Sachsen und der südindische Bundesstaat Tamil Nadu möchten im Fahrzeug- und Maschinenbau, IT-Bereich, beim Aufbau der dualen Ausbildung nach deutschem Vorbild in Indien und bei der Anwerbung indischer Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zusammenarbeiten. Das ist das Ergebnis einer einwöchigen Auslandsreise des sächsischen Vize-Ministerpräsidenten, Wirtschafts- und Arbeitsministers Martin Dulig in die Metropolen Coimbatore und Chennai.
Die von der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH (WFS) organisierte und dem Minister geleitete Reise erwies sich für die rund 35-köpfige Wirtschaftsdelegation aus Sachsen als Türöffner. Der Völkerverständigung diente auch das traditionelle »Steigerlied« aus dem Erzgebirge, das die sächsische Delegation beim Empfang der deutschen Generalkonsulin Michaela Küchler anstimmte – und die Gastgeber begeisterte.
Spätestens seit der Ankündigung des taiwanesischen Chipproduzenten TSMC, ein Werk in Dresden zu errichten, ist der Freistaat Sachsen auch ins Blickfeld von Wirtschaft und Wissenschaft in Indien gerückt. Gerade Tamil Nadu, mit einer Einwohnerzahl von rund 80 Millionen Menschen in etwa so groß wie Deutschland, bietet viel Potenzial für neue Kunden, Absatzmärkte und Fachkräfte. Dieser Bundesstaat gilt als „Power House“ Indiens mit gut ausgebildeten Fachkräften. Rund 220 deutsche Unternehmen sind dort bereits tätig. Die Regierung von Tamil Nadu wirbt um weiteren Investitionen.
Martin Dulig: „Ich bin beeindruckt von der Offenheit uns Sachsen gegenüber. Für unsere Unternehmer hat sich die Reise schon jetzt gelohnt – welche geschäftlichen Beziehungen entstehen werden, wird man in den kommenden Wochen und Monaten sehen. Ich bin davon überzeugt, dass es richtig ist, dass wir Sachsen uns in diesem riesigen Land eine Region ausgesucht haben, mit der wir exklusiv zusammenarbeiten wollen. Und hier in Tamil Nadu haben wir genau die passende Region für uns gefunden – egal ob bei wirtschaftlichen Themen oder beim Thema Zuwanderung.“
Im Gedee Technical Training Institute (GTTI) Coimbatore lernten die Sachsen unter anderem ein indisches Ausbildungszentrum kennen, das junge Menschen nach deutschen IHK-Standards zu Werkzeugmechanikern oder Mechatronikern ausbildet. In der firmeneigenen Privatschule können die Auszubildenden mit Unterstützung des Goethe-Instituts auch Deutsch lernen. Bei GTTI kostet eine überbetriebliche Ausbildung etwa 3.000 Euro. Für einen Deutschkurs und eine entsprechend standardisierte Prüfung fallen weitere 1.800 Euro an – und das bei einem Jahresdurchschnittseinkommen von unter 4.000 Euro im Jahr.
GTTI gehört zur GD Group, einem Motorenhersteller, der auch über 100 Jahre alte Benz-Fahrzeuge als Replika für den weltweiten Markt nachbaut. Im Gespräch mit dem Unternehmer G. D. Rajkumar, Ausbildern und Auszubildenden erfuhr Dulig viel über die bürokratischen Hürden, die es zu überwinden gilt, wenn junge Inder in Deutschland arbeiten wollen.
Der Minister: „Gerade beim Thema Anerkennung von Qualifikationen haben wir noch einige Hausaufgaben in Deutschland mit unseren Kammern zu erledigen. Hier im GTTI wird streng nach deutschen IHK-Standards ausgebildet und unser duales System eingeführt, aber in Deutschland muss noch einmal alles erneut überprüft und bestätigt werden“, so Dulig. „So stellen wir unnötige Hürden auf.“
Auch auf der International Engineering Sourcing Show, die in Deutschland der Messe Intec entspricht, spielte das Thema Fachkräftezuwanderung eine große Rolle. Viele Inder wollten wissen, wie sie nach Deutschland kommen können. Die sächsischen Unternehmen wiederum, welche sich in kurzen Zwei-Minuten-Vorträgen den rund 180 indischen Unternehmern präsentierten, interessierten sich dafür, welche Voraussetzungen sie erfüllen müssen, damit Inder überhaupt kommen können.
