Der Welttuberkulosetag am 24. März ist ein wichtiger Anlass, um einen neuen Blick auf diese sehr alte Krankheit mit ihren sich ständig verändernden Facetten zu werfen. Am Klinikum St. Georg wurden im Jahr 2023 insgesamt 82 Tuberkulose-Fälle stationär behandelt, davon mehr als 70% Migranten. Die mittlere Behandlungszeit lag bei 23 Tagen.
In der Spezialambulanz, die zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen der Klinik für Lungenheilkunde geführt wird, werden jedes Quartal 50-90 Patienten mit Tuberkulose ambulant versorgt. Ein Team von insgesamt sieben zertifizierten Infektiologinnen und Infektiologen in Verbindung mit einem auf Infektionskrankheiten spezialisierten Pflegeteam leistet einen wichtigen Beitrag zur Behandlung auch komplex und schwer erkrankter Tuberkulosepatienten weit über die Region Leipzig hinaus.
Tuberkulose immer noch bedeutsamste bakterielle Infektionskrankheit
Laut dem jüngsten globalen Tuberkulosebericht der WHO für das Jahr 2022 hat die Zahl der Neuerkrankungen mit rund 10,6 Millionen Menschen weltweit einen neuen Höchststand erreicht. 1,3 Millionen tuberkulosebedingte Todesfälle wurden verzeichnet, wobei die WHO von 500.000 zusätzlichen Todesfällen als Folge der COVID-19-Pandemie ausgeht. Andererseits gibt es auch Erfolgsgeschichten, z.B. dass die Zahl der Tuberkulose-Todesfälle in den letzten 25 Jahren trotz der hohen Fallzahlen weltweit um bis zu 80% zurückgegangen ist.
„Dennoch ist die Tuberkulose immer noch die bedeutsamste bakterielle Infektionskrankheit weltweit und auch diejenige mit den meisten Todesfällen“, so Prof. Dr. Christoph Lübbert, Chefarzt der Klinik für Infektiologie und Tropenmedizin am Klinikum St. Georg in Leipzig und Leiter des Bereichs Infektions- und Tropenmedizin am Universitätsklinikum Leipzig.
Auch die Resistenzsituation ist besorgniserregend, insbesondere in Osteuropa, wo der Anteil multiresistenter Tuberkulosefälle (so genannte MDR-Tuberkulose) in Russland bei 55%, in Belarus bei 48%, in Moldawien bei 38% und in der Ukraine bei 35% liegt, während der Anteil der MDR-Tuberkulosefälle in den Ländern der EU nur 3,8% beträgt, verglichen mit 3,3% in Deutschland.
In Deutschland erkrankten im Jahr 2022 laut Robert Koch-Institut (RKI) rund 4.076 Menschen an Tuberkulose, von denen 116 verstarben. Die Inzidenz liegt damit bei 4,9 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner. Die Tuberkulosefürsorgestellen der Gesundheitsämter verzeichnen Heilungsraten von über 85% bei voll arzneimittelempfindlicher Tuberkulose und mindestens 70% bei MDR-Tuberkulose.
Extrem resistente Tuberkulosefälle (so genannte XDR-Tuberkulose) sind selten und werden vorzugsweise in speziellen Isolierstationen behandelt, wie sie bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten am Klinikum St. Georg in Leipzig eingerichtet wurden.
Gute Heilungschancen bei rechtzeitiger Diagnose
„Wenn Tuberkulose rechtzeitig erkannt und frühzeitig behandelt wird, sind die Heilungschancen aber insgesamt sehr gut“, beruhigt Martin Macholz, Oberarzt am Klinikum St. Georg, der sich als Infektions- und Tropenmediziner unter anderem auf Tuberkulose spezialisiert hat. Die Krankheit ist gekennzeichnet durch eine chronische Lungenentzündung, die durch Tuberkulosebakterien (Mykobakterien) verursacht wird und in der Regel durch eine Röntgenuntersuchung diagnostiziert wird.
Das Hauptsymptom der Lungentuberkulose ist Husten mit oder ohne Auswurf, der in seltenen Fällen blutig sein kann. Gelegentlich treten auch Schmerzen in der Brust und Kurzatmigkeit auf. Prof. Lübbert weist darauf hin, „dass bei einem Husten, der länger als drei Wochen anhält und therapieresistent ist, daher als Differenzialdiagnose immer auch die Tuberkulose in Betracht gezogen werden sollte“.
Seltener sind von einer Tuberkulose andere Organsysteme betroffen, vor allem das Lymphsystem, die Wirbelsäule und der Bauchraum.
Besonders gefährdet sind Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, z.B. durch einen fortgeschrittenen Alterungsprozess, eine das Immunsystem dämpfende Behandlung (Immunsuppression) oder durch spezifische Immundefekte, z.B. als Folge einer HIV-Infektion, sowie Menschen, die unter starkem Stress und/oder schlechter Ernährung leiden (vor allem Menschen in den sogenannten Entwicklungsländern, Flüchtlinge), zudem Menschen mit Obdachlosigkeit, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit.
Etwa 75% der Tuberkulosefälle werden in Deutschland bei Patienten mit Migrationshintergrund verzeichnet.
Gute interdisziplinäre Zusammenarbeit in Leipzig und neue Medikamente
Das gute Gesundheitssystem in einem Land wie Deutschland ermöglicht trotz aller Schwierigkeiten eine wirksame Kontrolle der Ausbreitung der Erkrankung in der Gesellschaft, gerade in der oftmals vorbildlichen Zusammenarbeit zwischen den behandelnden Ärztinnen, und Ärzten, dem betreuenden Pflegepersonal sowie den zuständigen Gesundheitsämtern. Dies gilt insbesondere für das interdisziplinäre Zusammenwirken in der Stadt Leipzig, wo das Team der Klinik für Infektiologie und Tropenmedizin am Klinikum St. Georg eine enge Kooperation mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst der Stadt pflegt.
Insgesamt hat die Behandlung der Tuberkulose trotz zum Teil ausgeprägter Arzneimittelresistenzen in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Neue Medikamente, wie Bedaquilin, Delamanid und Pretomanid, haben eindrucksvolle Therapieerfolgsraten von ca. 95% auch bei Infektion mit multiresistenten Tuberkulosebakterien möglich gemacht. Dennoch ist die Therapie, die sich über mindestens sechs Monate erstreckt und zunächst in der Regel mindestens vier Medikamente umfasst, für die Betroffenen oftmals beschwerlich und lang andauernd. Weitere neue Medikamente sind in Entwicklung und klinischer Erprobung.
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