Nicht nur die Umweltverbände haben so ihre Schwierigkeiten mit dem geplanten Umbau der Karl-Liebknecht-Straße. Auch einige Gewerbetreibene haben - trotz intensiver Bürgerbeteiligung - ihre Bauchschmerzen. Die IHK hat ihre Mitgliedsunternehmen im geplanten Baubereich von Peterssteinweg und südlicher Karl-Liebknecht-Straße schriftlich befragt.

Einbezogen waren die Unternehmen, die in den entsprechenden Bauabschnitten sowie in den dazugehörigen Nebenstraßen angesiedelt sind. Von 646 angeschriebenen Unternehmen haben sich 104 Unternehmen (16 Prozent) an der Befragung beteiligt. Erfragt wurde unter anderem, welche Positionen die IHK zu Leipzig gegenüber den Bauherren vertreten soll und inwieweit die aktuelle Verkehrsplanung Auswirkungen auf das Unternehmen hat.

“Zweifelsfrei sind umfangreiche Reparaturmaßnahmen in den betreffenden Straßen notwendig, da Straßen- und Gleiszustand von erheblichem Verschleiß gekennzeichnet sind”, erklärt Dr. Thomas Hofmann, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Leipzig. “Klar ist aber auch, dass die Baumaßnahmen die Geschäftstätigkeit der Unternehmen einschränken werden. Dies verdeutlichen die im Rahmen der Umfrage geäußerten Befürchtungen der Unternehmen. Deshalb ist es umso wichtiger, die Unternehmen stets rechtzeitig zu informieren, den Bauablauf so zu koordinieren, dass Einschränkungen möglichst gering gehalten werden können, und weitgehend einen ungehinderten Kunden- und Lieferantenzugang zu den Einzelhändlern und Gastronomiebetrieben sicherzustellen.”

Im ersten Moment stutzt man zwar, wenn die IHK zu der Einschätzung kommt: “Die Unternehmen bevorzugen die Beibehaltung der jetzigen Raumaufteilung in beiden Straßen, sowohl was den Fußweg als auch die Fahrbahn mit integriertem Radweg und integrierter Straßenbahntrasse betrifft. Lediglich eine zusätzliche Haltestelle der Straßenbahn wird im vorderen Abschnitt auf Höhe der Münzgasse gewünscht.”

Doch die große Angst der Unternehmen vor einem Umbau der Straße ist verständlich. Die IHK dazu: “Viele Gewerbebetriebe befürchten bei straßenräumlichen Veränderungen negative Folgen für die Geschäftsstraße, zum Beispiel: Wegfall von Parkmöglichkeiten oder Anlieferzonen, Isolierung von Kundenströmen, Einschränkungen des Freisitzes und somit drohende Umsatzeinbußen.”
Damit die Vorstellungen der ansässigen Gewerbetreibenden bei der Auswahl der Planungsvariante entsprechende Berücksichtigung finden, wurden die Ergebnisse in der vergangenen Woche an Martin zur Nedden, Bürgermeister und Beigeordneter für Stadtentwicklung und Bau, versendet. Die IHK zu Leipzig hat auch ihre Bereitschaft angemeldet, im Rahmen des Baustellenmanagements ihre Expertise einzubringen, um die Auswirkungen auf die Unternehmen zu minimieren.

Nicht vergessen: Auch im Interessenbeirat “Karli”, der das Baugeschehen begleiten soll, sind Gewerbetreibende vertreten – drei von 14 berufenen Mitgliedern.

Dass es noch zu einer Variantenänderung kommt, bei der der jetzige Straßenquerschnitt so auch wieder gebaut wird, ist unwahrscheinlich. Stadt und LVB sind bei dem 10-Millionen-Euro-Bauprojekt dringend auf Fördergelder angewiesen. Die gibt es aber im Wesentlichen nur, wenn die Straßenbahn in diesem Straßenabschnitt beschleunigt wird, in der Regel also auf separatem Gleis fährt.

Was dann zum Teil auch erstaunliche Ergebnisse von den befragten IHK-Mitglieder zeitigt: “Die große Mehrheit der Unternehmen wünscht sich bei der bautechnischen Gestaltung der Straßenbahntrasse (Befahrbarkeit und Begehbarkeit) grundsätzlich keinerlei Veränderungen. Lediglich im Abschnitt A1 (Windmühlenstraße – Riemannstraße/Schletterstraße) können sich knapp 20 Prozent der Befragten eine Gleisseparierung vorstellen.” Gerade im Peterssteinweg ist aber eine Separierung der Gleistrasse gar nicht vorgesehen und auch vom schmalen Straßenraum her kaum möglich.
Eine Sicht, die auch deshalb erstaunt, weil die meisten Befragten angaben, über die Planungsvarianten gut informiert zu sein. Aber so gut kann’s nicht wirklich sein

“Hinsichtlich der Straßenbahnhaltestellen wird sich ebenfalls für den Erhalt des Status quo ausgesprochen. Allerdings votieren die Gewerbetreibenden im Abschnitt A1 für die Einrichtung einer neuen Haltestelle (Münzgasse), zumal dort derzeit keine vorhanden ist.”

