Der Deutsche Presserat hat auf seinen Sitzungen vom 11. bis 13. Juni insgesamt 23 Rügen ausgesprochen.

Schauspieler in hilfloser Situation gezeigt

BILD.DE wurde gerügt wegen der Berichterstattung über einen Schauspieler, der in der Öffentlichkeit randaliert hatte und schließlich von der Polizei überwältigt worden war. Ein Foto und ein Video zeigten, wie der Betroffene nur in Unterhose gekleidet und in offensichtlich verwirrtem Zustand auf einer Trage gefesselt wurde. Diese Darstellung verletzte die Ehre des Betroffenen nach Ziffer 9 des Pressekodex.  

Foto und Aufenthaltsorte der Block-Kinder veröffentlicht

BILD.DE erhielt eine Rüge wegen der Berichterstattung über den Sorgerechtsstreit um die Kinder der Steakhouse-Erbin Christina Block. Unter der Überschrift „Polizeischutz für Block-Kinder in Dänemark“ veröffentlichte die Redaktion Straße und Wohnort sowie Fotos des Hauses der Familie in Dänemark. In dem Folgebeitrag „In diesem Heim kümmern sie sich um die Block-Kinder“ wurden Name und Fotos eines Kinderheims publiziert, in welches diese im Zuge des Sorgerechtsstreits gebracht worden waren.

Der Teaser auf der Startseite enthielt kurzzeitig auch ein unverpixeltes Foto der Kinder. Nach Ziffer 8, Richtlinie 8.3 dürfen Kinder und Jugendliche jedoch in der Regel nicht identifizierbar sein. Die Fotos und die Nennung des Wohnhauses und des Heims verletzten zudem deren Schutz des privaten Aufenthaltsortes nach Ziffer 8, Richtlinie 8.8.

Überschrift und Bericht entsprachen nicht den Tatsachen

Die Online-Ausgabe der NORDWEST-ZEITUNG erhielt eine Rüge wegen falscher Behauptungen über eine Demonstration gegen einen Bürgerdialog der AfD. Unter der Überschrift „Polizei rüstet sich für mögliche Eskalation vor dem Bürgerhaus” schrieb die Redaktion, es hätten sich linksautonome Radikale und Extremisten angekündigt. Außerdem nannte sie ein kurdisches Frauennetzwerk mit angeblichen Kontakten zur militanten kurdischen Arbeiterpartei PKK und unterstellte der Ehefrau des Hauptinitiators des AfD-Treffens, sie würde dieses Netzwerk „aufmischen“.

Jedoch lagen weder dem Anmelder der Demonstration noch der Polizei Hinweise auf die Teilnahme Radikaler oder Extremisten vor. Weil es auch für die anderen Behauptungen keine Beweise gab, lag ein schwerer Sorgfaltsverstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex vor. Zwar berichtete die Redaktion in einem Folgeartikel über Kritik an dem Beitrag. Dies entsprach jedoch nicht den Anforderungen einer transparenten Korrektur nach Ziffer 3 des Kodex.  

Ungeprüft Aussagen eines Hausarztes zu Corona übernommen

Die Online-Ausgabe der SCHWÄBISCHEN ZEITUNG erhielt eine Rüge wegen der ungeprüften Übernahme von Prognosen eines Hausarztes zur Pandemie. In dem Beitrag „Hausarzt: ,Wir brauchen das Schreckgespenst Corona nicht mehr!’“ erklärte der frühere Leiter einer ehemaligen Corona-Schwerpunktpraxis, warum er sich heute für einen angstfreien Umgang mit dem Virus einsetzt. Hierbei traf er auch epidemiologische Prognosen ‒ etwa, dass neue gefährliche Mutationen unwahrscheinlich seien, das Virus aufgrund der Impfungen keinen Wirt mehr finde und es keine neuen Long-Covid-Fälle mehr geben könne.

In diesen weitreichenden Aussagen zu einem relevanten und angstbesetzten Thema ohne weitere Einordnung sah der Presserat einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 und Ziffer 14 des Pressekodex, nach der bei Berichten über medizinische Themen eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden ist.

