Rene Hobusch wird wohl kein Freund mehr der jetzt begonnenen Entwicklung des Lindenauer Hafens nebst Kanaldurchstich werden. "Erst die Pflicht und dann die Kür", wiederholt der FDP-Fraktionsvize gegenüber L-IZ mit Blick auf den Investitionsstau bei Kitas und Schulen. Den städtebaulichen Ideenwettbewerb hingegen begrüßt der OB-Kandidat.
Herr Hobusch, Sie sind als Ruderer selbst Wassersportler. Was stört Sie dann an dem nun begonnenen Kanaldurchstich am Lindenauer Hafen?
Wenn es die Zeit zulässt, bin ich in der Tat sehr gern auf dem Wasser. Der Kanaldurchstich und die Entwicklung des Lindenauer Hafens sind auch nicht das Problem, sondern deren Finanzierung durch Steuergeld – davon allein 3,8 Millionen aus der Leipziger Stadtkasse.
Qua Gesetz ist Leipzig zur Bereitstellung von ausreichend Schulen und Kitas verpflichtet. Zum Bau eines Kanaldurchstichs gibt es keine gesetzliche Verpflichtung. Daher sagt die FDP-Fraktion, und auch ich ganz persönlich: Erst die Pflicht und dann die Kür.
Würde nach dem Lückenschluss auf dem Lindenauer Hafenareal das bestehende Hafenbecken auch noch mit dem Elster-Saale-Kanal verbunden, wären die Bootshäuser des SC DHfK in Burghausen und am Klingerweg auf dem Wasserwege verbunden. Reizt Sie diese Perspektive nicht?
Natürlich ist der Gedanke reizvoll und Träume sind erlaubt. Aber Politik ist kein Wunschkonzert, sondern alles dreht sich zwangsläufig um eine Frage: Was von dem, was ich gerne hätte, kann ich auch bezahlen? Das ist wie im Privatleben: Natürlich wünschen sich viele Menschen ein neues Auto, ein tolles Fahrrad oder ein eigenes kleines Häuschen. Aber man muss auch in der Lage sein, sich das leisten zu können. Das bringen wir doch auch schon unseren Kindern bei, wenn das Taschengeld alle ist.
Sie wollen die städtischen Eigenmittel des begonnenen Kanaldurchstichs für die Schaffung weiterer Kita-Plätze einsetzen. Inwieweit halten Sie denn die städtischen Anstrengungen beim Kita-Ausbau nicht für hinreichend?
Es geht ja nicht nur um den Kita-, sondern auch um den Schulhausbau. Das sollten wir immer zusammen betrachten. Gerade bei den Kitas – und hier besonders für Kinder von 1 bis 3 Jahren – haben wir geplant zu wenig Plätze. Es gibt aber bislang noch keinen Rechtsanspruch. Der kommt Mitte 2013.
Heute kann das Amt Eltern ohne einen Platz wieder nach Hause schicken und sagen, dass es keine freien Plätze gibt. Das passiert tagtäglich. Ab August nächsten Jahres können sich Eltern ihren Platz einklagen. Heute geht das nur unter bestimmten Bedingungen, beispielsweise wenn die Eltern berufstätig sind unter Verweis auf fehlende Vergabekriterien.
Die Stadt rechnet heute, dass knapp zwei Drittel aller 1- bis 3-jährigen Betreuungsangebote nutzen, im Kindergartenbereich durchschnittlich sogar über 90 Prozent. Das sind aber nur fortgeschriebene Zahlen. Praktisch melden sich jede Woche Eltern – gerade von Kindern im Krippenalter – in unserer Fraktion und suchen Hilfe! Bei der Masse an Rückmeldung sind das keine Einzelfälle mehr.
Was soll aus Ihrer Sicht geschehen?
Hier müssen wir ran – zur Not mit kurzfristigen Überbrückungsmaßnahmen in Form von Modulbauten aber auch durch Ausbau der Tagespflege, also durch noch mehr Tagesmuttis und -vatis.
Was macht Sie zudem so sicher, dass Eigenmittel für zusätzliche Kita-Plätze nicht auch anders als durch den Verzicht auf das Kanalprojekt erwirtschaftet werden können?
