Das Verwaltungsgericht Dresden hat mit einem heute den Beteiligten bekanntgegebenen Urteil entschieden, dass die Erwähnung der Partei Alternative für Deutschland, Landesverband Sachsen, im Verfassungsschutzbericht 2020 rechtmäßig war.

Im Verfassungsschutzbericht 2020 des Landesamts für Verfassungsschutz wurde „Der Flügel“ als extremistischer Personenzusammenschluss innerhalb der Partei Alternative für Deutschland (AfD) im Abschnitt über Rechtsextremismus erwähnt. Dort waren Ausführungen zur Ideologie, zur Strategie und zur Struktur sowie den Aktivitäten enthalten. Zudem wurden unter anderem der Landesvorsitzende der Klägerin, Jörg Urban, sowie der Generalsekretär der AfD in Sachsen, Jan-Oliver Zwerg, mit einigen Aussagen zitiert und als Flügel-Anhänger bezeichnet.

Die ursprüngliche Fassung des Verfassungsschutzbericht 2020 ist in Bezug auf die Ausführungen zum „Flügel“ nicht mehr öffentlich verfügbar. In der derzeit und seit August 2022 öffentlich allein noch verfügbaren Fassung des Berichts sind die Ausführungen zum „Flügel“ in der Vergangenheitsform enthalten.

Im Text und durch Fußnoten ist nunmehr ergänzt, dass sich der Flügel zum 30. April 2020 aufgelöst habe und aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 8. März 2022 die Einordnung, Beobachtung, Behandlung, Prüfung und Führung des „Flügel“ als erwiesene rechtsextremistische Bestrebung untersagt sei.

Die Klägerin hat vom Sächsischen Staatsministerium des Innern vorprozessual verlangt, Veröffentlichungen zu unterlassen, die geeignet seien, zur verfassungsschutzrechtlichen Einstufung der Klägerin als gesichert rechtsextremistische Bestrebung beizutragen. Außerdem solle der Verfassungsschutzbericht 2020 dahingehend richtiggestellt werden, dass die angegriffenen Verlautbarungen rechtswidrig gewesen seien. Nach Ablauf einer von der Klägerin gesetzten Frist hat sie am 25. Januar 2023 Klage erhoben.

Die Klägerin hat beantragt, den beklagten Freistaat Sachsen zu verurteilen, es zu unterlassen, öffentlich zu behaupten, dass eine (ehemalige) Teilorganisation der Klägerin in Sachsen die Ziele „Permanente Verächtlichmachung demokratischer Institutionen, Abschaffung des Parlamentarismus, Etablierung einer völkischen Gesellschaftsordnung mit einem ethnokulturell homogenen Staatsvolk, Pauschale Ausgrenzung, Verächtlichmachung und Rechtlosstellung von Migranten, Muslimen und politisch Andersdenkenden“ verfolgt habe.

Unterlassen werden solle auch die öffentliche Behauptung, die Klägerin habe in Sachsen eine (ehemalige) Teilorganisation, von der „der Einzelne als der Gemeinschaft unbedingt untergeordnet angesehen“ worden sei sowie zu behaupten, dass die Funktionäre der Klägerin Jörg Urban oder Jan-Oliver Zwerg Anhänger oder Mitglieder einer Organisation mit derartigen Zielen gewesen seien oder, dass diese selbst solche Ziele verfolgt hätten.

Ferner hat die Klägerin verlangt festzustellen, dass die öffentliche Bekanntgabe der Einstufung, Einordnung, Beobachtung, Behandlung, Prüfung oder Führung des „Flügel“ in Sachsen als „gesichert (rechts)extremistische Bestrebung“ für den Zeitraum vom 30. April 2020 bis zum 31. Dezember 2020 rechtswidrig war.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung u.a. geltend gemacht, dass ihre Erwähnung im Verfassungsschutzbericht bereits formell rechtswidrig sei, weil sie vor der Aufnahme in den Bericht nicht angehört worden sei. Dies widerspreche Regelungen des europäischen wie des nationalen Rechts. Die Aufnahme der Klägerin in den Bericht sei auch materiell nicht rechtmäßig gewesen.

Es treffe bereits nicht zu, dass es sich bei dem „Flügel“ um eine Personenvereinigung i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 Sächsisches Verfassungsschutzgesetz handele. Es habe sich vielmehr um eine lose Vortragsreihe innerhalb der Partei und für die interessierte Öffentlichkeit gehandelt. Im Übrigen könne die bloße Kritik am Regierungshandeln nicht als „permanente Verächtlichmachung demokratischer Institutionen“ klassifiziert werden.

Vielmehr würden dadurch jene Rechte ausgeübt werden, die die freiheitlich demokratische Grundordnung gewähre. Der Beklagte fantasiere herbei, dass Teile der Klägerin für die „Etablierung einer völkischen Gesellschaftsordnung mit einem ethnokulturell homogenen Staatsvolk“ eingetreten seien. Ebenso wenig könne dem „Flügel“ eine „pauschale Ausgrenzung, Verächtlichmachung und Rechtslosstellung von Migranten“ vorgehalten werden. Ausgegrenzt und verächtlich gemacht werde vielmehr die Klägerin selbst.

Der „Flügel“ habe eine Ausländer- bzw. Asylpolitik vertreten, die an die geltende Rechtslage anknüpfe. Die Verarbeitung personenbezogener Daten des Vorsitzenden der Klägerin, Jörg Urban, und von Jan-Oliver Zwerg sei ebenso wenig gerechtfertigt wie die damit einhergehende Unterstellung, dass es sich bei ihnen um Rechtsextremisten handele. Keiner von beiden habe sich zum „Flügel“ bekannt oder dessen behauptete Ziele vertreten.

Der Beklagte ist dem in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten. Er hat darauf verwiesen, dass ein Personenzusammenschluss im Sinne des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes nicht erfordere, dass dieser förmlich verfasst sei, etwa nach Art eines Vereins. Ausreichend sei bereits, wenn sich mehrere Personen formlos zu einem gemeinsamen Zweck zusammengeschlossen hätten.

In Bezug auf den „Flügel“ sei dies in Gestalt der sog. „Erfurter Resolution“ erfolgt. Die Auflösung sei in der in Gestalt der „Dresdner Erklärung“ erfolgt. Eine Organisationsstruktur sei durch das Unterhalten einer eigenen Internet-Präsenz, ein eigenes Logo und durch einen „Obmann“ des „Flügel“ erkennbar gewesen.

Der „Flügel“ sei darauf gerichtet gewesen, insbesondere das Mehrparteiensystem (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 SächsVSG) und die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte (§ 3 Abs. 2 Nr. 7 SächsVSG) außer Geltung zu setzen. Dies sei anhand einer Vielzahl von Belegen nachgewiesen. Die den Herren Urban und Zwerg zugeschriebenen Haltungen seien durch verschiedene ihrer Äußerungen belegt.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage (Az.: 6 K 128/23) abgewiesen und eine Berufung gegen sein Urteil nicht zugelassen. Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei dem „Flügel“ sehr wohl um einen Personenzusammenschluss und nicht lediglich um eine lose Vortragsreihe gehandelt habe. Im Übrigen folge die Kammer im Wesentlichen den Auffassungen des Beklagten.

Insoweit werden die Einzelheiten den schriftlichen Urteilsgründen zu entnehmen sein, die den Beteiligten in absehbarer Zeit zugestellt würden. Mit der Zustellung beginnt die Frist von einem Monat, in der die Klägerin Beschwerde vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht gegen die Nichtzulassung der Berufung einlegen kann.

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