Am 21. August 2024 trafen sich auf Einladung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (SMJusDEG) sowie des DGB-Bezirks Sachsen Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften, Sozialwirtschaft, Verwaltung und Politik zum 2. Fachgespräch des Modellprojektes Entgeltgleichheit „Gründe für Teilzeit verstehen und Potenziale der Arbeitskräftesicherung gestalten“.

Ende 2023 hat SMJusDEG eine Teilzeitstudie für Sachsen ausgeschrieben, die aktuell von der Prognos AG erarbeitet wird. Ziel der Studie ist es, die Gründe für Teilzeitbeschäftigung zu erfassen und Rahmenbedingungen zu identifizieren, die zu einer möglichen Erhöhung des Stundenumfangs führen können. Gegenstand des 2. Fachgesprächs war auch ein erster Zwischenbericht dieser Teilzeitstudie.

Gleichstellungsministerin Katja Meier: „Der Zwischenbericht aus der Teilzeitstudie zeigt, dass das Recht auf Teilzeit vielen Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen und insbesondere Familien den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht. Wer daher das Recht auf Teilzeit abschaffen will, der entzieht dem Arbeitsmarkt wertvolle Arbeitskräfte und erschwert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das ist weder im Sinne einer echten Gleichstellung von Männern und Frauen noch im Sinne unserer Wirtschaft, die auf jede Arbeitskraft angewiesen ist.“

Daniela Kolbe, stellvertretende Vorsitzende des DGB-Bezirks Sachsen: »Wer Teilzeit arbeiten möchte, hat dazu das Recht und das ist gut so. Ein Hebel besteht aber bei denjenigen, die Teilzeit arbeiten, weil es anders gar nicht geht. Weil Betreuungsmöglichkeiten und Unterstützungsstrukturen fehlen, weil die Arbeitsbelastung wie beispielsweise im Gesundheitswesen zu hoch ist oder weil Vollzeitjobs wie im Handel gar nicht angeboten werden. Hier gilt es, die Bedingungen zu verbessern. Dabei sind Politik und Unternehmen in der Pflicht.«

Die Teilzeitstudie soll weiterhin Handlungsempfehlungen enthalten, die sicherstellen, dass die Wahl eines bestimmten Teilzeitumfangs nicht durch ungünstige äußere Umstände erzwungen wird und dass die langfristigen Konsequenzen dieser Entscheidung umfassend reflektiert werden. Ziel ist es, eine bewusste und informierte Entscheidung für den individuellen Teilzeitumfang zu ermöglichen. Zweck des 2. Fachgespräches war es, diese Handlungsempfehlungen mit den anwesenden Expertinnen und Experten zu entwickeln.

Einführend fand eine kurze Diskussion zum Thema Teilzeit mit Frau Dr.in Andrea Blumtritt, Abteilungsleiterin für Demokratie, Bürgerbeteiligung und Gleichstellung, Daniela Kolbe, stellvertretende Vorsitzende des DGB-Bezirks Sachsen sowie Navina Skibbe, Leiterin des Stabes Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Regionaldirektion Sachsen der Agentur für Arbeit, statt. Anschließend stellte Prognos AG die Zwischenergebnisse der Teilzeitstudie vor, die Grundlage der nachfolgenden Gruppendiskussionen waren.

Erste Erkenntnisse aus dem Zwischenbericht

Zentrale Erkenntnis aus dem Zwischenbericht der Studie zu Teilzeit in Sachsen ist, dass die Gründe für Teilzeitbeschäftigung vielfältig sind und klare Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen. Bei Frauen sind dies v. a. familiäre Verpflichtungen wie Kinderbetreuung oder Pflege, wohingegen Männer gesundheitliche Gründe sowie Weiterbildung angeben und durchschnittlich häufiger als Frauen unfreiwillig in Teilzeit arbeiten. Eine Teilzeitbeschäftigung ist zudem oftmals Ausdruck des Wunsches nach mehr Zeit für andere Lebensbereiche.

