Der Deutsche Presserat hat auf nachgelagerten Sitzungen am 21. März und  8. April insgesamt sechs Rügen ausgesprochen.

Heimlich erstelltes Foto veröffentlicht

B.Z. und B.Z.–BERLIN.DE erhielten eine Rüge wegen eines Verstoßes gegen den Persönlichkeitsschutz nach Ziffer 8 sowie wegen unlauterer Recherchemethoden nach Ziffer 4 des Pressekodex. Unter der Überschrift „Bringt dieser Magistrats-Direktor die Hauptstadt-Zulage zu Fall?“ hatte die Zeitung das Foto eines Beamten veröffentlicht, der vor Gericht geklagt hatte.

Der Kläger hatte der Redaktion vor dem Gerichtssaal mitgeteilt, dass er nicht mit Foto abgebildet werden will. Daraufhin fotografierte der Reporter ihn heimlich, die Zeitung veröffentlichte das Bild. Dies war unzulässig, da der Kläger keine Person des öffentlichen Lebens ist. In der Online-Version verpixelte die Redaktion das Foto später. Nach Richtlinie 4.3 des Pressekodex hätte sie das heimlich erstellte Material jedoch komplett sperren oder löschen müssen. 

Foto eines Opfers gezeigt 

BILD.DE wurde gerügt für einen Bericht unter der Überschrift „Der Killer hielt die Waffe ins Auto und drückte dreimal ab“. In dem Artikel ging es um die Tötung einer Frau, deren Ex-Partner vor Gericht steht, weil er einen Auftragskiller angeheuert haben soll. Der Ausschuss kritisierte die identifizierbare Abbildung des Opfers. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung des Fotos bestand nicht, eine Einwilligung der Hinterbliebenen lag ebenfalls nicht vor. Der Opferschutz nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2 des Pressekodex wurde verletzt.

Redaktion zeigt tödliche Schüsse

FOCUS.DE wurde gerügt für einen Beitrag unter der Überschrift „Rentner dreht durch und erschießt Umweltdemonstranten auf offener Straße“. Der Artikel beschäftigte sich mit einem Vorfall, bei dem ein Mann bei einer Demonstration in Panama zwei Menschen erschossen hatte. Beigestellt war dem Beitrag ein Foto, das den Augenblick der Tat zeigen soll.

Nach Ansicht des Presserats verstieß die Veröffentlichung dieses Bildes grob gegen die Ziffer 1 des Pressekodex, da es mit dem Ansehen der Presse nicht vereinbar ist, aus Sensationsinteresse den Moment zu zeigen, in dem ein Mensch getötet wird.

Irreführende Berichterstattung über deutsche Stromproduktion

Einen schweren Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex stellte der Presserat bei BILD.DE fest. Die Redaktion hatte unter der Überschrift „Unser Strom ist so schmutzig wie seit fünf Jahren nicht“ suggeriert, Deutschlands Stromproduktion sei trotz der Förderung erneuerbarer Energien vor allem von der Kohle abhängig. Die der Statistik zugrundeliegenden Werte sagten jedoch lediglich etwas über den durchschnittlichen CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde aus und somit nichts über die Energieträger.

Tatsächlich war die Kohleverstromung im berichteten Zeitraum rückläufig. Das Gremium sah in der Berichterstattung eine grobe Irreführung der Leserschaft.

Angeblicher Tesla-Brand in den USA war tatsächlich ein Lkw-Unfall in Russland

Unter der Überschrift „Gefahr durch Elektroautos?“ beschäftigte sich BEHOERDEN- SPIEGEL.DE mit den besonderen Gefahren von Bränden bei Tesla-Autos. Der Artikel berief sich auf ein beigestelltes Video und beschrieb dessen Inhalt: „Er brennt nicht nur wie eine meterhohe, unlöschbare Gasfackel, sondern in insgesamt 16 infernalen Explosionen schleudert der Tesla brennendes, heißes Material meterweit in die Gegend.“

Das Video zeigte jedoch weder einen Tesla noch ein anderes Elektroauto in den USA, sondern – gut erkennbar – einen Unfall eines mit Propangasflaschen beladenen Lkw in Russland. Der Beschwerdeausschuss sah hier einen besonders eklatanten Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltsflicht gemäß Ziffer 2 des Pressekodex.

Vermuteter Hundeangriff wurde zur möglichen Wolfsattacke

Der RHEINISCH-WESTFÄLISCHE JÄGER berichtete unter der Überschrift „Mann nach möglichem Wolfsangriff schwer verletzt“, in Brandenburg sei es möglicherweise zum ersten Übergriff auf einen Menschen gekommen. Der Artikel war mit einer nicht als Symbolfoto gekennzeichneten Abbildung eines aggressiven Wolfs illustriert, enthielt eine zu hohe Angabe über die Gesamtzahl der Wölfe und gab im Wesentlichen die Kritik der Jägerschaft wieder, die „Wolfsproblematik“ habe nun eine „neue Eskalationsstufe erreicht“.

Erst am Ende des Textes hieß es, laut dem Landesamt für Umwelt würden die bisherigen Erkenntnisse die Annahme nahelegen, dass es sich um einen Hundeangriff gehandelt habe. Die Darstellung führte nach Ansicht des Presserats die Leserschaft in die Irre und verstieß damit gegen die in Ziffer 2 des Pressekodex festgeschriebene journalistische Sorgfaltspflicht.

Statistik

6 öffentliche Rügen, 5 Missbilligungen und 6 Hinweise. 12 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet. Insgesamt behandelt wurden 29 Beschwerden. 

Eine Liste der aktuellen Rügen finden Sie auf unserer Homepage:
https://www.presserat.de/ruegen-presse-uebersicht.html#2024

Zum Pressekodex: 
https://www.presserat.de/pressekodex.html

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