Mit breiter Zustimmung auf Länderebene hat der Freistaat Sachsen im Rahmen der 34. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) seine Anträge „Jetzt Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase legalisieren!“, „Union der Gleichheit erreichen: EU-Gleichstellungsstrategie weiterentwickeln“, „Themen geschlechtlicher und sexueller Vielfalt in der GFMK“ und „Krankheitsbild Lipödem nicht auf die lange Bank schieben“ eingebracht.
Ausgerichtet wurde die GFMK in diesem Jahr vom Land Baden-Württemberg und fand in Ludwigsburg statt.
„Jetzt Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase legalisieren!“
14 weitere Bundesländer schlossen sich dem Entschließungsvorschlag des Freistaates an. Er bezieht sich auf den von der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin (Expertinnenkommission) am 15. April 2024 vorgelegten Bericht mit weitreichenden Überlegungen zu rechtlichen, gesellschaftlichen und psychosozialen Aspekten des Schwangerschaftsabbruches und dessen zeitgemäßer Neuregelung.
Sachsen und die mitantragstellenden Ländern fordern nun Bundestag und Bundesregierung auf, Regelungsvorschläge für eine Fristenlösung für die ersten zwölf Wochen außerhalb des Strafrechts vorzulegen, anstelle der vorgeschriebenen Pflichtberatung das Recht auf eine freiwillige und kostenfreie Beratung im Schwangerschaftskonflikt einzurichten, dabei den bestehenden umfassenden und finanziell abgesicherte Rechtsanspruch auf Schwangeren-, Familienplanungs- und Sexualberatung beizubehalten und die Kostenregelung des Schwangerschaftsabbruchs entsprechend neu zu treffen.
Gleichstellungsministerin Katja Meier: „Der im April 2024 vorgestellte Bericht der Expertinnenkommission zur reproduktiven Selbstbestimmung hat ausdrücklich einen Reformbedarf der aktuellen Rechtslage angezeigt. Keine Frau trifft die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch willkürlich oder leichtfertig. Ich bin sehr froh über die breite Zustimmung zu unserem Vorschlag, denn gerade weil eine ungewollte Schwangerschaft und die Entscheidung für einen Abbruch eine extrem belastende Situation für Frauen sein kann, kommt unsere Forderung der Lebensrealität dieser Frauen sehr viel näher.
Frauen in Ost- und Westdeutschland haben lange dafür gekämpft, dass die Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch überarbeitet werden. Für ostdeutsche Frauen war die Neureglung des Paragraph 218 Anfang der 1990er ein massiver Einschnitt in ihr Selbstverständnis und ein Rückschritt. Die eingeführte Beratungspflicht hat den Frauen in Osten wie West abgesprochen, verantwortliche Entscheidungen treffen zu können.
Der von der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin vorgelegte Bericht sorgt nun endlich dafür, dass wir über konkrete Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase eine Debatte führen.“
„Union der Gleichheit erreichen: EU-Gleichstellungsstrategie weiterentwickeln“
Der Freistaat Sachsen und die mitantragstellenden Länder setzen sich mit diesem Antrag ein für eine Fortschreibung der EU-Gleichstellungsstrategie über das Jahr 2025 hinaus. Die Strategie sei „eine unionsweite Garantie gegen demokratiefeindliche, insbesondere antifeministische Bewegungen“, heißt es im Text, „indem sie die Union der Gleichheit konsequent weiter voranbringt und auch tatsächlich erreicht“.
Unter anderem folgende Themen sollten dabei besondere Beachtung finden: konsequente Anwendung von Gender-Mainstreaming einschließlich Genderbudgeting im EU-Haushalt und allen unionsweiten Förderstrukturen nach einheitlichen Kriterien, geschlechtergerechte Fortentwicklung der EU-Kohäsionspolitik und Förderung eines geschlechtergerechten Strukturwandels und nachhaltige Sicherung und Stärkung der reproduktiven Selbstbestimmung von Frauen sowie die vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention.
Gleichstellungsministerin Katja Meier: „Die Gleichstellung der Geschlechter ist einer der zentralen Grundwerte der Europäischen Union und muss dennoch aufgrund der europaweit starken Mobilisierung rechtspopulistischer Bewegungen stetig neu errungen und entschieden verteidigt werden. Ich freue mich daher, dass unser Beschlussvorschlag einstimmig beschlossen wurde.
Die Umsetzungserfolge der bisherigen EU-Gleichstellungsstrategie sind beachtlich, beispielsweise der Beitritt der EU zur Istanbul Konvention. Dennoch bleibt noch viel tun, unter anderem damit auch die bereits geeinte EU-Gewaltschutz-Richtlinie die notwendige Wirkkraft erreicht. Europa braucht diese Strategie auch über 2025 hinaus als unionsweite Garantie gegen demokratiefeindliche, insbesondere antifeministische Bewegungen.“
„Krankheitsbild Lipödem nicht auf die lange Bank schieben“
Auf sächsische Initiative setzt sich die GFMK dafür ein, die Übernahme der Kosten für die Behandlung des Lipödems zu regeln. Ein Lipödem ist eine Fettverteilungsstörung, die überwiegend an den Beinen, seltener an den Armen auftritt. Überwiegend Frauen sind davon betroffen. Der GFMK-Antrag weist darauf hin, dass die Betroffenen in ihrer Gesundheit und auch ihrer gesellschaftlichen Mobilität stark eingeschränkt sind.
Aktuell ist eine operative Behandlung durch eine Liposuktion nur dann Teil des Behandlungskatalogs der Krankenkassen, wenn der höchste Schweregrad erreicht ist und konservative Behandlungsmethoden keinen Erfolg erzielt haben. Diese Übergangslösung gilt noch bis Ende dieses Jahres.
Seit 2023 sind Fettabsaugungen bei Lipödemen zudem unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung steuerlich absetzbar. Eine 2021 begonnene Studie soll die Wirksamkeit der Liposuktion gegenüber Lösungen wie zum Beispiel Kompressionen untersuchen. Nach Abschluss der Studie sollten zügig klare Regelungen formuliert, die Übergangslösung bis dahin fortgeführt werden.
„Themen geschlechtlicher und sexueller Vielfalt in der GFMK“
Auf Antrag Sachsens wird sich die GFMK zukünftig enger mit dem Bund-Länder-Treffen LSBTIQ* austauschen und abstimmen, um auch Themen bezüglich geschlechtlicher und sexueller Vielfalt zu berücksichtigen.
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