Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in Sachsen werden kieferorthopädisch behandelt. Das belegt eine Analyse im aktuellen BARMER-Zahnreport. Demnach erhielten unter den Heranwachsenden im Land 50,5 Prozent eine entsprechende Behandlung auf Kassenkosten (Bund: 54,7 Prozent).
„Schaut man auf die Geschlechter, befinden sich unter den Zahnspangentragenden deutlich mehr Mädchen als Jungen. Außerdem werden zum Teil deutliche regionale Unterschiede in der Versorgung sichtbar“, sagt Monika Welfens, Landesgeschäftsführerin der BARMER in Sachsen und verweist auf die Studie, bei der erstmalig, Daten von Achtjährigen über einen Zeitraum von zehn Jahren, also bis zum 17. Lebensjahr, ausgewertet wurden.
„Für die Versorgungsforschung ist es wichtig, den genauen Anteil der Heranwachsenden in kieferorthopädischer Behandlung zu kennen. Nur so bekommen wir einen Einblick, wie sich die Behandlungsbedarfe in den einzelnen Regionen darstellen“, sagt die BARMER-Landeschefin. Zahn- beziehungsweise Kieferfehlstellungen seien sehr individuell. Wenn Fehlbildungen zu einer erheblichen Einschränkung beim Kauen, Beißen, Atmen oder Sprechen führen, werde eine kieferorthopädische Behandlung notwendig.
Mehr Mädchen als Jungen bekommen eine Zahnspange
Bei dem Vergleich der kieferorthopädischen Behandlungsraten falle auf, dass Mädchen häufiger als Jungen kieferorthopädisch behandelt werden. So würden bundesweit Mädchen eine um rund zehn Prozentpunkte höher Raten aufweisen als Jungen. In Sachsen liege die durchschnittliche Behandlungsrate bei den Mädchen um die 56,5 Prozent, bei den Jungen um 46,4 Prozent.
„Unsere Auswertung legt den Schluss nahe, dass Mädchen häufiger kieferorthopädisch behandelt werden. Schönheitsideale, Gruppendruck und elterliche Fürsorge sind mögliche Gründe dafür, dass Zahn- und Kieferfehlstellungen von ihnen häufiger nachgefragt und behandelt würden als bei Jungen. Während eine Zahnfehlstellung bei heranwachsenden Jungen vielleicht noch als ‚cool‘ abgetan wird, sind Mädchen damit möglicherweise stärker belastet“, vermutet Monika Welfens.
Es sei allerdings kein gutes Signal, wenn dahingehend ein gewisser Erwartungsdruck an Mädchen und junge Frauen entstehe. Weitere Untersuchungen hinsichtlich der Ursachen für die höhere Inanspruchnahme bei Mädchen seien deshalb notwendig.
Regionale Unterschiede: Nordsachsen mit den höchsten Behandlungsraten
Die Analyse im Zahnreport zeige, dass die Inanspruchnahme von kieferorthopädischen Behandlungen innerhalb Sachsens variiere. Die höchsten Raten gebe es demnach im Vogtlandkreis (54,5 Prozent) und Nordsachsen (53,2 Prozent), die geringste in Chemnitz und Erzgebirgskreis (rund 49 Prozent).
„In allen Regionen des Freistaates jedoch wird etwa jeder zweite Heranwachsende kieferorthopädisch behandelt“, sagt Monika Welfens. Das sei auch ein Hinweis, dass der Zugang zur Kieferorthopädie in Sachsen insgesamt zufriedenstellen sei. Denn die Analyse belege weiter, dass Anteile der kieferorthopädischen Versorgung auch von allgemeinen Zahnarztpraxen übernommen werde.
Bundesweit liege dieser Anteil bei 13 Prozent, in Sachsen mit 18,1 Prozent jedoch deutlich höher. „In den sehr ländlich geprägten Regionen ist der Zugang zur Kieferorthopädie teilweise schwieriger, so dass die Versorgung von einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt übernommen wird“, sagt die BARMER-Kassenchefin.
Nur jedes zweite Kleinkind wurde in einer Zahnarztpraxis vorgestellt
Neben der kieferorthopädischen nehme die Analyse im Zahnreport auch insgesamt die zahnmedizinische Versorgung von Heranwachsenden in den Blick. Demnach seien Prophylaxeleistungen am häufigsten im Alter von 10 bis 14 Jahren in Anspruch genommen worden.
„Sachsenweit verzeichnen wir allerdings in dieser Altersgruppe sinkende Zahlen. Waren 2013 noch rund 79 Prozent der 10- bis 14- Jährigen regelmäßig beim Zahnarzt, sank deren Anteil auf knapp 73 Prozent im Jahr 2022. Bei den Fünf- bis Neunjährigen lag die Rate relativ konstant bei rund 67 Prozent“, sagt Welfens.
Des Weiteren zeigten die Auswertungen auch, dass in Sachsen immer mehr Eltern bis zum vierten Geburtstag ihre Kinder einem Zahnarzt vorstellten (rund 41 Prozent). Dennoch sei auch hier noch Luft nach oben. Mehr als die Hälfte aller Kleinkinder sei nicht zur Früherkennungsuntersuchungen in einer Zahnarztpraxis gewesen.
„Vor allem im Kleinkindalter findet noch zu wenig Vorsorge statt. Um Zahn- und Kieferkrankheiten frühzeitig zu entdecken und behandeln zu lassen sei Prophylaxe wichtig. Bestenfalls sollte der Besuch in der Zahnarztpraxis mit dem Durchbruch des ersten Milchzahns zur Routine werden“, sagt die BARMER-Landeschefin. Sie rate Eltern, mit ihren Kindern die zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen regelmäßig wahrzunehmen.
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