Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland zeichnete am 18. April den Sächsischen Landesbauernverband (SLB) und die sächsische CDU mit dem AbL-„Ehrenpreis Landgrabber des Jahres 2024“ aus. Der Grund ist das aktive Verhindern eines sächsischen Agrarstrukturgesetzes, welches ansonsten durch den Landwirtschaftsausschuss zur finalen Abstimmung an den Landtag überwiesen worden wäre.
Das Agrarstrukturgesetz hätte ab diesem Jahr kapitalstarke Konzerne wirksam darin begrenzt mittels Share Deals sächsische Landwirtschaftsbetriebe und deren Flächen aufzukaufen. Der Preis hat die Form eines Steigbügels und steht symbolisch für die Steigbügelhalter der Investoren.
Anne Neuber, Geschäftsführerin der AbL Mitteldeutschland: „Wir verleihen erstmalig einen „Ehrenpreis Landgrabber der Jahres“ an Akteure, welche den Ausverkauf der sächsischen Agrarflächen an Investoren unterstützen. Die Verhinderungstaktiken von CDU und Sächsischem Landesbauernverband gegen ein Agrarstrukturgesetz sind in Summe für mehr Investorenkäufe verantwortlich als es ein einzelnes Unternehmen je sein könnte.“
Clemens Risse, Landesgeschäftsführerin der AbL Sachsen und Landwirt bei Meißen, kommentiert die Rolle des SLB: „Der sächsische Bauernverband hat nicht an einem sächsischen Agrarstrukturgesetz mitgearbeitet, sondern aus reiner Oppositionshaltung heraus seit Monaten alle Verbändegespräche verweigert und Falschinformationen gestreut. Damit vertritt er die Interessen seiner 5 größten Mitgliedsbetriebe, setzt aber die Existenz der anderen 6000 sächsischen Landwirtschafts-Betriebe aufs Spiel. Wir alle wirtschaften bis auf ganz wenige Ausnahmen zu 70-80 % auf Pachtland. Ein Investorenbetrieb kann alle anderen Pachtgebote in der Region überbieten. Ohne ein Agrarstrukturgesetz droht uns das flächendeckend.“
Anne Neuber zur Rolle der CDU: „Die CDU kündigt den eigenen Koalitionsvertrag auf, um ein Agrarstrukturgesetz zu verhindern, dessen Notwendigkeit sie der Presse gegenüber bestätigt. Die CDU regiert seit über 30 Jahren im Freistaat. Wenn es kleinere Unzufriedenheiten mit dem Gesetz gibt, müsste sie doch in der Lage sein, diese weg zu verhandeln. Stattdessen kettet sich die CDU an das Votum des Interessenverband SLB und ignoriert, dass 99 % der sächsischen Bevölkerung wahrscheinlich wenig Interesse daran haben, dass die sächsischen Böden in Zukunft unter wenigen Konzernen aufgeteilt werden. Das ist ein schwieriges Demokratieverständnis und schädlich für den ländlichen Raum.“
Clemens Risse ergänzt hierzu: „Seit 2015 arbeitet eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe daran, wie der Bodenmarkt vor Investoren geschützt und das Land für die bewirtschaftenden Bäuerinnen und Bauern erschwinglich bleiben kann. Auf dieser Grundlage hätte Sachsen beispielhaft voran gehen können. Es ist uns komplett unverständlich, dass Landwirtschaftsminister Günther einen Bruch des Koalitionsvertrags durch die CDU einfach so hinnimmt. Für die sächsischen Landwirtschaftsbetriebe und den Zusammenhalt im ländlichen Raum sind das trübe Aussichten.“
Hintergrund
Eigentlich verleiht die AbL Mitteldeutschland den „Landgrabber des Jahres“ seit 2019 an Unternehmen, die in großem Stil landwirtschaftliche Flächen an sich bringen. In diesem Jahr erhielt Dennree den Preis für den Kauf der Agrargenossenschaft Großzöbern, durch den nun 6.100 ha bewirtschaftete Fläche in Tschechien und Deutschland zur Dennree-Gruppe gehören.
Die Preise für Boden sind so stark gestiegen, dass sie für Landwirtinnen und Landwirte in einem Arbeitsleben nicht mehr zu refinanzieren sind. Deshalb sind Landwirtschaftsbetriebe durch Investorenbetriebe langfristig gefährdet. Mit außerhalb der Landwirtschaft verdientem Geld lassen sich andere Pacht- und Kaufpreise zahlen. In der Konkurrenz um Land, insbesondere Pachtland, werden Landwirtschaftsbetriebe gegen Investoren deshalb immer verlieren.
Eigentlich sichert in Deutschland das Grundstückverkehrsgesetz Landwirten gegenüber Nicht-Landwirten das Vorkaufsrecht auf landwirtschaftlichen Boden. Der Kauf ganzer Betriebe über Anteilskäufe (Share Deals) wird aber nicht reguliert, obwohl auch das Land mit erworben wird. Das bestehende Gesetz reguliert nur Direktkäufe von Land. Das Agrarstrukturgesetz sollte das ändern – unter anderem durch eine Kaufpreisbremse, eine Pachtpreisbremse und eine Flächenkonzentrationsgrenze von 2.500 ha, wobei bestehende Großbetriebe Bestandsschutz hätten.
Landwirtschaftsbetriebe sind eine wichtige Säule des Lebens im ländlichen Raums. Investorenbetriebe, die aus den Metropolen gesteuert werden und vor Ort Arbeitsplätze und Tierbestände abbauen, rationalisieren ihre Betriebe. Häufig gibt es dann keine Ansprechpartner mehr vor Ort, keine Beteiligung an Dorfaktivitäten oder mit dem örtlichen Kindergarten. Steuern werden nicht mehr vor Ort gezahlt, auch eine Direktvermarktung wird oft abgebaut.
Außerlandwirtschaftliche Investoren wie die Aldi-Stiftung, die Zech-Gruppe oder die Münchener Rück haben seit der Wende etliche landwirtschaftliche Großbetriebe aufgekauft und besitzen dadurch große Flächen in Ostdeutschland. Offizielle Zahlen existieren keine, das Thünen-Institut schätzte den Anteil der Investoren an Großbetrieben (juristische Personen) in Ostdeutschland auf 34% im Jahre 2017 – Tendenz steigend.
Bisherige Preisträger „Landgrabber des Jahres“ sind:
2019: Autohändler Hercher, Grund: Aufkauf von und Handel mit landwirtschaftlichen Betrieben in Thüringen und Sachsen-Anhalt
2020: Dr. Kliem (Ex-Präsident Thüringer Bauernverband), Grund: Verkauf des eigenen Betriebs an Aldi
2023: Quarterback Immobilien AG, Grund: Kauf des 2.500 ha Betriebs Röderland GmbH in Elbe-Elster
2024: Bio-Lebensmitteleinzelhändler Dennree, Grund: Kauf der Agrargenossenschaft Großzöbern (1.200 ha) zusätzlich zum Hofgut Eichigt mit 4.900 ha Fläche in Deutschland und Tschechien
Weitere Informationen zum Thema Bodenmarkt: https://www.abl-mitteldeutschland.de/themen/bodenmarkt
Weitere Informationen:
https://www.fr.de/wirtschaft/bedraengnis-hat-der-bauernverband-einen-interessenskonflikt-landwirtschaft-in-zr-92837401.html
https://www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/xxl-oekobetrieb-schluckt-anderen-oeko-riesen-zusammen-6100-ha-gross-616444
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