28. März, 19 Uhr. Diesmal ist die Aula des Evangelischen Schulzentrums Treffpunkt für das Interessenforum "KARLI". Das letzte seiner Art. Seit November konnten die Leipziger mitreden bei den Planungen zum Umbau des Peterssteinweges und der südlichen Karl-Liebknecht-Straße bis zum Südplatz. Immerhin ein Novum für Leipzigs Stadtplaner.
Für gewöhnlich planen sie jahrelang im stillen Kämmerlein und präsentieren dann kurz vor ultimo, wenn die Gelder schon bewilligt sind, der Presse und den Bürgern, was sie sich so ausgedacht haben. Dass Stadtplaner und LVB-Planer schon mit einem Kompromissvorschlag (Variante 1) in die öffentliche Diskussion um das für 2013 geplante Bauvorhaben gingen, ist schon Zeichen eines Umdenkens, das zumindest beim Leipziger Nahverkehrsunternehmen schon Fuß gefasst hat. Dort nimmt man die großen Reden von der “Stärkung des Umweltverbunds” in Leipzig ernst – und auch den selbstverkündeten Anspruch, den Anteil des ÖPNV am Modal Split von derzeit rund 18 auf 25 Prozent zu steigern, den die Stadt sich selbst längst zu eigen gemacht hat.
Aber wie schafft man das? Wie wird Straßenbahnfahren attraktiver? – Durch neue Bahnen, klar. 100 Millionen Euro müssen die LVB in den nächsten Jahren für neue Fahrzeuge ausgeben und es ist längst nicht klar, wie bereitwillig der Freistaat Sachsen die Fahrzeuge mitfinanziert. – Durch bessere Bahnsteige, verlässliche Taktzeiten, saubere Fahrzeuge – auch das kostet Geld. 58 Millionen Euro fließen in das dringend benötigte Technische Zentrum, 10 Millionen davon vom Freistaat. Dagegen muten geschätzte 10,5 Millionen Euro für die “KARLI” eher bescheiden an. Aber auch die muss man erst mal haben, wenn die LVB gleichzeitig ihren Anspruch auf die Gegenfinanzierung durch die LVV auf 45 Millionen Euro senkt.Das beschränkt die Spielräume bei Straßenbauprojekten, stellt Ulf Middelberg, kaufmännischer Geschäftsführer der LVB, am Mittwochabend fest. Da sind schon fast anderthalb Stunden vergangen. Die ersten Zuhörer von den über 100, die den Weg gefunden hatten, gingen schon wieder. Sie hatten wohl genug gehört. Stadt und LVB sind den Wünschen auf Änderungen im Projekt noch einmal entgegen gekommen. Ergebnis der Arbeit des 14köpfigen Interessenbeirats, der Anfang des Jahres gegründet worden war mit gesellschaftlichen Vertretern, Gewerbetreibenden, Hausbesitzern und Anwohnern. Fünf Mal hat er sich getroffen, zwei Mal davon in ernsthafter Werkstattarbeit.
Das Ergebnis: vier Empfehlungen. Drei werden wohl so umgesetzt. Die erste Empfehlung: Mit 9 Pro-Stimmen hat der Beirat der nunmehrigen Planungsvariante zugestimmt. Der sechsten mittlerweile.
