Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) werden in Sachsen bisher kaum genutzt. Das ist ein Ergebnis des aktuellen BARMER Arztreports. Seit Herbst 2020 können Behandelnde die als umgangssprachlich bezeichneten Apps auf Rezept auf Kassenkosten verordnen. Im Report der BARMER wurden dahingehend Verordnungsdaten der Jahre 2020 bis 2022 ausgewertet und auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet. So wurde in Sachsen in diesem Zeitraum erst rund 16.000-mal eine App auf Rezept verordnet.
„Digitale Helfer können die Behandlung nicht ersetzen, haben jedoch das Potential sie sinnvoll zu unterstützten, indem sie erkrankungsbedingte Beschwerden lindern. Die Verordnungszahlen in Sachsen zeigen jedoch, dass DiGA noch nicht in der medizinischen Versorgung angekommen sind“, sagt Monika Welfens, Landesgeschäftsführerin der BARMER in Sachsen. Dennoch habe sich die Gesamtzahl der Verordnungen im Freistaat von etwa 5.400 im Jahr 2021 auf 10.900 im Folgejahr nahezu verdreifacht.
Verordnungsrate: Sachses Ärzteschaft liegt im Mittelfeld
Die Zahl der DiGA-Verordnungen fällt laut Analyse bundesweit gering aus. Dennoch zeigen sich zwischen den einzelnen Bundesländern merkliche Unterschiede. So wurden in Sachsen im Jahr 2022 bezogen auf 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner 265 DiGA beantragt. Damit liegt der Freistaat im Mittelfeld. Am seltensten wurden DiGA im Saarland mit 188 Verordnungen je 100.000 verordnet, am häufigsten hingegen in Berlin und Hamburg mit 337 bzw. 328 je 100.000.
„Digitale Gesundheitsanwendungen sind für viele Menschen immer noch eine Blackbox. Zu wenig Detailwissen und falsche Erwartungen führen dazu, dass DiGA zurückhaltend verordnet werden und vor allem deren Einsatz oftmals vorzeitig abgebrochen wird“, so Welfens.
DiGA am häufigsten bei Adipositas und Tinnitus
Ärzte und Therapeuten können digitale Gesundheitsanwendungen genauso wie Behandlungen und Medikamente verordnen und für die medizinische Therapie einsetzen. Laut Arztreport entfällt in Sachsen ein Großteil der DiGA-Verordnungen, rund 70 Prozent, auf Frauen. Überwiegend würden Apps auf Rezept zudem im mittleren Erwerbsalter zwischen 25 bis 59 Jahren beantragt. Die höchsten Antragszahlen ließen sich bei beiden Geschlechtern für 50- bis 54-Jährige ermitteln.
Im höheren Lebensalter spielten DiGA hingegen kaum noch eine Rolle. Die Hälfte aller Verordnungen in Sachsen entfielen im Jahr 2022 auf drei Anwendungs-kategorien, Adipositas, Tinnitus, Erkrankungen des Bewegungsapparats, mit 2.063, 1.907 und 1.474 Verordnungen, gefolgt von Depressionen mit 1.424 Verordnungen und Schlafstörungen mit 1.101 Verordnungen. Am häufigsten werden die Apps auf Rezept von Hausärztinnen und Hausärzten verordnet. Knapp 40 Prozent aller in Sachsen im Jahr 2022 ausgestellten Verordnungen stammen von ihnen.
Behandelnde und Patienten noch nicht fit für die DiGA
Für den Arztreport sind nicht nur Verordnungsdaten ausgewertet worden, sondern auch Ergebnisse aus Umfragen. Bundesweit wurden mehr als 1.700 Patientinnen und Patientinnen sowie 1.000 Ärzte und Psychotherapeuten zu ihren Erfahrungen mit DiGA befragt. Dabei zeigte sich, dass rund ein Drittel der Patienten (38,2 Prozent) den digitalen Helfer nicht über die vorgesehene Erstanwendungsdauer von 90 Tagen nutzte, darunter 15 Prozent sogar weniger als einen Monat.
Als Grund für den Abbruch gab ein Drittel (34,5 Prozent) an, dass die Anwendung die Erwartungen nicht erfüllt habe. Die Umfrage unter den Behandelnden ergab, dass fast die Hälfte (44 Prozent) noch nie eine DiGA verordnet hat, ein Drittel bescheinigte sich selbst einen schlechten Kenntnisstand zum Thema. „Digitale Gesundheitsanwendungen sind sowohl für Nutzer als auch für Ärzte immer noch eine Blackbox. Zu wenig Detailwissen und falsche Erwartungen führen dazu, dass DiGA zurückhaltend verordnet werden und deren Einsatz oftmals vorzeitig abgebrochen wird“, erklärt Welfens.
Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz der Gesundheits-Apps seien umfangreiche Kenntnisse über Einsatz und Wirkung der digitalen Anwendungen bei allen Beteiligten. Nur so könnten realistische Erwartungen über den therapeutischen Nutzen und ein effektiver Einsatz der Anwendungen entstehen. Es sei erwartbar, dass das Interesse an DiGA in der Bevölkerung rasch ansteige.
Rahmenbedingungen für erfolgreichen DiGA-Einsatz verbessern
„In Zukunft werden Digitale Gesundheitsanwendungen, als Teil einer insgesamt digitaleren Gesundheitsversorgung, eine zunehmende Rolle spielen. Die Umfrage der BARMER zeigt, dass schon jetzt mehr als 70 Prozent der befragten Behandlerinnen und Behandler von ihren Patientinnen und Patienten auf die DiGA angesprochen wurden. Es ist deshalb wichtig, jetzt die Rahmenbedingungen so zu verbessern, damit die Anwendungen in Zukunft ihr volles Potential entfalten können.
Transparenz für alle Beteiligten ist ein entscheidender Faktor. Arztpraxen benötigen ausreichende und schnell verfügbare Informationen über DiGA in ihrer Praxissoftware, um eine bestmögliche Verordnungssicherheit und Beratung zu ermöglichen. Es sollte Behandlerinnen und Behandlern leicht gemacht werden, den neuen Informationsbedarf im oft herausfordernden Praxisalltag auch gerecht zu werden. Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sollten schon während der Ausbildung stärker für das Thema digitale Gesundheitsversorgung sensibilisiert werden, um digitale Kompetenzen aufzubauen.
Auch sollte das DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zukünftig die Inhalte und Funktionalität von DiGA einheitlich und verständlich darstellen. Click-Dummys, die einen Einblick in die Funktionsweise der Apps bieten, könnten eine wichtige Entscheidungshilfe für alle Interessierten sein.
„Keiner beteiligten Partei, am wenigsten den Patientinnen und Patienten, ist geholfen, wenn die verordneten Gesundheits-Apps überfordern oder den Erwartungen nicht entsprechen. Deshalb wäre ein Testzeitraum von 14 Tagen für Patientinnen und Patienten sinnvoll, um die verordnete DiGA zunächst zu prüfen, bevor der übliche 90-Tage-Nutzungszeitraum beginnt“, sagt die BARMER Landeschefin. DiGA-Nutzende hätten in diesem Testzeitraum auch die Freiheit, sich für das individuell vielversprechendste Produkt auf dem Markt entscheiden zu können.
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