Wie der Schutz vor Diskriminierung im Freistaat Sachsen effektiver gelingen kann, skizziert das Interdisziplinäre Gutachten „Verbesserung des Diskriminierungsschutzes entlang der Merkmale des AGG in Hinblick auf landesgesetzliche Zuständigkeiten in Sachsen“.
Autorinnen des im Auftrag des Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (SMJusDEG) erstellten interdisziplinären Gutachtens sind Prof. Dr. Maria Wersig (Rechtliche Grundlagen der Sozialen Arbeit; Hochschule Hannover), Prof. Dr. Susanne Dern (Soziale Sicherung, Inklusion und Verwaltung; Hochschule Fulda), Prof. Dr. Jasmin Brück (Soziale Arbeit; IU Internationale Hochschule) und Dr.in Gerrit Kaschuba (Geschäftsführerin Forschungsinstituts tifs e.V. – Tübinger Institut für gender- und diversitätsbewusste Sozialforschung).
Sie stellten ihre Untersuchung am 6. Juni im Rahmen des im Dresdner Hygienemuseum veranstalteten Fachaustauschs „Selbstverständlich vielfältig – Perspektiven zu geschlechtlicher und sexueller Vielfalt in Sachsen“ vor.
Gleichstellungsministerin Katja Meier: „Wir sind mit dem Ziel in diese Koalition gestartet, Lücken im Diskriminierungsschutz zu schließen. Als Staatsregierung tragen wir hier eine besondere Verantwortung und Vorbildfunktion. Als Dienstleisterin wie auch als Arbeitgeberin müssen wir unsere eigenen Strukturen kritisch reflektieren und diese aktiv verbessern. Das vorliegende Gutachten hilft uns, Schwachstellen zu erkennen und effektiv gegen sie vorzugehen. Die Empfehlungen und Vorschläge sind dafür gemacht, den Diskriminierungsschutz des Freistaates zu verbessern und konstruktiv zu begleiten.“
Das Gutachten soll gesetzliche und tatsächliche Handlungsoptionen zur Stärkung des rechtlichen Diskriminierungsschutzes und zur Förderung der Diversität in der sächsischen Verwaltung aufzeigen. Dafür untersucht es landesrechtliche Handlungsbedarfe, präventive Maßnahmen zur Verbesserung des Diskriminierungsschutzes und die Einrichtung einer Ombudsstelle.
Benachteiligungsverbote und ihre Durchsetzungsmechanismen seien zwar enorm wichtig, könnten aber strukturelle Benachteiligungen allein nicht überwinden. Zu den Gestaltungsmöglichkeiten der Landesgesetzgebung sagt darum Prof. Dr. Maria Wersig: „Auf rechtlicher Ebene steht die Landesgesetzgebung vor der Aufgabe, einen wirksamen und umfassenden, sowie transparenten Diskriminierungsschutz zu etablieren.
Dies betrifft eine ganze Reihe von Regelungsbereichen, die in der Verantwortung der Landesgesetzgebung stehen: Die öffentliche Bildung, das Handeln von Ämtern und Behörden – einschließlich Polizei – und das öffentliche Dienstrecht. Diskriminierungsverbote mit klaren Zuständigkeiten und Rechtsfolgen für diese Bereiche könnten zum Beispiel in einem sächsischen Landesantidiskriminierungsgesetz geregelt werden.“
Die Einrichtung einer landesübergreifenden Stabsstelle für Diversität und Diskriminierungs-schutz könne dabei unterstützen, die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen zur aktiven Gestaltung der Lebens- und Arbeitsbedingungen im Land Sachsen zu schaffen, sagt Prof. Dr. Jasmin Brück: „Zusätzlich zu einem verbesserten rechtlichen Diskriminierungsschutz sind weitere gesamtgesellschaftliche Bemühungen unabdingbar.
Hierzu benötigen sowohl Führungskräfte und Bedienstete neben einer diskriminierungssensiblen und –kritischen Haltung auch fundierte Kenntnisse zu Diversität sowie entsprechende Umsetzungskompetenzen.“ Zugleich sei Diskriminierungsschutz auch immer eine Frage der Haltung. Eine fachbezogene Sensibilisierung aller Landesbediensteten, Fort- und Weiterbildungen seien deswegen ratsam.
Zuletzt könne die Neueinrichtung einer Ombudsstelle in Sachsen zu wichtigen Verbesserungen führen. Die Stelle könne sowohl auf der Ebene der Prävention als auch auf der Ebene der Intervention wirksam werden, sagt Prof. Dr. Susanne Dern: „Ein demokratischer Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass Bürgerinnen und Bürger und Verwaltung gut miteinander kommunizieren und etwaige Konflikte gut lösen können. Ombudsstellen spielen dabei eine wichtige Rolle, indem sie moderieren und unterstützen. Sie sorgen dafür, dass Verwaltungsabläufe und -praktiken fair und diskriminierungsfrei gestaltet werden. Ombudsstellen sind also nicht nur „Bürgeranwältinnen“, sondern tragen auch zur Qualitätsentwicklung und zu guter Verwaltungspraxis bei.“
Die Ombudsstelle sollte sowohl individuellen Personen als auch Gruppen offenstehen. Sie soll unabhängig agieren können, mit der Befugnis, proaktiv Untersuchungen bei Anzeichen von Diskriminierung einzuleiten und entsprechende Maßnahmen zu empfehlen, eine gütliche Streitbeilegung anzustreben oder ein Beanstandungsverfahren einzuleiten. Zur Unterstützung ihrer Effektivität sollten gesetzliche Regelungen für angemessene Ressourcen und Kompetenzen sowie Qualitätssicherungsprozesse etabliert werden.
Das vollständige Gutachten steht zum Download bereit: https://www.gleichstellung.sachsen.de/antidiskriminierung-4042.html
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