In die ist auch Empfehlung Nummer 2 schon eingearbeitet, die der Beirat ebenfalls mit 9 Pro-Stimmen verabschiedet hat: Das separierte Gleis zwischen Riemannstraße und Hohe Straße entfällt, so, wie es gerade die Umweltverbände (die auch im Beirat vertreten sind) immer wieder gefordert hatten. Bahn und Kfz-Verkehr teilen sich jetzt auch die Fahrbahn Richtung Innenstadt. Auf der östlichen Straßenseite konnte mehr Platz gewonnen werden für Radweg und Bürgersteig. Zwischenzeitlich hatten die Stadtplaner hier eine neue Rechtsabbiegespur vorgesehen. Doch die fand im Beirat schon heftigen Widerspruch, denn hier hätten sich die Radfahrer in den Kfz-Verkehr einordnen müssen – ein Unding, wenn man gerade mit der neuen Planung versucht, durchgehende Radfahrstreifen bis in die Innenstadt zu schaffen. Jetzt sind die Planer um Torben Heinemann dabei, den Rechtsabbiegeverkehr eine Straße früher über die Schletterstraße zu organisieren.Empfehlung Nummer 3 trifft auf deutlichen Widerspruch der Leipziger Verkehrsbetriebe. Denn sie schlägt vor, die neue Haltestelle südlich der Hohen Straße lediglich mit angehobenem Radweg zu planen, Straßenbahn und Kfz-Verkehr aber auf der tiefer liegenden Fahrbahn gemeinsam zu führen. Das – so Ulf Middelberg – würde ein wesentliches Element gefährden, mit dem die LVB Fördergelder beim Bund beantragen könnte. Denn die gibt es nur nach klaren Richtlinien, nach denen der ÖPNV bei einem Straßenneubau beschleunigt wird. Das sei mit der Separierung der Straßenbahn ab der Shakespearestraße bis zur neuen Haltestelle Hohe Straße in der jetzigen Planung gewährleistet. Nach jetziger Planung bleibt die Traum bis in die Haltestelle auf eigener Trasse. Der Kfz-Verkehr wird daneben auf erhöhter Fahrbahn vorbeigeführt. “Wenn wir das nicht machen, bleibt nur noch ein rudimentäres Stück über”, so Middelberg. Und damit wäre die Förderwürdigkeit des Straßenstücks wohl in Frage gestellt.
Empfehlung 4 wurde von einigen Beiratsmitgliedern am Mittwoch noch einmal mit Nachdruck vertreten: An der Kreuzung Paul-Gruner-Straße soll möglichst eine Ampelanlage installiert werden. Das sei gerade für die angrenzenden Schulen wichtig, wenn die jetzige Ampel in der Nähe des Volkshauses wegfalle.
Kleines Knistern am Rande der Abendveranstaltung: ADFC und Ökolöwe sind auch mit dem Kompromiss, das separate Gleis zwischen Riemannstraße und Hohe Straße wegzulassen, noch nicht zufrieden. Die Bürgersteige seien noch immer zu schmal, um einen Boulevardcharakter zu bewahren. Und für die wahrscheinlichen Passantenströme wohl auch nicht ausreichend, so Alexander John, der ADFC-Vorsitzende, der auch die geplante Breite von 1,85 Meter für die Radstreifen zu schmal fand. Auch die müssten bei dem starken Radverkehr in der Straße 2 Meter breit sein. Johns Frage: Ist das überhaupt so genehmigungsfähig?
Freche Frage. Gute Frage. Denn gerade weil Stadt und LVB in Sachen “KARLI” die Diskussion geöffnet haben, werden zwei Grundprobleme im deutschen Straßenbau sichtbar: Die Finanznot der Städte einerseits, die sie dringend angewiesen sein lässt auf die Gnadengelder von Bund und Land. So entscheiden am Ende Paragraphenfuchser darüber, ob die Investitionsgelder gewährt werden (wie einst in der königlichen Kanzlei) oder ob das Projekt baden geht, weil “der Topf überzeichnet ist”. Und das andere Problem: Die dahinter steckende deutsche Regulierwut, die die Gewährung der Mittel an starre Vorgaben knüpft.Also passen Kommunen ihre Planungen so weit es geht diesen Vorgaben an, quetschen separate Gleistrassen in enge Straßen, feilschen um jeden Zentimeter für Rad- und Fußwege und “Andienflächen”. Dabei sind die Straßen deutscher Städte nie für die Meter-Mentalität der deutschen Bürokratie gebaut worden. Die Karl-Liebknecht-Straße entstand gerade in dem Teil, der jetzt ab 2013 neu gebaut werden soll, um das Jahr 1839, geht natürlich auf eine ältere Straße zurück, über die die Händler von Süden in die Messestadt fuhren, nachdem sie am Zollhaus ihren Obolus entrichtet hatten. 1839 bekam diese Straße offiziell den Namen Zeitzer Straße, bis sie 1874 in Südstraße umbenannt wurde. Nur der Peterssteinweg, der schon ein paar Jahrhunderte so hieß, behielt seinen Namen. Und ist natürlich vom Querschnitt noch enger.
