Nach langen Verhandlungen haben gestern das Bundesministerium der Finanzen (BMF), das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie die fünf ostdeutschen Bundesländer einstimmig die neuen Grundsätze für das Flächenmanagement der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) beschlossen.
Von nun an werden die BVVG-Flächen bis auf wenige Ausnahmen dauerhaft nicht mehr privatisiert und stattdessen nach nachhaltigen und agrarstrukturellen Kriterien verpachtet. Bislang war dieses neue Pachtvergabefahren, das auf den jahrelangen Druck von Bäuerinnen und Bauern sowie Organisationen wie der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) zurückzuführen ist, nur als Pilotphase bis Ende 2023 erlassen worden.
Dr. Jan Brunner, AbL-Experte für Bodenpolitik und Geschäftsführer der AbL Mitteldeutschland, kommentiert:
„Heute ist ein großartiger Tag für regional verankerte bäuerliche Betriebe und Existenzgründer in Ostdeutschland. Endlich „verschleudert“ die Bundesregierung öffentliche landwirtschaftliche Flächen nicht mehr an Großbetriebe und Investoren. Stattdessen gestaltet sie nun aktiv Landwirtschaft und orientiert sich am Allgemeinwohl. Die Regierung geht damit einen Schritt in die richtige Richtung in Zeiten der Klimakrise oder der Verödung ländlicher Räume. Für dieses gemeinwohlorientierte System haben wir uns als AbL gemeinsam mit vielen Bäuerinnen und Bauern seit über 30 Jahren eingesetzt – mit Erfolg!“
Die BVVG verwaltet das ehemalige Staatseigentum der DDR; inzwischen sind das noch knapp 90.000 ha landwirtschaftlich genutzter Flächen. Die BVVG stand in der Vergangenheit oft in der Kritik, da sie Flächen bis 2010 vor allem vergünstigt an Bestandspächter:innen, danach insbesondere zum Höchstpreis an die Meistbietenden verkaufte. Von der Vergabepolitik der BVVG profitierten oftmals (kapitalstarke) Großbetriebe und auch außerlandwirtschaftliche Investoren, die mit den Flächen weiter anwuchsen.
Mit ihrer Vergabepraxis trieb sie im letzten Jahrzehnt die bereits stark steigenden Bodenpreise weiter nach oben. Einen Großteil ihrer Flächen vergibt die BVVG aber von nun an transparent nach nachhaltigen und agrarstrukturellen Kriterien. Auf die Flächen können sich konventionelle und ökologische Betriebe sowie Existenzgründer:innen bewerben.
Dorothee Sterz, Junglandwirtin aus Sachsen und Sprecherin der jungen AbL, erklärt hierzu:
„Ich bin sehr zufrieden, dass die BVVG ihre Flächen nun nach gemeinwohlorientierten Kriterien vergibt. Damit werden von nun an insbesondere regional verankerte Betriebe gefördert, die das Tierwohl und die Natur schützen. Der Fokus auf Existenzgründungen freut mich sehr, denn wir brauchen mehr Nachwuchs in der Landwirtschaft. Die ersten Ergebnisse zeigen auch, dass durch die neue Praxis verstärkt junge Menschen an Flächen kommen, auf die sie vorher keine Chance hatten. Bei der Pachtpreishöhe besteht jedoch nach wie vor Verbesserungsbedarf, damit noch mehr junge Menschen neue Betriebe in der Landwirtschaft gründen.“
Dr. Jan Brunner ergänzt:
„Die Bundesregierung hat mit ihrem Erlass die Basis für eine transparente und gerechte Vergabe von Land gelegt. Damit kann sie mehr Lebendigkeit, Vielfalt und Nachhaltigkeit in die Landwirtschaft bringen, die letztlich allen Menschen zugutekommen. Sie wird damit ihrer Vorbildfunktion gerecht. Wir hoffen, dass das Beispiel der BVVG nun viele Nachahmer findet. Auch die Bundesländer, Kommunen, Kirchen und Privatleute besitzen viel Agrarland, das bislang selten nach Gemeinwohlkriterien verpachtet wird.“
Hintergrund
Die Bodenverwertungs und -verwaltungs GmbH (BVVG), Nachfolgegesellschaft der Treuhand, verwaltet das ehemalige Staatseigentum der DDR. Ursprünglich waren es ca. 1,1 Mio. Hektar landwirtschaftlicher Flächen. Die BVVG untersteht dem Bundesfinanzministerium. Die Vergabepraxis führte zu enormen Flächenkonzentrationen in den neuen Bundesländern – häufig in den Händen außerlandwirtschaftlicher und überregionaler Investoren.
Übrig geblieben sind von den 1,1 Mio. Hektar in BVVG-Verwaltung veräußerten Flächen inzwischen nur noch 89.000 Hektar Agrarland. Die Chance des gesellschaftlichen Gestaltungsspielraums für Landwirtschaft und ländlichen Raum wurde hier historisch zu einem großen Teil verspielt.
In ihrem Koalitionsvertrag hat die Ampel-Regierung vereinbart, die weitere Privatisierung der BVVG-Flächen in Ostdeutschland zu stoppen und die Flächen an „ökologische und nachhaltige Betriebe zu verpachten“. Wirtschafts-, Finanz- und Landwirtschaftsministerium des Bundes führten damals bereits erste Gespräche zu einem entsprechenden Gesetz. Mitte Juni 2022 hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner den Privatisierungsstopp in Frage gestellt.
Die Junglandwirtinnen Dorothee Sterz und Gesine Langlotz haben daraufhin eine Petition gestartet, die sich für einen umfassenden Privatisierungsstopp einsetzt und einen fairen Zugang zu Land für landwirtschaftliche Existenzgründer:innen fordert. Die Petition hat mehr als 150.000 Unterschriften erhalten. Die Online-Petition finden Sie hier: https://weact.campact.de/petitions/vertragsbruch-stoppe-lindner-beim-ausverkauf-offentlichen-eigentums
Im November 2022 einigten sich das BMEL und BMF letztlich, den Koalitionsvertrag einzuhalten und dementsprechende Managementgrundsätze zu erarbeiten. In den neuen Grundsätzen ist u.a. geregelt, dass von den restlichen 89.000 ha Land etwa 25.500 ha als Naturschutzflächen ins Nationale Naturerbe übergehen sollen. Bis Ende 2024 können zudem noch maximal 2.000 ha privatisiert werden. Hierbei geht es vor allem um Rechtsansprüche nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG). Die restlichen, immerhin noch etwa 62.000 ha Land werden seit 2023 nach Gemeinwohlkriterien vergeben.
Den AbL-Forderungskatalog „Kriterienkatalog für eine gemeinwohlorientierte Verpachtung öffentlicher Flächen“ finden Sie hier: https://www.abl-mitteldeutschland.de/mitmachen/gemeinwohlkampagne
Die neuen Managementgrundsätze der BVVG finden Sie hier: https://www.bvvg.de/wp-content/uploads/2024/04/FMG-2024.pdf
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