Fünf Rügen für falsche Überschriften über die „Letzte Generation“

BZ-BERLIN.DE, BILD.DE, WELT.DE sowie die Online-Ausgaben der RHEINISCHEN POST und der SÄCHSISCHEN ZEITUNG erhielten jeweils eine Rüge wegen der Berichterstattung über eine Entscheidung des Landgerichts München. Das Gericht hatte bei der Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ den Anfangsverdacht einer kriminellen Vereinigung als gegeben angesehen.

In den gerügten Beiträgen hieß es jedoch, das Gericht habe die Gruppe bereits als kriminelle Vereinigung eingestuft. Diese Darstellung geht nach Ansicht des Presserats weit über den tatsächlichen Inhalt des Urteils hinaus und ist mit der journalistischen Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 Pressekodex nicht vereinbar.

Zwei Rügen für falsche Darstellung von Aussagen zur Energiepolitik

Gegen MERKUR.DE wurden zwei Rügen für Berichte unter den Überschriften „Habeck will Gasnetze stilllegen“ und „,Fehler wird wiederholt‘: Ampel will Aus für Gasnetze – Debatte wird hitziger“ ausgesprochen. Die Beiträge beschäftigten sich mit einem Diskussionspapier des Bundeswirtschaftsministeriums, nach dem es notwendig werden könnte, Gasnetze stillzulegen, falls sie zu teuer würden. Von einer konkreten Absicht, Netze stillzulegen, war jedoch nicht die Rede. Der Presserat sah in den nicht belegten Aussagen schwere Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht. 

Artikel suggeriert Schwangerschaft einer Schlagersängerin

Die FREIZEIT REVUE erhielt eine Rüge wegen eines irreführenden Artikels über die Schlagersänger Florian Silbereisen und Beatrice Egli. Unter der Schlagzeile „Florian und Beatrice: Süße Glücks-Nachricht: Jetzt lüftet SIE das pikante Geheimnis“ hieß es, die Beziehung des Duos bleibe „nicht ohne Folgen”, im Bett habe man sie auch schon gesehen.

Erst am Ende des Textes zitierte die Redaktion eine Aussage, wonach die beiden jedoch lediglich ein neues eher berufliches Projekt erwägen. Der Presserat sah deshalb in dem Bericht eine schwere Irreführung der Leserschaft nach den Ziffern 1 und 2 des Pressekodex.

Opfer einer Explosion gezeigt

BILD.DE wurde gerügt wegen eines Berichts über das Opfer eines Unglücks. Unter der Überschrift „Oma Herta (85) starb nach Hausexplosion“ zeigte die Redaktion ein Porträtfoto der tödlich Verunglückten. Nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2 des Pressekodex hätte die Redaktion vor der Veröffentlichung des Fotos jedoch eine Einwilligung der Angehörigen einholen müssen, da die Identität von Opfern besonders zu schützen ist.

Verunglückte eines Verkehrsunfalls wurden erkennbar

Eine Rüge erhielt BILD.DE, weil die Redaktion Fotos einer tödlich verunglückten Mutter und ihres Sohnes gezeigt hatte. Unter der Überschrift „Rentner raste dieses Glück in den Tod“ berichtete das Medium über einen tödlichen Unfall in Berlin, bei dem das Auto eines 83-jährigen Mannes eine Mutter und deren Kind erfasst hatte.

Die Redaktion gab an, dass Medien in Belgien, woher die Opferfamilie stammte, die identifizierenden Fotos ebenfalls gezeigt hätten. Die nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2 vor der Veröffentlichung erforderliche Einwilligung der Angehörigen legte die Redaktion aber nicht vor. 

Redaktion zeigt tödliche Schüsse

BILD.DE wurde gerügt für einen Beitrag unter der Überschrift „Hier erschießt ein US-Professor zwei Umweltaktivisten“. Der Artikel beschäftigte sich mit einem Vorfall, bei dem ein Mann bei einer Demonstration in Panama zwei Menschen erschossen hatte. Beigestellt waren dem Beitrag zwei Fotos, die den Augenblick der Tat zeigen sollen. Nach Ansicht des Presserats verstieß die Veröffentlichung dieser Bilder gegen die Ziffern 1 und 11 des Pressekodex, da es mit dem Ansehen der Presse nicht vereinbar ist, den Moment zu zeigen, in dem ein Mensch getötet wird. Dies ist unangemessen sensationell.

