Verbraucher:innen und Milchviehhalter:innen warten immer noch auf die Einführung der staatlichen Kennzeichnungspflicht der Haltungsform für Milch und Milchprodukte. Sie ist Voraussetzung, um allen Marktteilnehmern eine objektive Orientierung am Markt zu bieten. Mittlerweile ist u.a. der Einzelhandel mit einer eigenen Haltungsform-Kennzeichnung vorgeprescht, wodurch besonders die Weidehaltung von Milchkühen benachteiligt wird.

Weidehaltungsbetriebe werden verpflichtet, zusätzlich einen Laufhof bereit zu stellen, können sie das nicht leisten, verschwinden sie bei der Kennzeichnung in der Gruppe der Betriebe mit ganzjähriger Stallhaltung. Eine gute Weidehaltung ist nicht nur ein Auslauf, sondern die Weide soll auch einen nennenswerten Anteil zur Grundfutterversorgung für die Kühe beitragen.

Unter Beachtung der guten fachlichen Praxis ergeben sich für die AbL somit die Bereitstellung von mindestens 1000 m² Weide je Kuh – um wirklich zum Tierwohl beizutragen, aber auch um Stickstoffobergrenzen einhalten zu können und die Biodiversität zu stärken.

Kirsten Wosnitza, AbL-Mitglied und Milchviehhalterin in Schleswig-Holstein, sagt: „Für die Milchviehhalter ist es wichtig zu wissen, in welche Richtung der Umbau ihrer Tierhaltung gehen soll. Allerdings sieht die AbL kritisch, dass derzeit die Ausgestaltung der Haltungsform-Kennzeichnung von der Privatwirtschaft vorgenommen wird, also dem Lebensmitteleinzelhandel oder der Milchindustrie überlassen wird.

Ob gesellschaftliche und vor allem auch bäuerliche Anliegen wie der Erhalt der Betriebe, Tierwohl oder Artenvielfalt dabei ausreichend berücksichtigt werden, ist fraglich. Zumal die Kennzeichnung des Einzelhandels und der Milchindustrie gerade die Weidehaltung unserer Milchkühe bewusst unter Druck setzt. Das muss das Bundeslandwirtschaftsministerium verhindern und umgehend seiner Ankündigung nachkommen, die staatliche Tierhaltungskennzeichnung auch für Rinder umzusetzen – für eine objektive und praxisgerechte Orientierung am Markt.

Gerhard Reustlen, Milchviehhalter in Baden-Württemberg, führt weiter aus: „Wissenschaftliche Studien kommen zum Schluss, dass die Weidehaltung für das Tierwohl wichtig ist. Eine Untersuchung aus diesem Jahr zeigt zum wiederholten Mal auf, das Weidegang Lahmheiten vermindert. Beim Umbau der Milchkuhhaltung ist es wichtig, dass uns Bäuerinnen und Bauern ein gangbarer Weg aufgezeigt wird.

Eine gut ausgestaltete Weidehaltung in Stufe 4 kann Betriebe motivieren, wenn die Gegebenheiten vor Ort das ermöglichen, Weidehaltung anzubieten. Wenn Betriebe mit Weidehaltung u.a. einen nennenswerten Futteranteil von der Weide bieten, sollten diese nicht mit zusätzlichen Kosten für einen Laufhof belastet werden. Bauernhöfe können dadurch erhalten bleiben.

Wichtig ist außerdem, dass die Mehrkosten der Weidehaltung über eine langfristige Finanzierung nach den Vorschlägen der Borchert-Kommission aufgefangen werden können. Dazu gehören aber auch marktpolitische Maßnahmen. Der Verkauf von Milch muss endlich über Verträge mit Preisen vor Lieferung möglich sein.“

Hintergrund:

Zur Stärkung der Weidehaltung fordert die AbL: In der höchsten konventionellen Qualitätsstufe 4 reicht eine gut ausgestaltete Weidehaltung aus, die Betriebe müssen nicht zusätzlich einen Laufhof bauen. Für die Weidehaltung sind Mindestkriterien einzuziehen wie Minium 1000 m² je Kuh Weidefläche und dass je Kuh ein nennenswerter Anteil des Futters auch tatsächlich auf der Weide aufgenommen wird.

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