Als Ende März 2024 ein Reisebus auf der A9 bei Leipzig verunglückte, änderte sich das Leben von Sofie Quast schlagartig. Die 24-jährige Berlinerin wurde durch das Umkippen des Fahrzeugs lebensgefährlich verletzt. Nach über 10 Wochen auf Station und 14 Operationen im Helios Park-Klinikum Leipzig wurde sie nun in die Reha entlassen. Ihre Selbstständigkeit und ihre Mobilität hat Sofie Quast bereits zu großen Teilen wiedergewonnen. Rückblickend berichtet sie, wie sie die ersten Minuten nach dem Unfall wahrnahm und wie sie die Zeit in der Klinik erlebte.
Nachdem Sofie Quast aus dem verunfallten Fahrzeug geborgen worden war, brachte ein Helikopter sie in das Helios Park-Klinikum Leipzig, wo das Team der Notaufnahme sie bereits erwartete. Die ersten Untersuchungen zeigten schnell, wie gravierend ihre Verletzungen waren: Neben mehreren Knochenbrüchen an Becken, Arm und Schlüsselbein hatte die junge Frau ein Schädel-Hirn-Trauma, eine Lungenprellung, zahlreiche Wunden durch Glassplitter, ein ausgerenktes Fußgelenk und eine großflächige Weichteilverletzung am linken Oberschenkel- und Hüftbereich.
„Die Summe ihrer Verletzungen, ein so genanntes Polytrauma, war auf jeden Fall lebensbedrohlich“, beschreibt Carsten Fischer, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie am Helios Park-Klinikum Leipzig. „In der ersten Phase ihrer Behandlung ging es darum, ihr Überleben zu sichern – also um das Stillen von Blutungen, die Stabilisierung von Kreislauf und Atmung, und die vorläufige Fixierung der Frakturen an Becken und Arm.“
Nachdem Sofie Quast zunächst drei Tage im künstlichen Koma lag, verbrachte sie drei Wochen auf der Intensivstation. In dieser Zeit, der zweiten Phase der Polytrauma-Behandlung, konnten ihre Brüche an Arm und Schlüsselbein endgültig versorgt werden. Das Becken heilte im Fixateur soweit aus, dass dieser entfernt werden konnten. Gleichzeitig kontrollierte das Ärzt:innen-Team sämtliche Vitalfunktionen engmaschig, um Komplikationen wie Nierenschäden oder eine Sepsis zu verhindern. Am meisten beschäftigte die Mediziner jedoch die Weichteilverletzung, eine so genannte Morel-Lavallée-Läsion.
Die Morel-Lavallée-Läsion ist ein selten auftretendes Krankheitsbild, das durch großflächige Ablösung des Unterhautfettgewebes von der Faszie (Décollement) nach Überrolltraumen (durch gleichzeitiges Einwirken von Druck- und Scherkräften) im Beckenbereich auftreten kann.
Bei der Therapie dieser, vermutlich durch Einklemmen entstandenen Verletzung arbeiteten die Unfallchirurgen und Anästhesisten des Helios Park-Klinikums Leipzig erfolgreich mit den plastischen Chirurgen des Klinikums St. Georg zusammen. Mittels einer Eigenhaut-Transplantation konnte die Wunde nach gründlicher Vorbereitung schließlich gedeckt und somit der „Schutzmantel Haut“ wiederhergestellt werden.
Im Ernstfall extrem motiviert
Um die Versorgung Schwerverletzter zu sichern, ist das Helios Park-Klinikum Leipzig Teil des Trauma-Netzwerk Westsachsen und als lokales Traumazentrum zertifiziert. „Wir trainieren die Versorgung von Polytrauma-Fällen regelmäßig, aber der Ernstfall tritt recht selten ein. Als Frau Quast zu uns kam, waren alle Beteiligten extrem motiviert und engagiert. Sowohl in der Notaufnahme als auch auf der Intensivstation waren die Pflegekräfte überaus bemüht“, erzählt Unfallchirurg Carsten Fischer.
„Insgesamt war es das Zusammenwirken von Notaufnahme, Intensivmedizin, Anästhesiologie, Unfallchirurgie, plastischer Chirurgie, Physio- und Ergotherapie, Psychologie und natürlich der Pflege, das zu einem sehr guten Heilverlauf geführt hat. Dass Frau Quast nun wieder auf eigenen Füßen laufen und ihr Leben selbstbestimmt führen kann – das ist ein großes Glück angesichts der Umstände, unter denen sie zu uns kam.“
„Es hat sich angefühlt wie Stunden.“
„Ich war auf dem Weg zu meiner Abschlussprüfung als Ergotherapeutin, hatte Kopfhörer auf und wollte noch etwas lernen. Kurz vor dem Unfall fiel mir auf, dass es ruckelte, ich sah die Bäume näherkommen. Dann habe ich ein Blackout bis zu dem Moment, wo ich wieder aufwachte – in einer kaputten Scheibe sitzend“, beschreibt Sofie Quast.
„Ich hatte zunächst keine Schmerzen, konnte aber nicht aufstehen. Mir war klar, dass etwas Schlimmes passiert war, aber ich hatte keine Ahnung, was. Ich machte Atemübungen, um mich zu beruhigen. Mir war sehr wichtig, wach zu bleiben, damit ich den Rettungskräften meinen Namen sagen kann. Irgendwann wurde mir kalt. Ich weiß, dass die Rettungskräfte innerhalb von Minuten ankamen, aber für mich hat es sich angefühlt, als hätte ich da Stunden gesessen.
Als ich drei Tage später auf Intensivstation wieder aufwachte, war zunächst nicht klar, welche Körperteile ich bewegen können würde. Anfangs war es höllisch, dort zu liegen und nicht selbstbestimmt zu sein. Aber die Schwestern taten alles, damit ich mich wohlfühle. Ich hatte immer einen Ansprechpartner, habe mich immer sicher gefühlt. Gerade auf der Intensivstation war es wirklich eine vollumfassende Versorgung. Als dann das Angebot kam, in ein Krankenhaus nahe meinem Wohnort verlegt zu werden, habe ich das abgelehnt – ich wollte im Park-Klinikum bleiben.
Als ich nach ein paar Wochen auf die Normalstation verlegt wurde, hat mir das zunächst Angst gemacht. Aber es war rückblickend gut so. Ich hatte mehr Privatsphäre, mehr Ruhe und es wurde mehr Selbstständigkeit von mir verlangt. Da merkte ich, was alles ging, an das ich mich einfach nicht herangetraut hatte. Seit dem 8. Mai kann ich wieder aufstehen und kleine Schrittchen laufen. Meine persönliche Prognose ist, dass ich nächstes Jahr wieder arbeiten kann. Als Nahziel plane ich, im August auf das Alligatoah-Konzert zu gehen.
Mir ist es wichtig, anderen Unfallopfern und deren Angehörigen Mut zu machen. Auch wenn es zunächst schlimm aussieht, muss ein Unfall kein Weltuntergang sein. Aus Patientensicht ist es total hilfreich, kein Drama zu machen, sondern zu sagen: Mal schauen, was du heute schon kannst. Und morgen sehen wir weiter.“
Sofie Quast wurde am 5. Juni aus dem Helios Park-Klinikum Leipzig entlassen. Den Weg von ihrem Zimmer zu dem Kleinbus, der sie zur Reha bringen sollte, legte sie zu Fuß zurück.
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