Das Görlitzer Kahlbaum-Areal wird der neue Campus des Deutschen Zentrums für Astrophysik (DZA). Das Großforschungszentrum, das sich gerade in einer Aufbauphase befindet, kann damit im Herzen Europas errichtet werden. Das Gelände mit den Gebäuden wurde vom Freistaat Sachsen von der Eigentümergesellschaft gekauft. Der Freistaat wird dem DZA das Gelände dauerhaft unentgeltlich zur Verfügung stellen.
Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow sagte dazu: „Nun gibt es Gewissheit und ich freue mich, dass es gelungen ist, den Wunschstandort des DZA für den Aufbau des neuen Großforschungszentrums hier in Görlitz zu sichern. Dass wir damit gleichzeitig dem historischen Kahlbaum-Areal neues Leben einhauchen können, freut mich besonders. Mein Dank gilt allen, die daran in den vergangenen Monaten intensiv mitgearbeitet haben. Das DZA wird ein wissenschaftlicher Leuchtturm der Astrophysik im Herzen Europas.“
Der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu unterstreicht die Bedeutung der Entscheidung für die Stadt Görlitz. „Görlitz steht nun einmal mehr für ,Historie und Hightech’. Mit dem DZA-Standort auf dem Kahlbaum-Areal haben wir einen wichtigen Baustein für den Wissenschaftsstandort Görlitz hier an der Neiße.
In Görlitz forscht das deutsch-polnische Institut CASUS (Center for Advanced Systems Understanding), wir haben das Fraunhofer-Institut und den Innovationscampus auf dem Siemens-Energy-Gelände, die Senckenberg-Forschungsgesellschaft hier und – nicht zu vergessen – die Hochschule Zittau-Görlitz. Sie alle gemeinsam prägen nun unverwechselbar die Region.
Das DZA und sein Campus auf dem Kahlbaum-Areal bedeutet nun endgültig: Es gibt einen Paradigmenwechsel für die Wirtschaft und die Wissenschaft der Region, aus Görlitz heraus für Sachsen und weit darüber hinaus.“
Günther Hasinger, designierter Gründungsdirektor des DZA, freut sich über die Entscheidung: „Das Kahlbaum-Areal war unser Wunschort, um im Herzen Europas einen prominenten Platz für Spitzenforschung zu schaffen, darüber freue ich mich außerordentlich. Zu wissen, wo unser Campus nun hinkommt, ist ein sehr wichtiger Meilenstein für das DZA.“
Auf dem Kahlbaum-Gelände sollen künftig etwa 1.000 Mitarbeitende die Astrophysik-Forschung voranbringen. Dort sollen unter anderem Labore und Werkstätten errichtet werden. Etwa ein Drittel aller DZA-Beschäftigten werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sein. Weitere zwei Drittel werden im administrativ-technischen Bereich tätig sein. Die nichtwissenschaftlichen Jobfelder reichen von Handwerksberufen bis Bürojobs.
Über die Kaufkosten haben die Vertragspartner Stillschweigen vereinbart. Für das DZA beginnt nun die Planungsphase der Bauvorhaben. Ein konkreter Baubeginn kann noch nicht genannt werden.
Nach der Klärung der DZA-Standortfrage hat der Freistaat ein weiteres Großprojekt im Blick. Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow: „Wir möchten nun auch das Einstein-Teleskop nach Sachsen holen und unterstützen alle Bemühungen, die zu einer Standortentscheidung für die Lausitz führen. Beide Großprojekte, DZA und Einstein-Teleskop, passen inhaltlich perfekt zusammen und würden sich als direkte Nachbarn gut ergänzen.“
Das würde eine weitere Großinvestition in den Wissenschaftsstandort Lausitz bedeuten. Das Einstein-Teleskop (ET) ist eine europäische Initiative für die Errichtung eines unterirdischen Messinstruments in Form eines gleichseitigen Dreiecks. Mit dem ET können Gravitationswellen aus dem All detektiert und ausgewertet werden.
Der Direktor des Bereichs Astroteilchenphysik am Desy, Prof. Christian Stegmann, unterstreicht die Bedeutung der Entscheidung: „Das Einstein-Teleskop ist ein entscheidender Schritt in der Erforschung unseres Universums. Seine Bedeutung ist immens. Dass Sachsen sich klar positioniert ist ein starkes Signal.
Es zeigt eine tiefe Wertschätzung für die Lausitz und unterstreicht das Potenzial des Projekts, den Wandel der Region von einem ehemaligen Zentrum des Bergbaus zu einem Zentrum für Spitzenforschung mit Strahlkraft weit über die Grenzen Sachsen hinaus zu fördern. Als europäisches Großprojekt wäre das Einstein-Teleskop in der Lausitz ein Zeichen für grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Herzen Europas.“
Hintergrund Kahlbaum-Areal
Das Kahlbaum-Areal in Görlitz ist ein Ort von großer historischer Bedeutung. Es wurde 1855 von Dr. Hermann Andreas Reimer als erste Epilepsieklinik Deutschlands gegründet und entwickelte sich unter der Leitung von Dr. Karl Ludwig Kahlbaum zu einer der renommiertesten psychiatrischen Einrichtungen des 19. Jahrhunderts.
Das Areal trägt auch die Last einer dunklen Vergangenheit. Während der NS-Zeit wurden 1943 die Kahlbaum-Patienten in die Anstalt Großschweidnitz verlegt, wo viele unter katastrophalen Bedingungen starben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gelände zunächst als Lungenheilstätte genutzt. 1956 zog die II. Medizinische Klinik des Bezirkskrankenhauses Görlitz – im Volksmund „Zweite Med“ genannt – auf das Gelände. Seit 2004 steht es endgültig leer.
Das DZA wird nun das historische Areal wiederbeleben und künftig an die historische Bedeutung des Areals erinnern. Die Vergangenheit der Zweiten Med und der Psychiatrie soll weiter wissenschaftlich aufgearbeitet werden, um auch der Opfer der dunklen Kapitel der Geschichte zu gedenken. So soll das Areal künftig ein Ort der Forschung, des Erinnerns und Gedenkens sein. Dafür arbeitet das DZA eng mit der „Initiative PRO Kahlbaum“ zusammen.
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