Der Sächsische Landtag hat heute das Gesetz zur Neuregelung des Nachrichtendienstrechts beschlossen. Sachsen war bei dieser nötigen Anpassung an die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes dabei besonders schnell: Als drittes Bundesland überhaupt wurde eine entsprechende Novelle verabschiedet. Das Gesetz entspricht nunmehr den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, enthält mehr Befugnisse für das Landesamt aber auch mehr Kontrollmöglichkeiten durch Landtag und Gerichte.

Staatsminister Armin Schuster: „Kaum jemand hätte darauf gewettet, dass diese Koalition auch das Nachrichtendienstgesetz gravierend reformieren würde. Das Gesetz ist überarbeitet im Sinne des aktuellen Urteils des Bundesverfassungsgerichts und im Sinne der gesammelten Erfahrungen aus dem NSU Komplex. Im Ergebnis steht Sachsen nun neben Bayern und Hessen an der Spitze der Modernisierer im Bereich Verfassungsschutz. In den harten aber von Wertschätzung getragenen Verhandlungen konnte niemand alles durchsetzen, deshalb werden wir die dringend notwendige Online Durchsuchung in der kommenden Legislatur wieder auf die Tagesordnung setzen.“

Die wesentlichen Änderungen im Überblick

In Umsetzung der bindenden Vorgaben des Bundesverfassungsschutzgesetzes soll die Beobachtung von Einzelpersonen bereits dann möglich sein, wenn ihr Verhalten auf die Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele ausgerichtet ist. Auf eine Gewaltorientierung kommt es künftig nicht mehr an.

Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgend sind eingriffstiefe nachrichtendienstliche Mittel künftig nur unter Beachtung einer erhöhten Eingriffsschwelle zulässig. Die Rechtsnovelle erklärt sie nur zur Aufklärung eines »erheblich beobachtungsbedürftigen« Beobachtungsobjekts für zulässig. Das betrifft Wohnraumüberwachungen , den Einsatz verdeckter Bediensteter und Vertrauenspersonen, bestimmte Observationen und längerfristige Bewegungsüberwachungen.

Das überarbeitete Gesetz sieht außerdem eine neue Befugnis zur Ortung und Identifizierung von Mobilfunkendgeräten vor, den Einsatz sogenannter „IMSI-Catcher“. Hiermit soll künftig der Standort sowie die Geräte- und Kartennummer eines Mobilfunkgeräts ermittelt werden können. Die Maßnahme dient der Vorbereitung von Observationen, von Verkehrsdatenauskünften und von Maßnahmen nach dem Artikel 10-Gesetz.

Auch wird die Befugnis des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen, Privatunternehmen verschiedener Branchen um Auskunft zu bestimmten Daten von Extremisten ersuchen zu können, an den Standard des Bundes und der meisten übrigen Länder angepasst. So sollen sämtliche Auskünfte künftig einer einheitlichen Eingriffsschwelle unterliegen und auch im Aufgabenbereich des Inlandsextremismus einholbar sein, also nicht nur – wie bisher – beispielsweise bei Spionage durch ausländische Stellen.

Des Weiteren soll der sächsische Verfassungsschutz künftig Bestandsdaten bei Telemediendienste-Anbietern einholen dürfen. Auf diese Weise können z. B. Vertragsdaten bei Internetauktionshäusern und -tauschbörsen etwa zum Handel und Vertrieb volksverhetzender Propagandamaterialien erhoben werden.

Ermöglicht werden soll künftig außerdem die Abfrage von Kontostammdaten beim Bundeszentralamt für Steuern. Diese Daten könnten werden benötigt, um nachfolgend einen Antrag auf Anordnung einer Finanzauskunft zu stellen.

Den neuen Befugnissen stehen auch neue Kontrollmöglichkeiten gegenüber. So wird die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Sächsischen Landtages künftig durch eine dauerhafte Fachstelle unterstützt. Bestimmte eingriffsintensive Maßnahmen müssen künftig vorab vom zuständigen Amtsgericht genehmigt werden. Der Innenausschuss des Landtages wird nun neben der PKK regelmäßig über die Tätigkeit des LfV informiert – mit Einschränkungen hinsichtlich des Geheimschutzes – vertrauliche Angelegenheiten werden weiterhin nur in der PKK erörtert. Die daneben bestehenden Befugnisse der G-10-Kommission des Sächsischen Landtages bleiben unangetastet.

Hintergrund: In seinem Grundsatzurteil aus dem Jahr 2022 hat das Bundesverfassungsgericht Vorgaben für die Ausgestaltung der rechtlichen Befugnisse der Verfassungsschutzbehörden gemacht, die Relevanz für sämtliche Verfassungsschutzgesetze von Bund und Ländern haben. Damit unterliegt der Einsatz besonders eingriffsintensiver nachrichtendienstlicher Mittel künftig einer erhöhten Eingriffsschwelle.

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