Vorverurteilend über ein Tötungsdelikt berichtet

BILD.DE erhielt eine Rüge für einen Artikel unter dem Titel „Sie prügelten ‚Goodbye Deutschland‘-Star zu Tode“. Die Berichterstattung informierte darüber, dass ein durch eine deutsche Fernsehsendung bekannter Mann in Istanbul von zwei Männern getötet worden sei. Die mutmaßlichen Täter befanden sich zum Zeitpunkt der Berichterstattung in Untersuchungshaft, waren jedoch weder angeklagt noch verurteilt.

Der Presserat erkannte in der Veröffentlichung eine Verletzung der Ziffer 13 des Pressekodex, da sie sprachlich nicht deutlich zwischen einem Verdacht und erwiesener Schuld unterschied und damit vorverurteilend war.

Versehentlich Link und Passwort zu gehackten Daten veröffentlicht

BILD.DE erhielt eine Rüge wegen Verstößen gegen das Ansehen der Presse nach Ziffer 1 und die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex. Unter dem Titel „4.300 Kunden von Hacker-Angriff betroffen!“ berichtete die Redaktion über einen russischen Hacker-Angriff auf das Kaufhaus des Westens, bei dem tausende Kunden- und Beschäftigten-Daten erbeutet und ins Darknet gestellt wurden. Die Redaktion fügte dem Beitrag einen Screenshot aus dem Darknet bei, auf dem der Link zu den Daten und das Passwort zu lesen waren.

Die Redaktion wies gegenüber dem Presserat darauf hin, dass sie den Fehler selbst bemerkt und innerhalb von weniger als drei Stunden nach Veröffentlichung beseitigt hatte. Der Beschwerdeausschuss bejahte dennoch einen massiven Verstoß gegen das Ansehen der Presse, da auch die kurzzeitige Veröffentlichung den Zugriff auf sensible personenbezogene Daten und deren Nutzung für Straftaten ermöglichte.  

Keine Gelegenheit zur Stellungnahme für beschuldigten Politiker

BILD.DE erhielt eine Rüge, weil sie einem Politiker keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu gegen ihn erhobene Vorwürfe gegeben hatte. Unter den Überschriften „Vorermittlungen gegen Grünen-Stadtrat“ und „Generalstaatsanwalt ermittelt gegen Ex-Grünen-Stadtrat“ berichtete die Redaktion über (Vor-) Ermittlungen wegen des Verdachts der Verharmlosung des Holocaust.

Der Betroffene hatte in einem Post auf der Plattform X die Aufwiegelungen gegen die Grünen anlässlich des Heizungsgesetzes mit der Verfolgung der Juden in der NS-Zeit verglichen. Der Presserat sah in der fehlenden Konfrontation durch die Redaktion einen schweren Verstoß gegen die journalistische Sorgfalt nach Ziffer 2 des Pressekodex. Die Redaktion hätte den Politiker mit den Ermittlungen und dem gravierenden Vorwurf der Holocaustleugnung konfrontieren müssen. 

Schleichwerbung für Schamanin

Die FREIZEIT REVUE wurde gerügt wegen eines Artikels unter der Überschrift „‘Ich konnte schon als Kind mit Verstorbenen reden‘“. In dem Beitrag wurde eine Schamanin vorgestellt und deren Arbeit beschrieben. Zudem verlinkte die Redaktion auf ihre Webadresse und nannte die Preise für ihre Dienstleistung.

Der Presserat sah in dem Beitrag eine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex, da die Redaktion völlig distanzlos die Behauptungen der Frau im Hinblick auf ihre angeblichen Fähigkeiten als Tatsachen darstellte. Zudem erkannte er in der Angabe der Website und der Höhe des Honorars Schleichwerbung nach Ziffer 7 für das Angebot der Schamanin.

Ausführlicher Bericht über Werbespot einer Brauerei

BILD.DE erhielt eine Rüge wegen eines Artikels unter dem Titel „Klopp trägt auf einmal Lederhosen – was steckt dahinter?“, in dem es um einen Werbespot einer Brauerei mit dem Fußballtrainer Jürgen Klopp ging. Der Inhalt des Spots wurde beschrieben und ein von der Brauerei stammendes Foto des Trainers in Lederhosen veröffentlicht.

