Der Streit zwischen Landwirten, Landhandelsunternehmen und Pflanzenzüchter um die Umsetzung des BGH- Erntegut-Urteils spitzt sich vor der anstehenden Getreideernte zu und droht zu eskalieren. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. und die Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugesetze und Nachbaugebühren (IGN) leiten kartellrechtliche Schritte ein. Gleichzeitig rufen sie alle Verantwortlichen dazu auf, gemeinsam eine vernünftige, die Landwirte nicht benachteiligende praktikable Lösung zu suchen.
Georg Janßen, Geschäftsführer der IGN, kommentiert: „Stell Dir vor, Du schaffst es trotz der spürbaren Klimaveränderungen und Extremwetter-ereignisse mit Glück und praktischem Können in ein paar Wochen eine gute Getreideernte einzubringen. Du fährst damit zum Lagerhaus, zu einer Genossenschaft oder zum privaten Landhandel. Da wird Dir überall eine Erklärung vorgelegt, bei der Du nicht nur unterschreiben sollst, dass Du alle sortenschutzrechtlichen Bedingungen eingehalten hast.
Du sollst auch unterschreiben, dass das Erntegut insbesondere entweder aus zertifiziertem Saatgut stammt oder aus einer Nachbau-Ernte, bei der alle Gebühren fristgerecht entrichtet wurden oder Du Kleinlandwirt bist. Und oben drauf sollst Du eine Vertragsstrafe von bis zu 100,-Euro pro Tonne akzeptieren, wenn fehlerhafte Angaben vorliegen.
Und ein großes Agrarhandelsunternehmen setzt mit einer Drohung dem Ganzen eine Krone auf: Kein Geld für die gesamte Ernte 2024, solange Du die Lieferantenerklärung nicht unterschrieben hast. Bei Nichtunterschrift kannst Du gleich mit Deinem vollen Anhänger wieder nach Hause fahren, aber vorher abgeschlossene Kontrakte sind gefälligst einzuhalten, so der Tenor vieler Erklärungen bei Landhandelsunternehmen. Alles ein böser Albtraum? Eine Rocky Horror- Ernteshow?
Leider nein. Bei sehr vielen Ackerbauern und Landhandelsunternehmen liegen die Nerven blank, die Telefone stehen nicht still, nachts werden viele um ihren verdienten Schlaf gebracht. Ja, es gibt das Erntegut-Urteil des Bundesgerichtshofes vom November 2023. In dem Verfahren ging es um einen zweifellos illegalen Schwarzhandel von Landwirten mit Getreide und einer nicht unterzeichneten Unterlassungserklärung einer Genossenschaft.
Ja, der BGH hat eine Erkundigungspflicht des Agrarhandels bei Anlieferung von Getreide festgehalten. Wie diese Erkundigungspflicht genau auszusehen hat, darüber haben die Karlsruher Richter nicht befunden. Jetzt, kurz vor der Ernte, wollen der Bund der Deutschen Pflanzenzüchter und sein Inkassounternehmen Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) das Urteil in ihrem Interesse umbiegen und alle Landwirte unter Generalverdacht stellen.
Sie wollen eine Datenkrake mit Hilfe einer Datenbank schaffen, die Auskunft über den landwirtschaftlichen An- und Nachbau von Ackerfrüchten gibt. Dabei soll der Agrarhandel zum verlängerten Kontroll-Organ der STV gemacht werden, die sich seit über 20 Jahren den Unmut vieler Landwirte zugezogen hat. So kann man nicht mit uns umgehen. Wir rufen alle Bauernorganisationen auf, ihre Mitglieder genau zu informieren und sich mit uns zu wehren.
Die AbL und die IG Nachbau haben kartellrechtliche Schritte eingeleitet. Wir raten allen Berufkolleginnen und Kollegen, bei den bislang vorgelegten Lieferverträgen nicht zu unterschreiben. Die Raiffeisengenossenschaften und den Privaten Landhandel fordern wir auf, die bisherigen Liefererklärungen zu widerrufen.
Vielmehr sollten sie dem Beispiel einzelner Genossenschaften und privaten Landhändlern folgen, die sich schon mit uns und den Landwirten auf Augenhöhe zusammen setzen, um eine Erklärung auszuarbeiten, die dem BGH-Urteil gerecht wird und mit denen beide Seiten klarkommen. Wer meint, er müsse jetzt in der Vorerntezeit nur ordentlich Druck auf die Landwirte ausüben, dem sei gesagt: Wer Unfrieden sät, der wird bäuerlichen Widerstand ernten.“
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