Der Leerstand ist für die Leipziger Wohnungsgenossenschaften "aus wirtschaftlicher Sicht ein riesiges Problem". Im Kampf dagegen fordern die in der Plattform zusammengeschlossenen vier Gesellschaften von der Lokalpolitik einen Blick auf die Gesamtstadt, mehr Flexibilität in der Stadtentwicklung und einen Lastenausgleich der Marktteilnehmer.
Gemeinsamkeit macht stark. Deshalb haben sich die vier Leipziger Wohnungsgenossenschaften “Transport” (Wogetra), UNITAS, Baugenossenschaft Leipzig (BGL) und Vereinigte Leipziger Wohnungsgenossenschaft (VLW) zur Plattform “wohnen bei uns” zusammengeschlossen. Sie repräsentieren mit zusammen knapp 30.000 Wohnungen ein Zehntel des Leipziger Wohnungsmarktes.
Doch die Plattform fühlt sich von der örtlichen Politik noch nicht stark genug gehört. Man sehe nicht, dass auf das Leerstandsproblem in der Stadt adäquat reagiert werde, lautete die Quintessenz des Plattform-Pressegesprächs am Mittwoch dieser Woche.
“Wenn ich mich so konzentriere und festlege, dann mache ich etwas falsch”, kritisierte UNITAS-Vorstand Martina Wilde insbesondere den lokalen Stadtentwicklungsplan STEP. Die Regularien binden aus ihrer Sicht die Wohnungsgenossenschaften in einzelnen Stadtteilen zu lange, um auch an positiven Marktentwicklungen wirtschaftlich teilhaben zu können.
VLW-Vorstand Wolf-Rüdiger Kliebes legte mit Blick auf Grünau nach. Hier führe die schnurgerade mit dem Lineal gezogene Abgrenzung der “konsolidierten Bestände” vom “Stadtumbaugürtel” zu der paradoxen Situation, dass Wohnanlagen mitunter geteilt würden. Da könne man dann nichts mehr tun, “als dem Niedergang zuzuschauenn”, so Kliebes.
Kurzum: Der STEP braucht nach Ansicht der Genossenschaften ein anderes Schrittmaß: zeitlich weniger lang, räumlich nicht so starr abgrenzt, methodisch flexibel bei Schritten und Schrittchen.
Denn Rückbau und Aufwertung sind nach Ansicht der Genossenschaften weiter nötig, teils auch in den konsolidierten Beständen Grünaus. “Es entsteht kein Gleichgewicht am Markt”, beschriebt Wogetra-Vrostand Tobias Luft die Lage. Von einer Leerstandsquote von elf Prozent gehen die Genossenschaften aktuell aus, das entspricht 34.000 Wohneinheiten. “Trotz positiver wirtschaftlicher Entwicklung ist der Leipziger Wohnungsmarkt noch weit von einem normalen Zustand entfernt”, schätzen die Genossenschaftler ein.
Hier müsse zur Stabilisierung des Marktes weiter die Abrissbirne eingesetzt werden, betonten die Genossenschaftsvorstände. Das sind sie nur bereit zu tun, wenn sie dies teils durch die Fördermittel des Freistaates Sachsen finanzieren können. Doch das setzt eine Rückbauvereinbarung mit der Kommune voraus, die es nur für Bestände in einschlägig ausgewiesenen Gebieten gibt.
Da ärgert es, dass Fördermittel bei der Sächsischen Aufbaubank ungenutzt parken. Zumal die Zeit drängt, wie VLW-Vorstand Michaela Kostov betont. Denn die Rahmenbedingungen würden schlechter, weil Förderungen gekürzt würden oder ausliefen. Gleichwohl wird die VLW zwischen März und September diesen Jahres in Grünau am Marsweg und Neptunweg 220 Wohneinheiten abreißen.
Das Leerstandsproblem korrespondiert mit der zweiten Botschaft des Tages: Der Wohnungsmarkt in Leipzig entwickelt sich weiter auseinander. Die Branchenmeldungen über Wert- und Preissteigerungen in den Toplangen der Stadt sind laut Kliebes “nicht repräsentativ” für die Gesamtstadt. Hier machen die Gesellschaften gar ein Abkoppeln dieser Stadtlagen aus. VLW-Mann Kliebes hat die “Sorge, dass Erfolgsmeldungen das Bewusstein trüben für die Notwendigkeiten”.
So ein wohnungswirtschaftliches Datum hat natürlich gesellschaftspolitische Ursachen und Folgen. Doch wir bleiben hier auf dem Feld der Wohnungswirtschaft. “Im Gros des Marktes bewegen sich die Nettokaltmieten im Bereich von 3,00 – 6,00 Euro und stagnieren”, konstatieren die Plattform-Gesellschaften. Diesem repräsentativen Querschnitt müsse die Stadtpolitik weiter zum Bewertungsmaßstab nehmen, so die Forderung der Genossen.
Das verbiete beispielsweise eine weitere kommunalpolitische Preistreiberei bei den Nebenkosten. Gut 850.000 Euro hätten allein die vier Genossenschaften in Folge der letzten Grundsteuererhöhung an die Mieter weitergegeben. Hier sei man an die Grenze der Belastbarkeit der Mieter gekommen, so BGL-Vorstand Ullrich Dietel.
Schließlich sprechen sich die Genossenschaften für ein “ausgewogenes Lasten-Nutzen-Verhältnis aller Marktteilnehmer bei der Gestaltung des Leipziger Wohnungsmarktes” aus. Im Klartext: Wer Einnahmeverluste durch den Leerstand und Zusatzbelastungen durch den Abriss trägt, hilft den Gesamtmarkt zu stabilisieren. Davon profitieren alle am Markt.
So wird die Lokalpolitik mit der Frage konfrontiert, ob sie gegenüber den rückbauenden Genossenschaften und der städtischen Leipziger Wohnungs- und Baugenossenschaft LWB nach der Aschenputtel-Methode verfahren will. Damit es nicht zu einem weiteren Abkoppeln zwischen Schwarzküche und Prinzenball kommt, um im Aschenputtel-Bild zu bleiben, möchten die Genossenschaften gern bei der Ausweisung von neuen Baugebieten für Wohnungen und Einfamilienhäuser mitreden. Von der Forderung nach einer konsequenten städtischen Rückbaustrategie war ja schon die Rede.
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