Am 1. Mai 2024 sind unserer Nachbarländer Tschechien und Polen 20 Jahre in der Europäischen Union.
„Für uns Gewerkschaften war vor 20 Jahren der 1. Mai ein großer Tag, den wir gemeinsam auf der Brücke in Görlitz und am Dreiländerpunkt in Zittau gefeiert haben. Als Gewerkschaften im Grenzraum hatten wir uns bereits seit vielen Jahren für einen schnellen Beitritt Tschechiens und Polens in die EU stark gemacht.
Gemeinsam mit unseren Partnergewerkschaften in Tschechien und Polen wurde 1993 der Interregionale Gewerkschaftsrat Elbe-Neisse gegründet, um die Integration im Sinne der Beschäftigten und der Menschen vor Ort gemeinsam und auf gleicher Augenhöhe mitzugestalten“, sagte der sächsische DGB-Chef und Vizepräsident des Interregionalen Gewerkschaftsrates Elbe-Neisse.
Der Blick auf die letzten 20 Jahre zeige aber nicht nur Licht, sondern auch Schatten. Im Vergleich zu anderen Grenzräumen wie beispielsweise mit den Niederlanden oder mit Frankreich, sei das grenzüberschreitende Denken im Dreiländereck Sachsen-Niederschlesien-Nordböhmen noch immer nicht weit verbreitet. Auch sei die Angleichung der Lebensbedingungen noch kaum weiter vorangeschritten.
„Die Menschen hatten große Hoffnungen mit dem Beitritt zur EU verbunden. Die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen war dabei zentral. Wir müssen aber konstatieren, dass die Unterschiede insbesondere bei den Löhnen nach wie vor enorm sind und es auch noch immer deutsche Unternehmen gibt, die meinen, in Polen und Tschechien die Mitbestimmungsrechte im Betrieb ignorieren zu können. Damit muss im gemeinsamen Europa endlich Schluss sein“, so Schlimbach.
Mit Verärgerung stellen die Gewerkschaften aber auch immer wieder fest, dass Beschäftigte aus Polen und Tschechien, die in Sachsen arbeiten, nicht fair behandelt werden.
„Beschäftigte aus Polen und Tschechien sind in Sachsen die größten Gruppen ausländischer Beschäftigter. Sie sind den deutschen Beschäftigten arbeitsrechtlich gleichgestellt und selbstverständlicher Teil der Belegschaften. Von gleichem Lohn für gleiche Arbeit kann in Sachsen aber nicht die Rede sein. Der Medianlohn von Beschäftigten aus Tschechien liegt in Sachsen monatlich um 889 Euro und aus Polen um 753 Euro unter dem Medianlohn von deutschen Beschäftigten. Das ist ein Unding und hat mit fairer Bezahlung nichts zu tun“, so Schlimbach.
Auch Verstöße gegen das Arbeits- und Sozialrecht seien nach wie vor häufig anzutreffen. „Fehlende Sprachkenntnisse werden gnadenlos für Verstöße gegen den Kündigungsschutz oder die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall genutzt. Wir sind sehr froh, dass der Freistaat Sachsen mit der Beratungsstelle für ausländische Beschäftigte in Sachsen BABS eine mehrsprachige Unterstützung bietet“, so Schlimbach.
Inzwischen sind in Sachsen 29.669 Beschäftigten aus Polen und 15.773 Beschäftigten aus Tschechien tätig. Darunter mehr als 25.000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die regelmäßig aus den Nachbarländern nach Sachsen zur Arbeit pendeln. Für diese Grenzgänger sind die stationären Grenzkontrollen, die aktuell von Sachsen zu Polen und Tschechien durchgeführt werden, eine massive Behinderung.
„Die stationären Grenzkontrollen bringen einen bitteren Beigeschmack zu all den aktuellen Jubelfesten in Europa. Wir lehnen als Gewerkschaften die Beschränkung der Freizügigkeitsrechte ganz klar ab. Von dem versprochenen Europa ohne Schlagbäume und Grenzen sind wir gerade ein ganzes Stück entfernt“, sagte Schlimbach.
Mit Blick auf die in Deutschland am 9. Juni 2024 anstehenden Europawahlen forderte Schlimbach die Menschen auf, für ein starkes, demokratisches und gerechtes Europa zu stimmen.
„Wir müssen gemeinsam für ein besseres Europa in die Offensive gehen und dürfen Europa nicht den rechten Populisten überlassen. Das gelingt aber nur dann, wenn Grenzen abgebaut und Europa im täglichen Alltag der Menschen positiv sichtbar wird“, so Schlimbach.
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