Hier haben die Planer in Phase 6 noch einmal gebastelt und gedreht, damit auf der Ostseite noch ein paar Parkplätze unterkamen, die sich die Händler dort wünschen, und auf der Westseite eine “Andienfläche”. Diese Andienflächen sind die künftigen Halteflächen für den Anlieferverkehr, der bis jetzt in diesem Straßenabschnitt noch auf dem Fußweg abgewickelt wird. “Da wollen wir ihn aber runterhaben”, sagt Heinemann. “Da gehört er einfach nicht hin.”
Nebeneffekt des Drehens, bei dem die künftige Haltestelle mit dem Arbeitstitel “Münzplatz” ein wenig aus der Straßen-Parallele gedreht wird, ist auch auf der Südseite der Haltestelle ein Raumgewinn. Während die Fläche auf der Ostseite der südlichen Karl-Liebknecht-Straße (zwischen Emilienstraße und Riemannstraße) etwas schmaler wird als in der Vorplanung (hier finden trotzdem Bäume und Stellflächen Platz), entsteht auf der gegenüberliegenden Westseite so viel Platz, dass auch hier Stellplätze und Bäume unterkommen können. Womit sich der Alleecharakter der “Karli” tatsächlich bis zum eigentlichen Beginn der Straße erstreckt.
Fast die fünfte Empfehlung des Interessenbeirats: Die Aufhebung der Windmühlenstraße vor der Stadtbibliothek am Wilhelm-Leuschner-Platz. “Die Abstimmung haben wir dann nicht mehr geschafft”, so Alexander John.
Knapp bei Kasse: Die Probleme der Umweltverbände mit den “KARLI”-Planungen der Stadt
Ist die Karl-Liebknecht-Straße unsanierbar? …
Skurrile Fronten in der “KARLI”: Ökolöwe, ADFC und FUSS e.V. vereint gegen separates Gleis
Beim für 2013 geplanten Umbau der nördlichen …
Finale für Bürgerbeteiligung KARLI: Am 28. März steht die endgültige Variante zur Diskussion
Es verändert sich was in der Stadt …
Jetzt drängt die Zeit. Denn am 17. April soll die Planvariante Nr. 5 noch einmal im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau besprochen werden. “Beschließen werden wir ihn dort nicht”, sagt Ausschussvorsitzender Roland Quester. “Dazu ist das Thema zu wichtig.” Deswegen soll der Stadtrat darüber beschließen. Der tagt am 18. April. Wenn dieser Beschluss vorliegt, kann dann tatsächlich in die Bauplanung gegangen werden.
“Dann wissen wir ja, was gebaut wird”, so Ulf Middelberg, der sich dann auch um die Fördergelder kümmern muss. Im September, so sagt er, könnte sich dann abzeichnen, wie man bauen wird, ob es mehrere Bauabschnitte gibt und in welcher Reihenfolge. Und wie man den Verkehr während der Bauphase organisiert. Eines steht schon fest: Die Straßenbahn wird immer mindestens ein Gleis zur Verfügung haben. 30.000 Fahrgäste am Tag kann man an dieser Stelle nicht einfach auf Busse umlenken. Im Sommer 2013 sollen dann die Bauarbeiten beginnen. Der Interessenbeirat bleibt bestehen und soll auch die Bauphase begleiten und den Kontakt zu den Betroffenen aufrecht erhalten.
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