Anfang des Monats hatte schon Leipzigs CDU-Chef Detlef Schubert heftig kritisiert, dass die Stadtverwaltung weiter am Kanaldurchstich zum Lindenauer Hafen festhält. Nun legt auch die FDP-Fraktion nach. Die Sinnhaftigkeit des Projekts stellt auch FDP-Stadtrat René Hobusch nicht in Frage. Doch auch für ihn gibt es derzeit dringendere Investitionsschwerpunkte in Leipzig als nun ausgerechnet die Erschließung des Lindenauer Hafengeländes.

“Es ist aberwitzig: Für kommunale Pflichtaufgaben wie Schulhaus- oder Kitabau fehlt das Geld, aber für ein Prestigeprojekt der Leipziger Stadtplaner sind Millionen auf dem Konto”, sagt der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Leipziger Stadtrat, René Hobusch, zu den Plänen der Stadt zur Realisierung des Lindenauer Hafens und des Durchstichs des Karl-Heine-Kanals. Am 18. Juli stehen sie – in etwas abgespeckter Form – als Fortschreibung der 2. Rahmenvorlage “Entwicklung des Lindenauer Hafens” (RBV-429/10 vom 16.06.2010) auf der Beschlussliste des Stadtrates.

“Wenn diese Fraktionen nun das Millionenprojekt im Stadtrat durchwinken wollen, müssen sie hunderten Leipziger Eltern auch erklären, warum sie weiterhin keine Kitaplätze finden, weil das Geld für den Neubau von Kitas anderswo ausgegeben wird”, sagt Hobusch mit Adresse an die größeren Fraktionen von CDU, Linken, SPD und Grüne, die letztendlich mit der Mehrheit ihrer Stimmen darüber entscheiden, ob die die Vorlage der Dezernate Stadtentwicklung und Bau sowie Umwelt, Ordnung, Sport akzeptiert wird.

“Die Stadt behauptet, die Nutzung des Jessica-Fonds würde kommunale Kreditermächtigungen nicht erhöhen. Aber es bleibt haushaltsrechtlich ein Kredit und erhöht die Verschuldung unserer Stadt. Die Stadtverwaltung wollte uns hierzu keine Aussage geben, weswegen wir die Landesdirektion um Stellungnahme gebeten hatten und eine entsprechende Antwort erhielten”, sagt Hobusch.

In der Vorlage steht, dass “hinsichtlich der Inanspruchnahme des JESSICA-Fonds” die Wirtschaftlichkeit zu prüfen sei.Für Hobusch war aber noch etwas anderes wichtig. Denn die Inanspruchnahme des Fonds würde sich auf die Kreditlast der Stadt Leipzig auswirken.

Bereits am 31. Januar 2012 hatte Hobusch schriftlich beim Oberbürgermeister nach einer haushaltsrechtlichen Bewertung des revolvierenden Fonds “Joint European Support for Sustainable Investement in City Areas” (kurz: JESSICA) nachgefragt.

“Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Haushaltslage der Stadt Leipzig halte ich es für wünschenswert, wenn Sie im Vorfeld eine Stellungnahme der Rechtsaufsicht einholen, inwieweit diese der angedachten Finanzierung auflagenfrei zustimmt. In den Genehmigungsbescheiden der letzten Haushalte hatte die Landesdirektion auch vor dem Hintergrund der Verschuldung der Stadt Leipzig bekanntlich verschiedene Auflagen gemacht. Auch die Genehmigung der zwingend notwendigen Kapitalausstattungsvereinbarung zur Absicherung der KWL war mit erheblichen Auflagen verbunden. Daher gibt es meinerseits erhebliche Zweifel, ob einer weiteren Kreditaufnahme durch die Stadt Leipzig ohne weitere Auflagen zugestimmt werden würde”, schrieb Hobusch damals.

Am 17. Februar 2012 antwortete Baubürgermeister Martin zur Nedden, dass die Stadt in Gesprächen mit der Landesdirektion und dem Freistaat sei. Sofern “greifbare Ergebnisse” vorlägen, “werden diese selbstverständlich auch in den zuständigen politischen Gremien vorgelegt und zur Diskussion gestellt.”