Genauer: 64,5 Prozent der Befragten halten eine neue Haltestelle an der Münzgasse für sinnvoll. Eine Verlegung der bisherigen Haltestelle “Hohe Straße” weiter nach Süden halten hingegen 67,6 für nicht sinnvoll.

Ein anderes Ergebnis, das die IHK nicht besonders benennt, ist freilich noch augenfälliger: Die meisten Gewerbetreibenden antworten auf die Frage “Hat die aktuelle Verkehrsplanung Auswirkungen auf Ihr Unternehmen, Ihre Kunden bzw. Lieferanten?” mit “Nein”. Die Verneinung schwankt je nach Abschnitt zwischen 54,4 und 57,9 Prozent. Was nicht ausschließt, das dann bei den Begründungen für eine Bejahung die dicken Ausrufezeichen kommen – bei Parkplatzsorgen etwa. Aber auch der Verlust des Boulevardcharakters wird befürchtet, wenn die Bürgersteige enger werden.

Tatsächlich spiegelt auch die IHK-Umfrage das kontroverse Bild, das auch im Interessenforum und im Interessenbeirat zur “Karli” deutlich wurde: Mancher befürchtet, dass jetzige Vorteile der Straße verloren gehen, dass Kundenströme anders fließen oder Kunden ausbleiben, weil sie nicht direkt vorm Laden parken können. Das Problem Anlieferzonen wurde thematisiert. Und selbst zu Radbügeln und Radfahrstreifen wurden die Gewerbetreibenden befragt.

Nicht erstaunlich das Ergebnis: “Bei der Einordnung der “Leipziger Radbügel” wird vorzugsweise auf die Räume zwischen die Baumscheiben verwiesen.” Die Alternativ-Antwort lautete: “direkt auf dem Gehweg”. Aber da würden viele Gewerbetreibende gern den Radweg führen. Knapp 48 Prozent befürworten solche markierten Radwege auf dem Fußweg. Warum, das muss ein Rätsel bleiben. Denn dort kämen die Radfahrer ja nicht nur mit der Laufkundschaft ins Gehedder, sondern auch mit all den Sondernutzungen, die sich die Gewerbetreibenden wünschen – vom Freisitz bis zur Geschäftsauslage.

Nur im Abschnitt Paul-Gruner-Straße – Braustraße/Shakespearestraße befürworten die meisten Gewerbetreibenden deutlich einen Radfahrstreifen auf der Fahrbahn. Die IHK möchte jetzt, dass die Ergebnisse bei der Wahl der Planungsvariante berücksichtigt werden. Aber das werden etliche ja schon: angefangen von den Anlieferzonen möglichst vor den Geschäften, die welche brauchen, über die Parkbuchten zwischen den Baumscheiben … wo es schon wieder spannend wird, denn im am heftigsten diskutierten Abschnitt sind auch die Gewerbetreibenden völlig unterschiedlicher Ansicht.

Es handelt sich dabei um den Abschnitt zwischen Riemannstraße und Paul-Gruner-Straße. Das Parken zwischen den Baumscheiben würden hier 40,9 Prozent der Befragten bevorzugen, 47,7 Prozent sind für das Beibehalten des jetzigen Zustands, der eher ein wilder ist.

Das Fazit ist tatsächlich: Gewerbetreibende haben die unterschiedlichsten Bedürfnisse, die unterschiedlichsten Kunden und die unterschiedlichsten Erwartungen an eine solche Straße. Man kann sie genauso wenig unter eine Klammer fassen wie die Anwohner oder die diversen Verkehrsteilnehmer. Es bleibt ein komplexer Kompromiss, der gebaut werden muss. Und alle Interessen fließen irgendwie ein bisschen ein und ergeben – mit einiger Wahrscheinlichkeit – dann die jetzt diskutierte Planvariante 6.

Die Auswertung der IHK-Umfrage:
www.leipzig.ihk.de/Portaldata/1/Resources//2012-04-04-Auswertung-Karli-Umfrage.pdf

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