Es passte natürlich. Am einen Ende der Straße erklärte Baubürgermeister Martin zur Nedden den wissbegierigen Journalisten, warum die Stadt jetzt auffällige Piktogramme neben die Blindenleitstreifen in der Grimmaischen Straße malen lässt - und 100 Meter weiter stand ein Blumentransporter drauf und ein DHL-Auto parkte mal kurz. Es geht wohl nicht wirklich um die Leitstreifen im Pflaster. Es geht wohl mehr um die tägliche Gedankenlosigkeit der Eiligen.

Dass die Eiligen es sind, die anderen Hürden und Steine und Autos in den Weg stellen – so deutlich sieht man es selten. Doch der Blinden- und Sehbehinderten-Verband Sachsen e. V. kämpfte – unterstützt von der Leipziger Senioren Union, lange vergeblich, um das Dilemma überhaupt in die Köpfe der Verantwortlichen zu bringen. Man war ja so stolz auf die ins Pflaster eingelassenen Streifen. Und wenn nichts drauf steht, finden sich Sehbehinderte mit diesen Streifen so leicht durch die Leipziger Innenstadt, dass es auch für sie eine Freude ist.
Doch nicht nur die regelmäßigen Märkte und Feste sorgten dafür, dass die Streifen unter Buden und Aufstellern verschwanden. Wäre es nur das – es wäre regelbar. Das Marktamt müsste nur ordnend eingreifen. Doch die Rücksichtslosigkeit ist eine tägliche. Lieferfahrzeuge werden auf dem Streifen genauso gedankenlos abgestellt wie Fahrräder. Nun sollen Piktogramme auf dem Pflaster die Eiligen stoppen.

Am Montag, 21. Mai, waren die Arbeiter am Werk und haben in der Grimmaischen Straße und Teilen der Petersstraße die ersten Piktogramme ins Pflaster gebracht, die einen Menschen mit langem Blinden-Taststock zeigen, die den Sehenden auf den Blindenleitstreifen hinweisen.Die speziell für diesen Zweck angefertigten rund 30 mal 30 Zentimeter großen Betonplatten werden in zwei Tranchen geliefert, teilt die Stadtverwaltung mit. In der Grimmaischen Straße werden sie bis zum 25. Mai und in der Petersstraße nach dem Stadtfest bis zum 8. Juni verlegt. Die Kosten betragen rund 14.000 Euro. 14.000 Euro zur Behebung der täglichen menschlichen Rücksichtslosigkeit. Ein stolzer Preis.

Indem der Blindenleitstreifen durch die zusätzliche Markierung mit Piktogrammen für die Sehenden wahrnehmbarer wird, soll verhindert werden, dass er durch parkende Anlieferfahrzeuge, Fahrräder und ähnliche Hindernisse verstellt wird. Leider ist dies immer wieder der Fall, stöhnt es aus dem Baudezernat, obwohl seit dem vergangenen Jahr Schilder in der Grimmaischen Straße und der Petersstraße auf das Blindenleitsystem hinweisen.

Schilder haben nicht geholfen. Helfen da Piktogramme?

Die in heller Farbe gehaltenen Piktogramme kontrastieren deutlich von den schwarzen Betonplatten, auf die sie aufgebracht sind. Diese wiederum heben sich gut vom hellen Granitbelag der Gehbahn ab. Die Platten werden an 14 prominenten Stellen verlegt, die gemeinsam mit der Behindertenbeauftragten der Stadt und dem Blinden- und Sehbehinderten-Verband ausgesucht worden sind.

Die Maßnahme soll die Orientierung und damit die Aufenthaltsqualität für Blinde und Sehbehinderte in der Innenstadt weiter verbessern. Bereits im vergangenen Jahr war das Blindenleitsystem in der Grimmaischen Straße um zusätzliche Aufmerksamkeitsfelder, das heißt Platten mit “Waffelmuster”, ergänzt worden. Damit wurden der Großteil der Straßeneinmündungen und der Haupteingänge zu Einkaufsgelegenheiten sowie der Zugang zur Universität Leipzig “ertastbar”.

Da kann man jetzt mal sehr gespannt sein, ob die wertvollen Piktogramme besser funktionieren als die Schilder, oder ob die Sehenden und Eiligen sich auch dafür wieder als blind erweisen. Dann könnte sich durchaus herausstellen, dass das Nicht-Wahrnehmen kein Problem der Beschilderung ist, sondern das einer Gesellschaft, die vor lauter Eiligkeit das Wesentliche aus den Augen verliert.

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