WFS-Geschäftsführer Thomas Horn: „Unsere Unternehmer werden gezielt angesprochen. Das Interesse an sächsischen Unternehmen und Services ist auf jeden Fall vorhanden. Ich sehe große Chancen für die sächsische Wirtschaft hier in Indien und vor allem in Tamil Nadu.“ Das Image-Video der WFS „Hightech trifft auf Barock“ stieß auf beachtliches Interesse – zahlreiche Inder fragten nach, ob all die Schlösser, Opern, Unternehmen, Hightech-Standorte und Landschaften tatsächlich alle in Sachsen liegen würden.
Bei der Werksbesichtigung der Roots Group – mit rund 50.000 Mitarbeitern weltweit auch eines der größten Unternehmen Indiens – staunten die Sachsen über die Wertschöpfungstiefe des Reinigungsmaschinenherstellers mit seinen eigenen Gießereien und Presswerken. Alle Komponenten werden selbst hergestellt: von der Hupe bis zum Getriebe.
In Chennai, der rund zehn Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt von Tamil Nadu im Südosten des Subkontinentes, standen vor allem politische Termine auf dem Plan des Ministers. So traf Martin Dulig seinen Amtskollegen Thalikottai Rasuthevar Baalu Rajaa, Minister für Industrie, Investment und Handel. Im Gespräch wurde schnell klar, dass Sachsen und Tamil Nadu viele Parallelen haben: Beide Länder sind Standorte der Automobilindustrie, stark im Maschinen und Anlagenbau, investieren in Wasserstoff und Mikroelektronik. Dulig: „Auch aus diesem Grund streben wir eine exklusive Zusammenarbeit mit diesem indischen Bundesstaat an.“
Mit IT-Minister Palanivel Thiagarajan vereinbarte Martin Dulig eine enge Zusammenarbeit nicht nur im IT-Bereich, sondern auch beim Thema Zuwanderung indischer Bürger nach Deutschland und die Unterstützung Deutschlands für den Aufbau einer dualen Ausbildung in Indien. „Wir haben großes Interesse daran, dass wir gut ausgebildete Fach- und Arbeitskräfte bekommen. Viele junge Inder können bereits sehr gut Deutsch sprechen und würden gern zu uns kommen“, so der sächsische Wirtschafts- und Arbeitsminister.
Auch bei den Besuchen der indischen Elite-Universität IIT Madras und beim Nutzfahrzeughersteller Ashok Layland lotete die Wirtschaftsdelegation Möglichkeiten der Zusammenarbeit aus. Ihre Bilanz ist eindeutig: Indien mit seinem großen Wachstum bietet Sachsens Wirtschaft ein unglaubliches Potenzial und gut ausgebildete Fach- und Arbeitskräfte. Der Freistaat könne von der engen Kooperation nur profitieren.
Klar war für die mitgereisten Unternehmer allerdings auch: „Die bei uns im Freistaat benötigten Fach- und Arbeitskräfte kann uns nicht der Staat besorgen. Es war gut und wichtig, dass es diese Reise mit dem Minister gab und wir so den Fuß in die Tür bekommen haben. Aber nun muss sich jede Firma hier ihre neuen Mitarbeiter selbst aussuchen und schauen, wer passt und wer nicht. Das kann der Staat gar nicht leisten“, so Peter Lucas, Vorstand der Innung Metall Kamenz, der selbst nach neuen Mitarbeitern für sein Unternehmen in Königsbrück Ausschau hielt.
Martin Dulig abschließend: „Mal wieder hat sich gezeigt, dass Auslandsreisen eine Investition in Sachsens Zukunft sind. Wir haben wichtige neue Kontakte schließen und politische Beziehungen aufbauen können. Sachsen arbeitet nun an einer engen Partnerschaft mit dem indischen Bundesstaat Tamil Nadu. Das ist gut für Sachsen, unsere Wirtschaft und vor allem für die dringend benötigten Fachkräfte, welche wir in Indien anwerben wollen.“
Sachsens Außenhandel mit Indien
Im Jahr 2023 exportierten sächsische Unternehmen Waren im Wert von 327,7 Millionen Euro nach Indien. Dies entsprach einem Zuwachs um zwei Prozent zum Jahr 2022 und war damit ein neuer Rekordwert. Im Länder-Ranking belegte Indien Platz 31. Den höchsten Warenanteil unter allen Ausfuhren nach Indien hatten Erzeugnisse des Maschinenbaus, Kunststoffe und Erzeugnisse des Kraftfahrzeugbaus. Auch Elektrotechnik aus Sachsen war auf dem indischen Markt gefragt.
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