Das Thema war schon mehrfach bei Gesprächen zwischen mfi und Stadtverwaltung auf dem Tisch. Denn ein erster Knackpunkt ist natürlich: In den Architekturentwürfen war diese Riesen-Videowand nicht vorgesehen. Sie wäre auch nicht genehmigungsfähig gewesen.

In einer ersten Absprache gestand die Stadtverwaltung mfi zu, bestimmte Saisonwerbungen am Gebäude mit so genannten “Blow ups” zu bewerben, die durchaus auch mal 48 Quadratmeter groß sein durften. Das sind die Riesenposter, die man meist an Baustellen-Gerüsten hängen sieht. Und das für sechs Wochen im Jahr. Vielleicht auch ein bisschen mehr. Von zwölf Wochen war wohl auch schon die Rede. Das nennt man einen kleinen Finger. mfi nahm die ganze Hand. Aus den gewünschten “Blow ups” wurde eine Videowand in derselben Größe. Irgendwie scheint selbst das die Verwaltung nicht ganz abgeschreckt zu haben. Es soll eine Absprache geben, die sozusagen die Verwandlung der abgesprochenen “Blow up”-Werbung in Videowand-Werbung akzeptierte. An sechs Wochen im Jahr. Vielleicht auch zwölf.

Aber da hatte mfi schon die LVZ als Content-Partner im Boot, wie das heute so schön heißt. Content aber lohnt sich nicht, wenn die Videowand 50 oder 44 oder 40 Wochen im Jahr schwarz bleibt. Also beackerten mfi und LVZ die Stadtverwaltung, eine Genehmigung fürs ganze Jahr zu geben.

Verstößt aber eindeutig gegen den B-Plan. Also rief man wohl bei der CDU-Fraktion an und bat um Schützenhilfe. Die CDU-Fraktion beantragte wie gewünscht. Der Antrag wandert seitdem durch die Gremien. In seiner letzten Sitzung behandelte auch der Fachausschuss für Stadtentwicklung und Bau den Antrag. mfi und LVZ hatten sogar innigst darum gebeten, ihre Vorstellungen vor dem Ausschuss vortragen zu dürfen. Sie durften. Doch sie stimmten, wie man hört, den Ausschuss nicht um, der der Stadtverwaltung mehrheitlich den Rücken stärkt.

Aus mehreren Gründen. Er ist nicht nur ein Präzedenzfall für Leipzig. Es ist auch für den Standort ein Präzendenzfall, denn der Riesenbildschirm wirbt ja nicht im leeren Raum. Er ist mitten in den Verkehr auf einer der sensibelsten Kreuzungen Leipzigs ausgerichtet. Wer von Norden kommt, sieht direkt auf die Leuchtfläche. Aber auch aus Osten und Westen fällt der flackernde Bildschirm in den Blick. Da ist eigentlich vorprogrammiert, dass es an dieser Kreuzung regelmäßig scheppert.Am Montag, 24. September, sechs Tage nach der Ausschusssitzung und einen Tag vor Center-Eröffnung, machte die CDU-Fraktion erneut Druck. Die Fraktionsvorsitzende Ursula Grimm schrieb einen Brief an OBM Burkhard Jung, der per Verteiler auch an den Baudezernenten und die anderen Fraktionen ging. Er beginnt schon mit der recht eigenen Behauptung, die Diskussion um die Videowand sei “seltsam”. Die CDU-Fraktion war augenscheinlich einer Einladung von mfi und LVZ gefolgt, hatte sich vor Ort alles angeschaut. Und nun bekam der OBM noch einmal die Argumente vorgesetzt, mit denen mfi und LVZ versuchen, ihr Werbe-Projekt in XXL zu begründen:

“1. Die Videowand wirkt nicht in die Innenstadt, den Geltungsbereich der Gestaltungssatzung, hinein, sondern über den Ring nach außen.

2. Diese Videowand ist der zeitgemäße und hochwertige ‘Ersatz’ für die vormals an diesem Verkehrsknoten befindliche Videowand am Robotrongebäude.”

Nur strahlte diese Videowand nicht in den direkten Kreuzungsverkehr hinein und befand sich tatsächlich außerhalb der Innenstadt.

Die CDU wundert sich freilich: “Es ist verwunderlich, dass einerseits die Bauverwaltung die ganzjährige Nutzung der Videowand versagt und andererseits durch LTM die Nutzung dieser zum Lichtfest und zu anderen Zwecken des Stadtmarketings bereits beim Betreiber angefragt wird.”

Wenn das so ist, sollte man sich darüber wirklich wundern.

Aber noch verwunderlicher ist die Forderung, die die Fraktion als Abschluss bringt: “Wir fordern Sie somit auf, die ganzjährige Nutzung der Videowand an den Höfen am Brühl umgehend und zeitlich unbefristet zu genehmigen …”

Mehr zum Thema:

Leuchtreklame am Hallischen Tor: CDU kämpft für LVZ-Riesen-Werbung

Vielleicht hat die CDU-Fraktion ja recht …

Das ist der Ton einer weisungsberechtigten Behörde. Wenn Burkhard Jung an der Stelle nicht sofort strammgestanden hat, hat er bestimmt Rückgrat. Oder er hat einfach den Kopf geschüttelt, denn noch ist ihm die CDU-Fraktionsvorsitzende nicht vorgesetzt und weisungsberechtigt. Dass sie mittlerweile ihre Schwierigkeiten mit den demokratischen Abstimmungswegen in einer Kommune hat, zeigt dann der zweite Teil des Satzes: “… bzw. uns kurzfristig mitzuteilen, welche Ratsbeschlüsse ggf. zu fassen sind.”

Das ist dann wieder Untertanenton. Oder der Tonfall einer Fraktion, die für ihren selbstgestellten Antrag keine Mehrheit im Stadtrat sieht. Das Erstaunliche ist: Ursula Grimm zitiert dann auch noch den ehemaligen OBM von Stuttgart, Manfred Rommel: “Provinz ist keine Landschaft, sondern ein Zustand.”

Das trifft dann wohl nicht nur auf Einkaufs-Center zu, sondern auch auf Parteien.

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