Im Ergebnis ist der Großteil der teilzeitbeschäftigten Frauen (67,9 Prozent) und Männer (70 Prozent) mit ihrem aktuellen Stundenumfang zufrieden. Einen Wunsch nach einer Änderung der Arbeitszeit verzeichnen Frauen und Männer gleichermaßen, wobei insbesondere Väter am häufigsten die Arbeitszeit erhöhen möchten. Gleichfalls arbeiten Männer eher als Frauen unfreiwillig in Teilzeit, so dass das Potential für eine Erhöhung der Arbeitszeit hier eventuell etwas höher ist.

Unter geeigneteren Rahmenbedingungen wären sowohl Männer als auch Frauen bereit, ihre wöchentliche Arbeitszeit zu erhöhen. Männer würden sie auf 32,4 Stunden und Frauen auf 31,5 Stunden erhöhen. Gegenüber der vereinbarten Wochenarbeitszeit entspräche dies durchschnittlich einer Arbeitszeiterhöhung von rd. 7 Stunden bei Frauen und rd. 9 Stunden bei Männern. Was die Rahmenbedingungen anbelangt, sind insbesondere gesundheits- und arbeitsbezogene Aspekte (hier v. a. Arbeitszeitflexibilisierung) relevant.

Insgesamt besteht gemäß Zwischenbericht eine hohe Lebenszufriedenheit von Teilzeitbeschäftigten in Sachsen, wobei die Sicherheit der Arbeitsstelle und die Beziehung zum Arbeitgeber sowie der Freizeitumfang als besonders positiv wahrgenommen werden. Deutliche Bedenken bestehen hingegen seitens der Teilzeitbeschäftigten hinsichtlich der Alterssicherung (hier 49 Prozent Frauen gegenüber 38 Prozent Männer), Gesundheit und persönlichen finanziellen Situation. Die wichtigste Rahmenbedingung im Bereich der familienbezogenen Aspekte bleibt der „Klassiker“, nämlich die Übernahme von der Kinderbetreuung durch den Partner oder die Partnerin (31 Prozent) und im Haushalt (19 Prozent).

Nur durch eine ganzheitliche Betrachtung dieser Befunde können Maßnahmen entwickelt werden, die den vielfältigen Bedürfnissen der Teilzeitbeschäftigten gerecht werden und gleichzeitig die Bedingungen schaffen, unter denen eine Erhöhung der Arbeitszeit attraktiv und machbar wird.

Zum Hintergrund

Das 1. Fachgespräch im Modellprojekt Entgeltgleichheit fand am 17. Mai 2024 zum Thema geschlechtergerechte Arbeitsbewertung statt. Die Fachgespräche schließen an die vierteilige Workshopreihe „Gender Pay Gap in Sachsen“ an, die SMJusDEG und DGB-Bezirk Sachsen in den Jahren 2022 und 2023 gemeinsam angeboten haben (siehe Abschlussdokumentation hier).

Mit dem „Maßnahmenkatalog – Entgeltgleichheit in Sachsen“ (https://www.gleichstellung.sachsen.de/download/Publikation_A4_GenderPay-Einzelseiten.pdf) wurde ein gemeinsames Papier mit Lösungsansätzen erarbeitet, das sich aktuell in der Umsetzung befindet. Die Teilzeitstudie ist ein Vorhaben dieses Maßnahmenkataloges.

Ausgangspunkt für das Modellprojekt Entgeltgleichheit des SMJusDEG ist eine Studie zu geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden in Sachsen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur (IAB) von 2022. Die Analysen des IAB hat das SMJusDEG als interaktive Gender-Pay-Gap-Landkarte für Sachsen anschaulich virtuell umgesetzt und aktualisiert diese regelmäßig: https://geoviewer.sachsen.de/mapviewer/resources/apps/gpg_sn/index.html?lang=de

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