Zudem hieß es, es gebe noch eine inhaltliche Ebene über den Spot hinaus, da Klopp der Wunschtrainer vieler Bayern-Fans sei und zum Sommer seinen Abschied aus Liverpool verkündet habe. Der Presserat erkannte in der Veröffentlichung Schleichwerbung nach Ziffer 7 des Pressekodex, da die mehrfache Nennung der Brauerei in Wort und Bild nicht mehr durch ein öffentliches Interesse gedeckt war.

Werbliches Interview mit Heizungshersteller

Die RHEIN-ZEITUNG wurde wegen eines Interviews mit dem Geschäftsführer eines Herstellers von sogenannten Sockelleistenheizungen gerügt. Unter der Überschrift „Das System schließt Lücken in der Energiewende” wurden die Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten des Heizungssystems ausführlich dargestellt und der Name des Herstellers mehrfach genannt. Aus Sicht des Beschwerdeausschusses war diese Hervorhebung weder durch ein öffentliches Interesse noch durch ein besonderes Informationsinteresse der Leser gerechtfertigt.

Zudem erschienen die Ausführungen werblich und ließen die erforderliche journalistische Distanz vermissen. Außerdem wurde nicht offengelegt, dass der Verleger der Zeitung zugleich einer der Gesellschafter des Herstellerunternehmens ist. Damit lag ein Verstoß gegen Ziffer 6, Richtlinie 6.1 vor sowie Schleichwerbung nach Ziffer 7 des Pressekodex. 

Ode an ein Pflegeprodukt

ZEIT.DE erhielt eine Rüge wegen eines Artikels über ein Styling-Produkt. In dem Beitrag aus der Serie „Ode an ein Ding“ beschrieb der Autor begeistert die Vorzüge eines bestimmten Haarwachses und erwähnte dessen Namen und Hersteller. Aus Sicht des Beschwerdeausschusses war dies weder durch ein begründetes öffentliches Interesse noch durch ein Informationsinteresse der Leser gerechtfertigt, ein Alleinstellungsmerkmal des Produkts war nicht ersichtlich. Daher verstößt der Beitrag gegen das Trennungsgebot von Redaktion und Werbung nach Ziffer 7, Richtlinie 7.2 des Pressekodex.

Schleichwerbung für Outdoor-Möbel 

GUTE LAUNE wurde gerügt wegen eines werblichen Beitrags über Outdoor-Möbel. Unter der Überschrift „Meine Freiluft Lounge“ wurden mehrere Produkte für den Außenbereich abgebildet und beschrieben, Namen und Hersteller wurden genannt. Dazu wurde die Abbildung einer Frau arrangiert und mitgeteilt, der dargestellte Outdoor-Bereich sei der einer namentlich genannten „Kölnerin“, die von den Produkten „begeistert“ sei.

Wie die Redaktion gegenüber dem Presserat einräumte, zeigt das Foto tatsächlich ein Model einer Modemarke. Wegen der Hervorhebung der ausgewählten Produkte und der Beschreibung in werblicher Sprache bewertete der Beschwerdeausschuss den Beitrag als Schleichwerbung im Sinne von Ziffer 7, Richtlinie 7.2. des Pressekodex.

Die Darstellung der angeblichen Besitzerin des Outdoor-Bereichs im Zusammenhang mit dem Model-Foto bewertete der Ausschuss als schwere Irreführung der Leser und einen Verstoß gegen die Pflicht zur Wahrhaftigkeit nach Ziffer 1 des Pressekodex.

Statistik

23 öffentliche Rügen, 23 Missbilligungen und 30 Hinweise. 49 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet, 5 Beschwerden waren begründet, es wurde aber auf eine Maßnahme verzichtet. Insgesamt behandelt wurden 154 Beschwerden. Bei 24 Beschwerden handelte es sich u.a. um Einsprüche und Wiederaufnahmen.

Eine Liste der aktuellen Rügen finden Sie auf unserer Homepage:
https://www.presserat.de/ruegen-presse-uebersicht.html#2024

Zum Pressekodex: 
https://www.presserat.de/pressekodex.html

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