Daraufhin schrieb Hobusch am 20. Februar 2012 an die Landesdirektion und bat dort um eine haushaltsrechtliche Bewertung des Jessica-Fonds. Diese antwortete am 8. März 2012 wörtlich: “Solche zinsgünstigen ‘Förderdarlehen’ stellen haushaltsrechtlich Kredite im Sinne von § 82 der Sächsischen Gemeindeordnung dar. Eine Nutzung des ‘Stadtentwicklungsfonds Sachsen’ [= Jessica-Fonds] – zum Beispiel für die Maßnahme ‘Lindenauer Hafen’ – würde sich somit grundsätzlich auf den Schuldenstand der Stadt Leipzig auswirken.”

Was ihn jetzt ärgert, ist der Satz aus der 2. Rahmenvorlage: “Die Inanspruchnahme des JESSICA-Fonds erfordert keine Erhöhung der kommunalen Kreditermächtigung.”

Viel spannender sind eigentlich die Sätze, die dem in der Vorlage vorausgehen: “Stadtentwicklungsfonds/JESSICA: Zur Zwischenfinanzierung der Baumaßnahme Gewässerverbindung Karl-Heine-Kanal/Lindenauer Hafen können Mittel aus einem bei der Sächsischen Aufbaubank (SAB) eingerichteten Fonds zu einem Zinssatz von 1,2 % genutzt werden. Eine Zusicherung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern (SMI) zur Inanspruchnahme liegt vor.

Der Fonds wird aus speziell dafür vorgesehenen EFRE-Mitteln gespeist. Die Tilgung der Zwischenfinanzierung soll aus Grundstückserlösen erfolgen. Die Zinsbelastungen können im Rahmen der entsprechend 2. Rahmenvorlage verfügbaren kommunalen Eigenanteile gedeckt werden. Die Einordnung in die Kreditlinie ist gesichert.”

Da geht man also schon von relativ zeitnahen Veräußerungserlösen aus. Doch Hobusch zieht auch die Kalkulation der Veräußerungserlöse in Zweifel. “Die Kalkulation wackelt bedenklich – und sie unterliegt einem eklatanten Rechenfehler: Wenn die Stadt 37.200 Quadratmeter vermarkten will und dafür Erlöse von 7,6 Millionen Euro kalkuliert, entspricht das einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von fast 205 Euro. Die Stadt gibt aber als Kalkulationsgrundlage nur 150 bis 200 Euro an. Im direkten Umfeld stehen darüber hinaus nur 50 bis 100 Euro in der Bodenrichtwertkarte. Ich habe die Befürchtung, dass die Zahlen hier einfach nur schön gerechnet wurden, damit es auf dem Papier irgendwie aufgeht.”

Weiter würde laut Hobusch die Stadtverwaltung einen Stadtratsbeschluss missachten: “Mit der 2. Rahmenvorlage schrieb der Stadtrat dem Oberbürgermeister ins Stammbuch: maximal 2 Millionen Euro Eigenanteil. Nun liegen wir bei 3,8 Millionen – als fast dem Doppelten. Mit den Korrekturen bei der Vermarktung werden wir am Ende eher bei 6 bis 7 Millionen liegen”, befürchtet der liberale Stadtrat.

Hobusch forderte Oberbürgermeister Jung auf, die Reißleine für die städtische Finanzbeteiligung am Projekt Lindenauer Hafen zu ziehen: “Die Idee der Entwicklung und des Durchstichs ist reizvoll. Mit Blick auf andere Herausforderungen, die auch per Gesetz eine höhere Priorität genießen, sind Millionen Euro Steuergeld für ein neues Premium-Quartier schwer vermittelbar. Besser wäre es, jetzt die Reißleine zu ziehen und einen privaten Investor für das Projekt zu suchen. Über einen städtebaulichen Vertrag lässt sich der Einfluss der Stadt wahren.”

Der Text der Vorlage: http://notes.leipzig.de

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