Bei der Bildungsinfrastruktur sind die Kitas mit Blick auf den Investitionsbedarf die kleinere Baustelle. Schlimmer sieht es bei den Schulen aus. 20 Schulen bis 2020 ist hier das Stichwort.
Alles in allem reden wir über mehr als eine halbe Milliarde Euro. Und mit den Vorbereitungen müssen wir heute anfangen. Denn das, was heute nicht geplant wird, kann morgen nicht gebaut werden. Für die Planungen gibt es aber keine Fördermittel. Daher bin ich auch sehr froh, dass der Stadtrat mit breiter Mehrheit unserem Antrag gefolgt ist, nicht genutzte Betriebskosten für verspätete Neubau-Kitas in dem Bereich wieder zu investieren.
Normalerweise fließen diese einfach in den Haushalt zurück und können für ganz andere Dinge genutzt werden. Jetzt steht das Geld zusätzlich für Neuplanungen, Erweiterungen und Sanierungen zur Verfügung.
Über welche Beträge reden wir hier?
Hier reden wir über eine Summe im sechs- bis siebenstelligen Bereich. Alles in allem schieben wir einen Berg von mehr als einer halben Milliarde vor uns her. Da wären die 3,8 Millionen für Durchstich und Hafen nur ein kleiner Teil.
Aber was sind die Alternativen? Die sechs Millionen zusätzlich pro Jahr für die Eigenbetriebe Kultur? Die jährliche Million für das Sozialticket? Das sind alles sogenannte Freiwillige Leistungen, also Projekte zu denen Leipzig in keinster Weise verpflichtet ist.
Ich glaube, wir müssen alle miteinander offen diskutieren, was wir uns wirklich noch leisten können – ohne unseren Kindern und Enkeln einen Schuldenberg und eine Ansammlung von Baustellen zu hinterlassen. Dieser Diskussion geht Burkhard Jung offenbar bewusst aus dem Weg – vielleicht aus Angst vor unangenehmen Wahrheiten.
Sie sind der Stadtentwicklungsexperte Ihrer Fraktion. Welche Rolle sollen denn die Leipziger Gewässer als stadträumliche Qualität in Ihren Überlegungen?
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Leipzig war und ist eine Stadt am Wasser mit ganz unterschiedlichen Facetten: auf der einen Seite unberührt, idyllisch und auf der anderen Seite urban und pulsierend. Die Gewässer spielen dabei eine einzigartige Rolle.
Allerdings müssen wir in naher Zukunft dringend darüber diskutieren, wie wir die Gewässer nutzen wollen. Bleibt es beim Muskelantrieb? Soll es Motorboote geben – und wenn ja nur mit Elektroantrieb oder auch mit Verbrennungsmotoren? Diese Frage wird aktuell ausgeblendet. Dennoch bauen wir schonmal einen Hafen.
Es würde mich nicht wundern, wenn die Mehrheit der Leipziger größere Boote mit Verbrennungsmotoren ablehnt. Diese Diskussion hätten wir vor dem Baustart am Lindenauer Hafen führen müssen, damit nicht am Ende in einem millionenteuren Hafen nur ein paar Kanus festgemacht sind.
Wie sollte aus Ihrer Sicht stadtplanerisch mit dem Lindenauer Hafenareal umgegangen werden?
Dass hierfür ein Ideenwettbewerb durchgeführt wurde, ist vollkommen richtig. Die Ergebnisse sind spannend und gehen in eine richtige Richtung. Man muss aber auch wissen, dass sich das alles für Investoren erst ab Nettokaltmieten von 8 Euro aufwärts rechnet. Zu dem Schluss komme nicht ich, sondern ein Workshop der Stadt mit Branchenvertretern. Mit sozialem Wohnungsbau hat das daher nichts zu tun.
Es wird ein durch Steuergeld kofinanziertes Viertel für eine bestimmte Klientel. Ich hätte mir gewünscht, dass man von Anfang an einen Investor oder eine Investorengruppe mit ins Boot holt und diese machen – und bezahlen – lässt. Über einen städtebaulichen Vertrag und Gestaltungswettbewerbe wäre der Einfluss der Stadtverwaltung, aber auch der Leipzigerinnen und Leipziger gewahrt gewesen. Aber man hätte ein Stück weit Kontrolle abgeben müssen. Und das war aber in meinen Augen politisch nie gewollt.
Vielen Dank für das Gespräch.
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