So fix ist ein Jahr herum. Vor einem Jahr durften Bürger aus Gohlis am Lärm-Workshop des Ökolöwen "Mach's leiser!" teilnehmen und das tun, was normalerweise ihr gutes Recht ist: Ideen suchen, die den eigenen Ortsteil leiser machen. Und da der Kfz-Lärm die Hauptlärmquelle ist, dachten sie sich was zur Verkehrsregulierung aus. Ist zwar nichts umgesetzt bis heute. Dafür gibt's im Stadtrat am heutigen 18. April ihre Petition als Tagesordnungspunkt 9.2.

Ist eigentlich nichts Weltbewegendes, was die Anwohner des Straßenzuges südlich der Georg-Schumann-Straße fordern: “Petition zur Einbeziehung des Straßenzuges Berggartenstraße, Möckernsche Straße, Kirschbergstraße in vorhandene Tempo 30-Zonen” heißt ihre Eingabe.

Und dahinter stehen – auch mit ihrer Unterschrift – etwa 1.000 Leipziger Bürger aus den Stadtteilen Möckern und Gohlis. Gegen 17 Uhr wird im Leipziger Rathaus die von ihnen unterschriebene Petition – besser bekannt als die Unterschriftenaktion unter dem Motto “Tempo 30 vom Anker bis zur Friedenskirche” – im Stadtrat zur Abstimmung stehen.

In der Petition wurden folgende Vorschläge gemacht:

1) Mehr Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer durch die Einrichtung von Fußgängerüberwegen und beidseitigen Radwegen für den Straßenzug Möckernsche-, Kirschberg- und Berggartenstraße.

2) Beschränkung der Geschwindigkeit auf 30 km/h durch das Einrichten einer durchgehenden “Tempo 30 Zone”.

3) Verlagerung des Durchgangs- und Schwerlastverkehrs auf übergeordnete Straßen (neu angelegte B6) und Straßen mit ausreichend breitem Straßenprofil (Georg-Schumann-Straße).Von der Zuschauertribüne wollen sich mehrere interessierte Bürger aus dem Stadtteil selbst ein Bild machen, wie die in einem basisdemokratischen Prozess erstellten Vorschläge der Bürger im Stadtrat verhandeln werden.

“Wird es vor der Abstimmung noch zu einer Grundsatzdiskussion über die Ausrichtung der zukünftigen Verkehrspolitik unserer Stadt kommen oder wird Rot-Schwarz (wie im Petitionsausschuss geschehen) dafür Sorge tragen, dass der Stadtrat möglichst diskussionslos den Empfehlungen eines städtischen Amtes, des Verkehrs- und Tiefbauamtes, folgt?”, fragt sich Matthias Ludwig, Vorsitzender des “Stadthäuser Gohlis e.V.”, im Vorfeld wahrscheinlich zu Recht besorgt. Die wirklich heiklen Themen der Stadtpolitik werden gern mit Verweis auf diverse Vorschriften und gesetzliche Grundlagen auf die lange Bank geschoben.

“Die in blutleerem Amtsdeutsch verpackte Ablehnung der Bürgervorschläge dieses Amtes singt das altbekannte Lied: ‘Der steigende Autoverkehr muss doch rollen'”, kommentiert Ludwig diese Vorgänge. Und verweist darauf, dass ein Großteil des Verkehrs gar nicht mehr von den Anliegern selbst erzeugt wird.”Zum Beispiel ist der Anteil Leipziger Haushalte ohne Auto auf 42 Prozent geklettert, und inzwischen werden über 60 Prozent aller innerstädtischen Wege nicht mit dem Auto zurückgelegt (Quelle: Stadt Leipzig Dezernat Stadtentwicklung und Bau: “Mobilität 2020, Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum – Grundlagen für die Fortschreibung”, 30.11.2011) – eine erfreuliche Tendenz, die sich angesichts steigender Spritpreise vermutlich fortsetzen wird”, so Ludwig.

“Doppelt so hoch ist der Anteil des Pendlerverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen in Leipzig. In welchem schädlichen Maße dieser Verkehr zu wachsenden innerstädtischen Problemen führt, wird derzeit am Beispiel Georg-Schumann-Straße deutlich. In den neunziger Jahren vierspurig mit eigener Stadtbahntrasse ausgebaut – hat sich dieser Straßenzug bis heute nicht von dieser verkehrspolitischen Großtat erholt”, stellt Ludwig fest. “Auf Vorschlag der CDU wird jetzt die Notbremse gezogen, es werden Fahrspuren zurückgebaut, um den Autoverkehr (sprich Pendlerverkehr) auf dieser Magistrale einzuschränken und die Aufenthaltsqualität für Fußgänger und Radfahrer wieder zu erhöhen. Es muss erwähnt werden, dass ein Großteil der Pendler ehemalige Mitbürger sind, die in den Jahren nach der Wende unserer Stadt in bewussten Entscheidungen den Rücken gekehrt haben – wir erinnern uns gut an diese Zeit des demografischen Ausblutens und welcher Anstrengungen es bedurfte, diesen Trend umzukehren.”

Der Trend ist umgekehrt. Dafür leiden immer mehr Stadtteile unter Verkehrslärm, kämpfen darum – wie im Musikviertel – den Schwerlastverkehr aus der Wohnnähe zu verbannen, ersticken aber gleichzeitig am geparkten Verkehr, der in vielen Regionen der Stadt von niemandem mehr kontrolliert wird, weil das Ordnungsamt hoffnungslos unterbesetzt ist und die Stadt (nach den Erfahrungen mit einigen hartleibigen Autoparkern in Schleußig) die Fahnen gestrichen hat.

“Die Stadträte, als gewählte Vertreter der Leipziger Bürger, sollten sich am 18. April für die Interessen der 1.000 Leipziger stark machen und die Verwaltungs- beziehungsweise Beschlussvorlage des Petitionsausschusses nicht einfach ohne Diskussion hinnehmen”, wünscht sich Ludwig. “Traurig wäre es, wenn der Petitionsausschuss sich erneut der Meinung des Verkehrs- und Tiefbauamtes anschließt und – wie auch im Musikviertel geschehen – das Recht der Anwohner auf ein lebenswertes Umfeld und auf Sicherheit im Straßenverkehr ignoriert.”

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